In der ganzen Schweiz finden in regionalen Komitees Vorbereitungssitzungen für den Frauenstreik vom 14. Juni 2019 statt. In diesen steht eine Frage im Mittelpunkt: Was ist das Ziel des Frauenstreiks und wie muss er organisiert werden?
Die Unterdrückung der Frau bleibt auch in der Schweiz von 2019 eine Tatsache: Jede dritte Frau wird an ihrem Arbeitsplatz sexuell belästigt, jede Woche wird eine Frau Opfer von häuslicher Gewalt, jedes Jahr werden 25 Frauen von ihrem Partner ermordet. Frauen werden auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert, indem sie insgesamt 20% weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen. Dazu kommt, dass den Frauen neben der Lohnarbeit auch noch der Grossteil der unentlöhnten Hausarbeit sowie die Betreuung von Kindern und Alten aufgebürdet wird.
Seit 10 Jahren wälzt die Bourgeoisie die Auswirkungen der kapitalistischen Krise über Sparmassnahmen und Angriffe auf die Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiten und Löhne in voller Wucht auf die Arbeiterklasse ab. Besonders hart trifft es die arbeitenden Frauen. Aus diesem Grund sehen wir derzeit weltweite Bewegungen, in denen sich Frauen gegen ihre Unterdrückung und Ausbeutung zur Wehr setzen: Der Frauenstreik in Spanien 2018 mit über sechs Million Streikenden sei hier nur als eindrücklichstes Beispiel genannt. Unter diesem Eindruck schaut eine bereits radikalisierte Schicht der Frauen in der Schweiz ins Ausland und zieht die völlig korrekte Schlussfolgerung: Machen wir’s ihnen nach!
Am wichtigsten ist die politische Klarheit: Der Kampf gegen die Unterdrückung der Frau ist ein Kampf gegen den Kapitalismus.»
Ein Versäumnis der Gewerkschaften
Frauen machen aber gleichzeitig auch die verwundbarsten, weil am schlechtesten organisierten Schichten der Arbeiterklasse aus. Bis heute bleibt der Organisationsgrad in den typischen Frauensektoren tief: Im Dienstleistungssektor beträgt er 8%, in der Reinigung 6%, im Gesundheitssektor sogar nur 3%. Viele der prekär arbeitenden Frauen sind bis heute nie in den Kontakt mit den Gewerkschaften gekommen. Dieser Umstand rächt sich nun: Die mangelnde Verankerung der Gewerkschaften unter den arbeitenden Frauen verhindert eine breite Mobilisierung in den Betrieben.
Doch genau diese ist notwendig dafür, dass ein Streik, der die Kapitalisten wirklich unter Druck setzt und somit Zugeständnisse erkämpfen kann, erfolgreich sein kann. Deshalb muss das oberste Ziel des Frauenstreiks 2019 sein, die Organisierung der arbeitenden Frauen in den Betrieben voranzutreiben. Damit verschieben wir längerfristig das Kräfteverhältnis zwischen Arbeit und Kapital. Wir müssen kampffähig werden, auch über den 14. Juni hinaus!
Kein «symbolischer», sondern ein kämpferischer Streik!
Doch für den Streik zu mobilisieren gelingt uns nur, wenn die arbeitenden Frauen auch tatsächlich die Möglichkeit sehen, eine Verbesserung zu erkämpfen. Beschränkt man sich im Vornherein auf Symbolpolitik, amputiert man sich die Möglichkeit, aufzuzeigen, wie und dass wir siegen können. Nur ein Frauenstreik, welcher die Wirtschaft erfolgreich blockiert, wird die Bürgerlichen zu Zugeständnissen zwingen.
Die Wahl des Streiks als Kampfmittel ist eine vortreffliche Möglichkeit, direkt aufzuzeigen, was vielen bewusst oder unbewusst bereits klar ist: Frauenunterdrückung ist Teil der kapitalistischen Unterdrückung und Ausbeutung. Die effektivste Waffe dagegen ist die traditionelle Waffe der ArbeiterInnenklasse, der Streik. Er trifft den wunden Punkt der Kapitalisten. Für ihren Profit sind sie nämlich auf die Arbeitskraft der Lohnabhängigen angewiesen. Mit einem Generalstreik blockieren wir die ganze kapitalistische Wirtschaft – von einem Tag auf den anderen!
Dies ist nur möglich, wenn sich die ganze Arbeiterklasse daran beteiligt. Dafür müssen Männer ebenfalls streiken. Damit zeigen wir auf, dass arbeitende Frauen wie Männer ein gemeinsames Klasseninteresse haben und dass der Kampf nicht gegen die Männer geführt wird, sondern gegen das Kapital. Dazu brauchen wir eine möglichst breite Einheit der Arbeiterklasse. Es ist gerade der gemeinsame Kampf, der imstande ist, jahrhundertealte spaltende Ideologien wie den Sexismus zu überwinden und dadurch diese Einheit herzustellen.
Wie weiter?
Mit diesem Anspruch ist klar, dass die bisherige Organisationsform des Streiks noch lange nicht ausreicht, um einen erfolgreichen Streik durchzuführen. Die bisherigen Streikkomitees sind kaum handlungs- und entscheidungsfähig. Die Streikführung – welche bereits heute inoffiziell existiert – muss demokratisch kontrolliert werden. Je grösser die Bewegung, desto wichtiger werden die Demokratie und die Kontrolle der Führung. Wir begrüssen zwar, dass sich ein nationales Komitee gebildet hat – ebenso, dass auf den 9. März eine nationale Frauenkonferenz einberufen werden soll. Doch die bisherigen Strukturen sind nicht demokratisch: Wollen wir Frauen in die Streikbewegung integrieren, müssen sie mitbestimmen können. Wenn die lokalen Komitees hingegen keine Führung und keine Delegierten wählen können, die sie auf nationaler Ebene vertreten, werden wir entweder ein nationales Komitee haben, welches völlig im Alleingang und ohne demokratische Legitimation handelt, oder aber die verschiedenen Komitees werden unkoordiniert handeln. Beides schadet dem Ziel eines schlagkräftigen Streiks.
Brechen wir mit dem System!
Wir unterstützen die Initiative für einen neuen Frauenstreik und kämpfen innerhalb der Komitees für demokratische Strukturen. Am wichtigsten ist uns aber die politische Klarheit: Der Kampf gegen die Unterdrückung der Frau ist ein Kampf gegen den Kapitalismus. Wir kämpfen für die Vergesellschaftung der Haus- und Betreuungsarbeit. Wir kämpfen, mit anderen Worten, für die Errichtung eines flächendeckenden Netzes an Kitas, Kantinen und Pflegeheimen, finanziert durch die Kapitalisten; wir kämpfen für eine radikale Arbeitszeitverkürzung und die konsequente Durchsetzung der Lohngleichheit.
Diese Forderungen sind absolut zentral für die Emanzipation der Frauen sowie aller Lohnabhängigen. Sie gehen aber weit über den Kapitalismus hinaus und erfordern den Bruch mit diesem System. Dazu brauchen wir eine revolutionäre Organisation, und es gilt, diese Schritt für Schritt aufzubauen. Ein Streik ist eine wichtige Erfahrung für die arbeitenden Frauen. Aber diese Aufbauarbeit kann er nicht ersetzen.
Redaktion
Bild: Streik der Angestellten der Wäscherei am Spital Fribourg ©SSP (Eric Roset)
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