Die letzte Ausgabe unserer Publikationsserie „Rote Reihe“ befasst sich mit der Flüchtlingsthematik und der „Festung Europa“. Darin werden in verschiedenen Texten die Mechanismen der menschenverachtenden Abschottungspolitik genauer beleuchtet, aber auch die tieferliegenden Ursachen eingehend analysiert – etwa das globale Machtgefälle zwischen Nord und Süd oder die Unterordnung der Migrationspolitik unter die schonungslose Verwertungslogik des Kapitalismus.
Die Broschüre erschien letzten September, nachdem das Kentern eines Flüchtlingsbootes mit 700 PassagierInnen im April 2015 den Startschuss für eine Welle der Solidarität mit Geflüchteten und der Opposition gegen die Abschottungspolitik der EU ausgelöst hatte. Das Ziel unserer Broschüre war es, mit verschiedenen Texten auf die unterschiedlichen Aspekte des europäischen Grenzregimes einzugehen.
Seit dem Jahr 2000 haben geschätzte 29’000 Geflüchtete vor den Toren Europas ihr Leben verloren – eine traurige Bilanz der menschenverachtenden europäischen Migrationspolitik.
Einer der Grundpfeiler dieser Einwanderungspolitik wurde 1995 mit dem sogenannten Schengen-Abkommen gesetzt, welches zwar einerseits eine „Personenfreizügigkeit“ zwischen den EU-Staaten, auf der anderen Seite aber auch eine gesamteuropäische Regelung der Einwanderungsbestimmungen für Personen aus Drittstaaten festlegte. Mit der Bestimmung von Hürden wie der Visa-Pflicht und der Abschaffung des Botschaftsasyls wurden Flüchtlinge durch das Schengen-Abkommen zunehmend dazu gezwungen, anstelle der bisherigen „legalen“ Einwanderungsmöglichkeiten auf „illegale“ Migrationswege auszuweichen – d.h. halsbrecherische Routen, auf welchenwo die Flüchtenden Menschenhandel, Raub und der Willkür rücksichtsloser Schlepperbanden ausgesetzt sind. Als wäre das nicht schon brutal genug, verfolgte die EU unter Führung ihrer Grenzschutzagentur Frontex eine Politik der Abschottung und Militarisierung ihrer Aussengrenzen, insbesondere im Mittelmeer. Mit Patrouillenschiffen und hochmodernen Überwachungssystemen sollte den Flüchtlingen die Überquerung des Mittelmeers noch zusätzlich so schwer wie möglich gemacht werden. Mittels Kooperation mit den bis 2011 herrschenden nordafrikanischen Diktaturen wurden zudem Bollwerke geschaffen, welche die Flüchtlingsströme aus Afrika bereits vorher auffangen sollten.
Die Broschüre entlarvt weiter die Heuchelei der herrschenden Klasse Europas, welche sich gerne mit Floskeln wie „europäischen Werten“ und „humanitären Traditionen“ brüstet – was umso absurder wird, wenn einem die Doppelmoral ins Auge springt, die in der europäischen Migrationspolitik angewandt wird. Hochqualifizierten Fachkräften, welche von Hochschulen und Unternehmen im Ausland rekrutiert werden, stellen sich keine grossen Hürden bei der Einreise, während von Krieg, Hunger und Armut Vertriebene zu bereits angesprochenen abenteuerlichen Fluchtrouten gezwungen werden. Das ausschlaggebende Kriterium ist also ganz offensichtlich die Möglichkeit zur raschen und reibungslosen „Integration“, und zwar in den kapitalistischen Verwertungsprozess.
Zudem werden in der Broschüre auch der Zusammenhang zwischen der imperialistischen Dominanz der kapitalistischen Zentren und den Fluchtursachen in den Peripherieländern angesprochen, etwa anhand des Fallbeispiels Kolumbien. So sind es die multinationalen Konzerne aus Europa und den USA, welche mit Rückendeckung der globalen Institutionen IWF und Weltbank mit aggressiver Landnahme sowie Privatisierungen von staatlichen Dienstleistungen, Industrien und Rohstoffen gewaltige Profite scheffeln, während die Bevölkerung aus Entwicklungs- und Schwellenländern in die Flucht getrieben wird.
Gerade der krisengeschüttelte europäische Kapitalismus versucht derzeit mit allen Mitteln, kapitalistisch nicht verwertbare Flüchtende von sich fernzuhalten. Hier versucht die Broschüre auch eine Antwort auf die Frage zu geben, inwiefern die allgemeine organische Krise des Kapitalismus, die wir seit 2008 durchleben, sich auch anhand der Flüchtlingskrise manifestiert und wie sich eine Migrationspolitik unter kapitalistischen Bedingungen stets nach der Verwertungslogik des Kapitals richten muss. Auf die herrschende Klasse und ihr System, welches auch die Fluchtursachen Tag für Tag reproduziert, können wir also für die Bewältigung der Flüchtlingskrise nicht vertrauen. Es ist nicht Europa und seine Bevölkerung, welches die Flüchtlingsströme angeblich nicht länger verkraften kann, sondern der europäische Kapitalismus. In diesem Sinne: Refugees welcome – make the bosses pay!
Broschüre zu bestellen über www.derfunke.ch/abo.
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