Eine Solidaritätswelle geht durch die Arbeiterklasse für die vorwiegend weiblichen Arbeitenden an der Pandemie-Front. Gleichzeitig sind die arbeitenden Frauen unter Dauerbeschuss vom Kapital. Eine explosive Mischung.


[Video] Frauen in der Coronakrise


Kapitalismus hat nichts zu bieten

In den letzten 40 Jahren fuhren die Kapitalisten international einen aggressiven Angriffskurs auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse. Arbeitende Frauen wurden doppelt getroffen: sowohl als Lohn- wie auch als Hausarbeiterinnen. Seit Jahrzehnten sind die typischen «Frauenberufe» (Gesundheit und Pflege, Sozialbereich, Bildung, Reinigung etc.) unter Beschuss: sowohl durch Sparpolitik und Privatisierungen im öffentlichen Bereich, als auch durch direkte Angriffe in der Privatwirtschaft. Die Zerschlagung des «Sozialstaates» bedeutet aber auch, dass die Doppelbelastung der Frau zunimmt: Alten-, Krankenpflege und Kindererziehung werden wieder vermehrt in die Privatsphäre verlagert und der Frau aufgebürdet. 

Der Kapitalismus im Niedergang hat im Speziellen den arbeitenden Frauen nichts mehr zu bieten. Den Generationen, die in der kapitalistischen Krise aufgewachsen sind, zeigt sich der Kapitalismus als ein Teufelskreis von Wirtschaftskrisen, Klimakatastrophen, Kriegen, Armut, Flüchtlingsströmen und Repression. Arbeitende Frauen erleben den enormen Widerspruch zwischen dem formalen Gleichstellungsrecht und ihrer realen Stellung in der Gesellschaft. Sexismus, Diskriminierung am Arbeitsplatz, Gewalt und sich verschärfende Doppelbelastung sind alltägliche Erfahrungen. Dies alles hat tiefe Spuren im Bewusstsein hinterlassen. Die seit Jahrzehnten schwelenden Radikalisierungsprozesse  traten in den letzten Jahren an die Oberfläche.

Frauen auf dem Vormarsch

Zum Einen begannen sich die typischen Frauenberufe zu bewegen: 2018 gab es eine breite Streikbewegung der LehrerInnen in den USA und Polen. Und in den Spitälern und Notfallstationen sahen wir Arbeitskämpfe und Streiks, von Österreich, Frankreich, über Grossbritannien und Deutschland etc. Zum Anderen kam es zu internationalen Massenbewegungen der Arbeiterinnen und Jugend: Zuerst die globale MeToo-Bewegung und dann 2018/19 die Frauenstreikbewegung, die vor allem in Spanien und Lateinamerika revolutionäre Züge annahm. Auch in der Schweiz war der Frauenstreik 2019 mit einer halben Million Menschen die grösste Demonstration seit fast 30 Jahren. Das ist der radikale Boden, in den die «Corona-Krise» einschlug – und die Radikalisierung nochmals um ein Vielfaches vertiefen wird. 

Corona: Pulverfass der Gegensätze

Die Corona-Krise ist ein Katalysator auf Weltebene: Die schlummernde Weltwirtschaftskrise wird in allen Ländern gleichzeitig ausgelöst. Die zusammengesparten Sozial- und Gesundheitssysteme werden auch in der Schweiz hart auf die Probe gestellt und entblössen riesige Mängel. Die Frauenberufe an der Pandemie-Front trifft es frontal: Pflegende kurz vor dem Kollaps, VerkäuferInnen ohne Schutzmasken, LehrerInnen im völligen Chaos, arbeitende Mütter ohne Kinderbetreuung. Opfer-Anlaufstellen erwarten einen starken Anstieg von häuslicher Gewalt (wie bereits in China und Italien). Soweit die Realität des Lockdowns. 

Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise werden aber noch weitreichender sein. Die vom Bundesrat eingesetzten Staatsgelder zur Rettung von Unternehmen und Banken bedeuten schon bald härteste Sparpolitik. In der Privatwirtschaft, wie auch im öffentlichen Dienst, gelten die gleichen Rezepte wie in den letzten 40 Jahren, nur verschärft: Noch mehr Kürzungen im Gesundheits- und Bildungswesen, noch schlechtere Arbeits- und Lebensbedingungen im Speziellen für die lohnabhängige Frau.

Der Corona-Katalysator hat aber auch einen ganz eigentümlichen Effekt. Die Arbeiterklasse und insbesondere die «Frauenberufe» sind durch die Pandemie und den Lockdown in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Die entscheidende Rolle der arbeitenden Frauen im Funktionieren der Gesellschaft wurde nicht nur diesen selbst klar, sondern der ganzen Klasse. Nicht die Patrons, Banker und Bürokraten, sondern die Pflegerinnen, Putzfrauen und Verkäuferinnen halten die Gesellschaft am Laufen.

Die «Anerkennung» der Patrons und des bürgerlichen Staates ist zynisch: Sie setzen im gleichen Atemzug Arbeitszeitverlängerungen und Kostensenkungsmassnahmen durch. Aber diejenige der Lohnabhängigen ist grundehrlich! Sie bedeutet eine enorme Klassensolidarität der Lohnabhängigen. Nicht nur wird diesen Berufen täglich gedankt und ihre Berichte von der Pandemie-Front auf Social Media verbreitet, es gibt unzählige Beispiele von direkter Solidarität: Tausende Freiwillige übernehmen Einkäufe und Kinderbetreuung solcher essentiellen Angestellten usw.

Nicht nur das: Die arbeitenden Frauen sehen viel klarer, dass die Profitlogik des Kapitalismus ihren Interessen entgegensteht. Sie sehen, dass diese für die miserablen Arbeitsbedingungen verantwortlich ist und ihrer körperlichen und psychischen Gesundheit entgegensteht. Eine Pflegerin dazu: «In der Krise zeigt sich die Profitorientierung der Spitäler deutlich, beim Personal entsteht ein neues Bewusstsein. Die meisten KollegInnen wünschen sich die Rückkehr zum normalen Tagesgeschäft. Noch mehr jedoch anständige Bezahlung und mehr Personal auf den Stationen.» Corona triggert also nicht nur eine Wirtschaftskrise: es hat auch dem Selbstvertrauen und Klassenbewusstsein der arbeitenden Frauen einen enormen Schub gegeben.

Diese Arbeiterinnen werden ihre schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen und die kommenden Angriffe auf diese nicht mehr einfach schlucken. Die Aussage einer Spitex-Angestellten steht stellvertretend für die Kampfbereitschaft breiter Teile: «Die Öffentlichkeit hat ihren Fokus heute auf uns Arbeitern und sieht, wie wichtig wir sind. Daraus schöpfe ich Stolz, aber auch Selbstvertrauen, für meine Rechte zu kämpfen.» Es ist unsere Aufgabe, dieses Klassenbewusstsein weiter voranzutreiben.

Militanter Optimismus!

Wir sehen das ganze Ausmass des Pulverfasses der kommenden Periode: Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und neuerliche und härtere Angriffe der Kapitalisten stehen vor der Türe. Diese Angriffe treffen aber auf das neu-gewonnene Selbst- und Klassenbewusstsein arbeitender Frauen und die Solidarität der Arbeiterklasse mit ihnen. Und vergessen wir nicht: Das sind dieselben arbeitenden und jungen Frauen, die in der letzten Periode bereits auf der Strasse und teilweise im Betrieb gekämpft haben und erste Kampferfahrungen gesammelt haben. Diese Frauen werden kämpfen!

Die kommenden Kämpfe werden sich um die Frage drehen, wer für die Systemkrise zu zahlen hat. Die Interessen der Kapitalisten und die der arbeitenden Frau stehen sich dabei entgegen. Jede Einigung mit den Patrons, Bankern und dem bürgerlichen Staat ist unmöglich: Nur durch den härtesten Kampf in Betrieben und auf der Strasse erreichen wir Fortschritte für unsere Arbeitsbedingungen und unseren Lebensstandard. Der faulende Kapitalismus hat den Frauen nichts mehr zu bieten – darum organisiere dich mit uns für die Befreiung der Frau und den Sozialismus!

(Bild: Flickr)

Geschrieben von Olivia Eschmann, JUSO Basel-Stadt

(Erstveröffentlichung: 20. Mai 2020)