300’000 Lohnabhängige bewiesen am 14. Juni die Kampfbereitschaft der Schweizer Arbeiterklasse, angeführt von den Frauen und der Jugend! Es ist das erste grosse Ventil für den Unmut der letzten vier Jahre, in denen eine Krise die nächste ablöste: Die Pandemie, die Abstimmung und Verschleppung der Pflegeinitiative, der Ukraine-Krieg mit der Erhöhung der Militärausgaben, Sexismus-Skandale (RTS, Tamedia), der Angriff auf das Frauenrentenalter, die steigende Inflation, die CS-Bankenrettung. Die letzten vier Jahre waren Hammerschläge aufs Bewusstsein der Schweizer Arbeiterklasse. Was man bisher aus Umfragen ablesen musste, konnte am letzten Mittwoch direkt auf der Strasse gemessen werden: Das Vertrauen in die herrschenden Institutionen, den Staat, ins Parlament und in Werkzeuge wie Initiativen sind merklich gesunken. Viele sehen auch, dass der Frauenstreik als einzelner Aktionstag nicht ausreicht. Sie verstehen instinktiv, dass die Frauenunterdrückung mit dem ganzen Kapitalismus zusammenhängt und stellen damit implizit die Frage nach einer Revolution. Unser Programm einer kommunistischen Revolution stiess auf viel Offenheit und sogar Zustimmung – besonders bei Jugendlichen.
Klassenkampf der Bürgerlichen
Vor dem 14. Juni versuchten die Bürgerlichen (z.B. NZZ, Tagi, Blick) den Frauenstreik zu delegitimieren: Die Bewegung mit ihrem «Gewerkschaftsprogramm» sei «von den Linken gekapert» worden und sei nicht mehr offen für «alle Frauen» (lies Managerinnen und Bürgerliche). Zeitgleich veröffentlichte der Arbeitgeberverband eine Studie, die beweisen sollte, dass die Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern fast erreicht sei. Damit entblössen die Kapitalisten und Bürgerlichen wieder einmal ihren erz-reaktionären Charakter in der Frauenfrage. Das zeigt: Die Frauenstreik-Bewegung bricht entlang der Klassenlinien auf. Warum? Alle Forderungen, die für die grosse Mehrheit der Frauen wichtig sind – gute Löhne, Renten, Kita-Plätze, Gewaltschutz etc. – werfen die Frage auf: Wer zahlt – die Arbeiterklasse oder die Kapitalisten? Nach den Rentenangriffen wurde nun auch beim Frauenstreik deutlich, dass bürgerliche Frauen nicht die Interessen der Mehrheit der Frauen teilen. Sie stellen sich auf die Seite ihrer Klasse: den Kapitalisten.
Das beweist: Die Frauenunterdrückung ist eine Klassenfrage. Die Gesellschaft spaltet sich nicht in erster Linie in Männer und Frauen, sondern in Klassen. Die Kapitalisten sind eine winzige Minderheit. Sie besitzen und kontrollieren aber den Grossteil der vorhandenen Ressourcen und beuten die Arbeiterklasse für ihren Profit aus. Die Arbeiterklasse ist die grosse Mehrheit, die ihre eigene Arbeitskraft verkaufen muss, um sich selbst und die Familie zu ernähren. Gleichzeitig erschafft sie in den Betrieben allen gesellschaftlichen Reichtum und hat darum das Potenzial, nicht nur die Profite der Kapitalisten mit einem Streik zu gefährden, sondern schlussendlich auch die ganze Produktion ohne Kapitalisten zu organisieren. Die Aufgabe der Frauenbefreiung ist schlussendlich eine Frage der gesellschaftlichen Ressourcen und wer sie kontrolliert. Das macht sie zu einer revolutionären Aufgabe: Nur indem wir als geeinte Arbeiterklasse die Kapitalisten enteignen, die Banken und Grossbetriebe übernehmen, können wir allen ein gutes Leben ohne Doppelbelastung, Burnouts und Altersarmut ermöglichen. Und nur so schaffen wir die materielle Grundlage für eine Kultur frei von Seximus und allen anderen spaltenden Ideen.
Für den Frauenstreik heisst das heute: Jegliche Errungenschaften können nur gegen die Kapitalisten erreicht werden, wenn wir sie in die Knie zwingen. Ressourcen sind genug da, aber die Kapitalisten haben das Interesse an ihren Profiten, wir hingegen an guten Lebensbedingungen. Und während die Reallöhne für die Arbeiterklasse sinken, haben die Schweizer Milliardäre ihr Vermögen in der Krise um 52 % vermehrt (Oxfam). Dieses Vermögen müssen wir uns aktiv holen. Nur mit Klassenkampf – das wichtigste Mittel dabei ist der Streik in den Betrieben – erzwingen wir Verbesserungen. Doch dafür brauchen wir die grösstmögliche Einheit unserer Klasse: inklusive den Männern!
Ein Streik, der wehtut!
Die Stimmung am 14. Juni war elektrisierend. In Zürich legten um die 100’000 Frauen die Stadt lahm. Pflegerinnen hinter ihrem Gewerkschafts-Transpi skandierten «One solution – revolution!», wütende Hebammen und Kita-Angestellte forderten bessere Arbeitsbedingungen und viele Jugendliche erzählten uns von ihren Erfahrungen mit Sexismus und ihren Zukunftsängsten. Eine Schülerin sagte wütend: «Auch in der Schweiz geht es uns nicht gut. Ich hatte vor zwei Jahren ein Burnout und ich bin noch nicht mal aus der Schule. Auch hier funktioniert der Kapitalismus nicht!»
Der Unmut der Frauen stand im Kontrast zur gleichzeitigen Ratlosigkeit: Was tun? Wie kämpfen? Die Führung der Bewegung, bestehend aus Feministen und Gewerkschaften, gab keine Antworten darauf. Damit liess sie das Potenzial ungenutzt. Stattdessen gingen auch dieses Mal die Massen am Ende des Tages einfach wieder nach Hause – ohne eine Antwort, wie weiter nach dem 14. Juni.
Was hiesse denn das Potenzial nutzen? Stellen wir uns vor, die Führung hätte ihre Plattform genutzt für einen Grossaufruf, sich nicht mehr den Bossen und ihrer Profitgier zu unterwerfen, sich als Klasse in Partei und Gewerkschaften zu organisieren und aktiv zu kämpfen. Mit Flugblättern und Diskussionen und dann auf den Tribünen hätte man die Menge inspirieren können: «Der Frauenstreik darf nicht eine symbolische Aktion bleiben. Wer hier ist Pflegerin? Verkäuferin? Reinigungsangestellte? Lehrerin? Unser Ziel muss es sein, unsere Kolleginnen und Kollegen von unseren wichtigen Forderungen und dem Kampf dafür zu überzeugen! Nächste Woche finden in diesen Spitälern und Krippen Betriebsversammlungen statt. Wie können wir uns organisieren und gemeinsam zurückschlagen? Nehmt Flyer, diskutiert sie im Betrieb und mobilisiert eure Kollegen. Die Bosse scheinen übermächtig, aber ohne uns Arbeiterinnen und Arbeiter läuft nichts in der Gesellschaft! Doch wenn wir alle zusammenstehen und die Arbeit niederlegen, kann uns nichts aufhalten! Nur was den Profiten weh tut, zwingt die Bosse zu Zugeständnissen. Die letzten vier Jahre haben es bewiesen: Geschenkt wird uns nichts! Kollektive Organisierung unserer Klasse und Kampfbereitschaft – das braucht’s, um unseren Forderungen wirklich Gehör zu verschaffen! Wer, wenn nicht wir? Wann, wenn nicht jetzt?»
Vorgemacht haben es die Reinigungskräfte in Luzern: Am Morgen des 14. Juni legten fast 30 von ihnen ihre Arbeit nieder. Sie verlangten bessere und rechtzeitig gezahlte Löhne sowie Gespräche gegen das sexistische und rassistische Betriebsklima. Nach einer Stunde Streik hatten sie vom Boss die schriftliche Zusage erzwungen. Diese Frauen haben wichtige Fortschritte erreicht, weil sie nicht symbolisch nach der Arbeit, sondern wirklich gestreikt haben. Diese Frauen als grosses Vorbild, diese Erfahrung vertausendfachen – das hätte der Kampfschrei des Frauenstreiks sein können!
Das Fazit: Für die Schweiz sind das historische Zahlen: 2019 waren es 500’000, letzten Mittwoch waren es 300’000 Frauen auf der Strasse. Das beweist das Potenzial für den aktiven Kampf der Arbeiterklasse in der Schweiz! Die feministische Führung fällt hinter dieses Potenzial zurück. Als Führung der Bewegung hätte sie die nächsten Schritte aufzeigen müssen: 1) Die Krise des Kapitalismus bedeutet Angriffe auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse. Es bedeutet Angriffe auf die Renten, Sparmassnahmen, Preissteigerungen, schlechtere Arbeitsbedingungen und höhere Arbeitslosigkeit. Das trifft die Frauen nochmals direkt und besonders hart. 2) Die Arbeiterklasse muss selbst kämpfen, um ihren Lebensstandard zu verteidigen, und erst recht um Verbesserungen wie billige oder gratis Kita-Plätze zu erreichen. 3) Dieser Kampf kann nur gegen die Bosse geführt und gewonnen werden. Der symbolische Streik reicht dafür nicht. Das effektivste Mittel ist der Streik im Betrieb, der die Profite der Kapitalisten direkt angreift. 4) Je grösser der Streik, desto effektiver: Dafür braucht es die grösstmögliche Einheit der Arbeiterklasse – über Geschlechtergrenzen hinweg.
Diese Herangehensweise der Führung hätte einen fetten Schritt vorwärts bewirkt im Bewusstsein und der Organisierung der Arbeiterklasse in der Schweiz. Es wäre ein riesiger Schritt Richtung Mobilisierung der Arbeiterklasse für die sozialistische Revolution – der einzige Weg zur Überwindung der Klassengesellschaft und der Frauenunterdrückung!
Werde heute noch Kommunist und organisiere dich!
Dass die feministische Führung dieses Potenzial nicht nutzte, ist nicht einem zufälligen Irrtum geschuldet. Hinter ihrem Verbalradikalismus verstecken sich zutiefst reformistische Ideen und Methoden, die die Frauenstreik-Bewegung in sichere Bahnen lenken: Die Führung ist nicht bereit, mit dem Kapitalismus zu brechen!
Wir Marxisten kämpfen vehement für die Befreiung der Menschheit von jeglicher Unterdrückung und Ausbeutung! Aber das erreichen wir nur mit dem Sturz des Kapitalismus, denn er ist die Grundlage für Unterdrückung und Diskriminierung und andererseits die grösste Hürde im Kampf für die Emanzipation der Frau.
Marx sagte vor 150 Jahren, dass die Kommunisten keine anderen Interessen haben als die Arbeiterklasse, sondern nur ihre konsequentesten Verteidiger sind. Das ist die Rolle von uns Kommunisten: Wir wollen über die einzelnen Mobilisierungen hinaus die konsequentesten Teile der Jugend und der Frauen organisieren für den Kommunismus und Frauenbefreiung!
Genau dieses Programm haben wir Marxisten vom Funke (IMT) am 14. Juni in 8 Städten – Zürich, Bern, Basel, Fribourg, Lausanne, Genf, Bellinzona, Frauenfeld – am Frauenstreik verteidigt. Wir haben mit revolutionären Demo-Blocks (wo möglich) die Ideen von Kommunismus und Frauenbefreiung mit viel Enthusiasmus Gehör verschafft. Wir haben mit über Hunderten von Jugendlichen Gespräche zu den revolutionären Perspektiven und Aufgaben geführt. Das Fazit: Am 14. Juni haben wir mit 150 Aktivistinnen und Aktivisten über 330 Funke-Zeitungen verkauft und stehen mit mehr als 100 neuen Jugendlichen im Kontakt, die Interesse haben, die kommunistischen Ideen zu studieren und zu verteidigen. Das beweist: Wir nehmen unsere revolutionären Aufgaben ernst und kämpfen für «Sozialismus zu unseren Lebzeiten!»
Damit diese Ideen wirklich einen Unterschied in einem Frauenstreik-Bewegung machen können, müssen wir noch viel grösser werden. Das ist die Verantwortung all jener, die die Notwendigkeit des Sturzes des Kapitalismus bereits heute verstehen. Trifft das auf dich zu? Dann tritt mit uns in Kontakt, diskutiere mit uns die Perspektiven der Revolution weltweit und in der Schweiz, studiere den Marxismus und bau mit uns die kommunistischen Kräfte in der International Marxist Tendency (IMT) in über 40 Ländern auf!
von Olivia Eschmann, Redaktion der Funke
Bilder Quelle: Funke
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