Die Unterdrückung und Armut bei Frauen nimmt weltweit zu – auch in der Schweiz! Warum der Kapitalismus ein direktes Hindernis für die Frauenbefreiung darstellt und der Frauenkampf nur als Klassenkampf siegreich ist, soll im Folgenden geklärt werden.

Für all jene, welche sich eine graduelle Verbesserung der Situation der Frau im Kapitalismus erhofft haben, gibt es heute ein hartes Erwachen: Die Krise des Kapitalismus münzt sich um in einen gewaltigen historischen Rückschritt für die Frauenemanzipation weltweit. Dies gilt auch für  die Schweiz, wo Kürzungen beim Sozialstaat und Arbeitslosigkeit die Frauen überdimensional treffen und die häusliche Gewalt seit Jahren zunimmt. Gleichzeitig werden diese Angriffe legitimiert, indem ein archaisches Bild der Frau gezeichnet wird, die «an den Herd gehört» und «dem Mann zugehörig» ist. Um diese Angriffe abzuwehren und den Kampf für die Frauenbefreiung erfolgreich zu führen, brauchen wir eine klare Analyse, woher die Frauenunterdrückung stammt und wie diese erfolgreich bekämpft werden kann!

Der Ursprung der Frauenunterdrückung

Unterdrückung hat ihre Wurzeln in der Klassengesellschaft selbst – das gilt auch für Missbrauch, Gewalt, Sexismus und Intoleranz. Frauenunterdrückung hat es nicht immer schon gegeben: In frühen egalitären Gesellschaften gab es kein Privateigentum und somit auch keine Klassen, die andere Menschen ausbeuteten. Mit der Entstehung von Privateigentum und Klassengesellschaft änderte sich auch die Form und Funktion der Familie wesentlich: «Die Führung des Haushalts verlor ihren öffentlichen Charakter. Sie ging die Gesellschaft nichts mehr an. Sie wurde ein Privatdienst; die Frau wurde erste Dienstbotin, aus der Teilnahme an der gesellschaftlichen Produktion verdrängt.» (Engels, Ursprung der Familie…). 

Es stimmt also, dass die Frauenunterdrückung viel älter als das kapitalistische Wirtschaftssystem ist, nämlich so alt wie Klassengesellschaften selbst. Dennoch ist es falsch anzunehmen, wie der Feminismus es tut, dass der Kampf gegen Frauenunterdrückung in irgendeiner Form separat vom Kampf gegen den Kapitalismus geführt werden kann. Das herrschende System hat sich die Frauenunterdrückung völlig einverleibt – sie ist eine ökonomische, politische und ideologische Stütze für den Kapitalismus.

Die Familie im Kapitalismus

Der Kapitalismus ist die modernste Form der Klassengesellschaft, in der sich die KapitalistInnen und die Arbeiterklasse unversöhnlich gegenüberstehen. Gleichzeitig stützt sich dieses System auf vorkapitalistische Institutionen wie die patriarchale Familienform. Bis heute ist die Frau im Wesentlichen für die Reproduktion (die Kindererziehung, Pflege und Hausarbeit) zuständig, welche isoliert und privat verrichtet wird und welche die Frau in ökonomische Abhängigkeit zum Mann bringt. «Die moderne Einzelfamilie ist gegründet auf die offene oder verhüllte Haussklaverei der Frau, und die moderne Gesellschaft ist eine Masse, die aus lauter Einzelfamilien als ihren Molekülen sich zusammensetzt» (Engels, ebd.). Jahrtausende alte ideologische Unterdrückung rechtfertigt diese «Haussklaverei», lässt diese Arbeitsteilung fast natürlich erscheinen: Die Frau wird auch heute noch als «schwaches Geschlecht» und als Anhängsel vom Mann sozialisiert. 

Der Kapitalismus spielt eine widersprüchliche Rolle: Zum einen hat er mit der Industrialisierung und der gesellschaftlichen Arbeitsteilung nicht nur die Männer, sondern vermehrt auch die Frauen in die «Öffentlichkeit» der Lohnarbeit getrieben. Die Frauen wurden so im Verlauf der letzten 200 Jahre aus der Isolation des Haushaltes in die Produktion geworfen und konnten sich am gesellschaftlichen Leben beteiligen, sich organisieren und für ihre Rechte kämpfen. Gleichzeitig hält der Kapitalismus mit der patriarchalen Familienform eine geschlechtliche Arbeitsteilung aufrecht. Dieser Widerspruch zeigt sich in der Doppelbelastung von Haus- und Lohnarbeit, die auf den Frauen lasten. In der Schweiz zeigt sich dieser Widerspruch durch die schlechten Sozialsysteme krass: Die Teilzeitarbeit ist hierzulande besonders ausgeprägt und ist sowohl Folge als auch Zementierung der Unterdrückungsverhältnisse. Der Kapitalismus ist nicht nur unfähig diesen Widerspruch zu lösen, er hat auch null Interesse daran!

Der Kapitalismus ist das Hindernis!

Ein wesentlicher Schritt zur Selbstbestimmung über das eigene Leben für Frauen ist, ihrer Unterdrückung die materielle Grundlage zu entziehen: Gesellschaftlich notwendige Arbeit muss gesellschaftlich organisiert werden. «Mit dem Übergang der Produktionsmittel in Gemeineigentum hört die Einzelfamilie auf, wirtschaftliche Einheit der Gesellschaft zu sein. Die Privathaushaltung verwandelt sich in eine gesellschaftliche Industrie. Die Pflege und Erziehung der Kinder wird öffentliche Angelegenheit…» (Engels, ebd.) Die gesellschaftlichen Rollenbilder können also erst völlig abgeschafft werden, wenn deren materielle Grundlage, die patriarchale Kleinfamilie, durch eine demokratisch geplante Wirtschaft überwunden wird. Mit der Entstehung der eigentumslosen Arbeiterklasse und der Entwicklung der Produktivkräfte hat der Kapitalismus die Voraussetzungen geschaffen für die Befreiung der Frau aus der Haussklaverei. Vieles von dem, was heute noch in privater Hausarbeit getan werden muss, kann vom Kollektiv besser geleistet und gleichzeitig die Arbeitszeit für alle verkürzt werden.

Dieses Potential kann aber nur gegen die Interessen der Besitzerklasse verwirklicht werden. Der reaktionäre Charakter des Kapitalismus zeigt sich offen. Die Kapitalisten profitieren von der Frauenunterdrückung. Die «Rolle der Frau in der Familie» dient ihnen dazu, Arbeiterinnen gegen Arbeiter auszuspielen und ihr Ausbeutungssystem ideologisch zu rechtfertigen: Bei steigender Arbeitslosigkeit sind niedrig bezahlte Arbeitskräfte (Frauen, MigrantInnen) ein Druckmittel, um das generelle Lohnniveau zu senken. Die Schlechterbezahlung von Frauen wird einerseits durch die niedrige Entlohnung in «weiblichen» Berufen wie Pflege, Erziehung und Detailhandel zementiert. Ebenso dienen Frauen dem Kapital als Mannövriermasse, die in der Krise «zurück an den Herd» gedrängt werden kann und so die steigende Arbeitslosigkeit kaschiert. Nicht nur profitieren die KapitalistInnen so ökonomisch von Frauenunterdrückung – diese ist ein entscheidendes politisches Mittel, um die Arbeiterklasse in ihrem geeinten Kampf zu schwächen!

Frauenkampf heisst Klassenkampf!

Wir sehen heute, dass die Krise des Kapitalismus der Frau nichts mehr zu bieten hat als Armut, schlechte Arbeitsbedingungen, einer Zementierung ihrer Rolle als «schwaches Geschlecht» und Vergiftung der Geschlechter-Beziehungen – denn mit zunehmenden finanziellen und ökonomischen Drücken in der Familie nimmt auch die Konkurrenz in der Arbeiterschaft und die häusliche Gewalt zu. Dies alles können wir nur bekämpfen, indem wir uns gemeinsam als ArbeiterInnenklasse organisieren und für das allgemeine Recht auf Arbeit, also die Aufteilung der gesellschaftlichen Arbeit auf alle kämpfen, für den massiven Ausbau des Sozialstaates, für die Arbeiterkontrolle der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben und gegen die Spaltung unserer Klasse entlang der Geschlechter (und der Herkunft etc.). Nur auf der Grundlage von gemeinsamen Klassenforderungen überwinden wir das Ausspielen von gewissen Schichten unserer Klasse gegen andere, die schlussendlich nur dazu dienen, diese historische Krise des Kapitalismus auf uns alle abzuladen. 

Olivia Eschmann
JUSO Bern

Bild: Der Funke