Die wichtigsten sozialen Konterreformen der laufenden Legislatur sind die USR3 und die AV2020. Beide wurden 2017 an der Urne abgeschmettert. Statt nun im Kampf gegen die kombinierte STAF-Vorlage eine starke Opposition aufzubauen sind Teile der Linken erneut bereit, die Interessen der Lohnabhängigen preiszugeben.
Die Vorlage zur Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) wird noch im September vom Nationalrat verabschiedet werden. Die Richtung ist klar: Senkung der Unternehmenssteuern, Dividenden bleiben nur teilweise steuerbar und neue Schlupflöcher werden eingeführt. Die mindestens 2 Milliarden Steuerausfälle bereiten die Abbaupolitik der nächsten Jahre vor. Die AHV wird mit 2.1 Mia. Franken «zusätzlich» finanziert, mehrheitlich durch höhere Lohnbeiträge.
Nach den verlorenen Abstimmungen im letzten Jahr sind die Bürgerlichen unter Druck. Mit der Verknüpfung der beiden Geschäfte verfolgen sie das Ziel, die SP für ein allfälliges Referendum ruhig zu stellen, was bei der Parteispitze schon Wirkung zeigt. SP-Fraktionschef Roger Nordmann nennt den Deal «ein Lehrstück in Realpolitik». Damit meint er, man hätte das Beste rausgeholt. Ein Lehrstück ist es in der Tat. Hinter der Aussage steckt das Eingeständnis, dass reformistische Politik in der Krise keine progressive Reform zulässt.
Die JUSO-Geschäftsleitung (GL), linke SP-NationalrätInnen sowie das Denknetz lehnen den Deal «in der jetzigen Form» ab. Das ist zu begrüssen. Da sie den AHV-Teil aber unterstützen, fordern sie separate Abstimmungen über die beiden Vorlagen. Die Verknüpfung ist aber der zentrale Punkt der Vorlage.
Für Cédric Wermuth und Co. kommt die AHV-Sanierung wegen des sogenannten Solidarprinzips «einer Reichensteuer gleich». Das liegt daran, dass die riesigen Managergehälter mehr in die AHV einzahlen, als sie ausgezahlt kriegen. Dies nennt man Solidarbeiträge. Laut Hochrechnungen machen die Solidarbeiträge aber weniger als 5% der kompensierten Renten aus (CHSS Nr. 2/2016). Sie fordern also eben nicht, dass die Bonzen alleine die AHV refinanzieren soll, sondern begnügen sich mit minimaler indirekter Umverteilung – und verteidigen höhere Lohnabzüge. Wegen der Erhöhung der Lohnprozente müssen ArbeiterInnen bei dieser AHV-Vorlage mehr einzahlen, kriegen aber nicht höhere Renten. Die Resolution der JUSO GL ignoriert derweil argumentationslos den Beschluss der letzten Jahresversammlung, keine Erhöhung der Lohnbeiträge zu akzeptieren. Oft wird die wachsende Zahl an RentnerInnen als Argument vorgestreckt. Mit der Produktivitätssteigerung der letzten 25 Jahre (30%!) könnte dies aber locker beglichen werden, heute kommt sie jedoch nur dem Kapital zu Gut. Diese AHV-Reform ist ein Angriff auf den Lebensstandard der Lohnabhängigen und so wird sie von diesen auch wahrgenommen – ob die GL das will oder nicht.
Seit Jahrzehnten führt die SP vor allem defensive Kämpfe und baut auf die Kompromissbereitschaft der Bürgerlichen. Durch die internationalen Krise des Kapitalismus werden die Angriffe von Rechts härter und zahlreicher, die materielle Basis für Kompromisse fällt weg. Der Reformismus will uns Konterreformen als Fortschritte verkaufen. Die Frage ist aber, wie wir diese Angriffe bekämpfen? Statt jedes Mal einzuknicken braucht es eine Kehrtwende zu einer offensiven, organisierten Opposition. Dabei können wir nur auf unsere eigenen Kräfte vertrauen. Die marxistische Strömung interveniert derzeit in der JUSO mit einer Resolution, die genau darauf abzielt.
Mit den faulen Kompromissen der SP-Spitze muss gebrochen werden. Die Verteidigung der Interessen der Lohnabhängigen gehört auf diesen Plan. Es ist nicht die Aufgabe der SP oder JUSO, Verantwortung für die Versäumnisse bürgerlicher Politik zu übernehmen. Eine konsequente Opposition stellt die Forderung der Sanierung der AHV durch die besitzende Klasse auf, statt höhere Lohnbeiträge zu verteidigen. Eine Reform, die zu Steuerausfällen oder Reallohneinbussen führt, muss bekämpft werden.
In Worten bekräftigt die JUSO-GL in ihrer Resolution ein weiteres Mal den Kampf gegen den internationalen Steuerwettbewerb. Das Problem bleibt das gleiche. Wie kommt man über den Defensivkampf hinaus diesem Ziel näher? Die SV17, die STAF und der AHV-Finanzierungsvorschlag sind eine politische Wasserscheide zwischen jenen, die aus den Kämpfen von USR3 und AV2020 gelernt haben und jenen, die weiterhin das vermeintlich kleinere Übel hochhalten.
Am Aufbau ein einer konsequenten, breiten und geeinten Opposition führt kein Weg vorbei. Wenn die JUSO nicht eine Nebenrolle im Kampf gegen diese und kommende Konterreformen besetzen will, dann muss sie diese jetzt aufbauen. Den ersten Schritt machen wir, indem wir JUSOs in der SP und den Gewerkschaften auf allen Ebenen, wo wir uns einbringen können, diese Linie mit Entschlossenheit verteidigen.
(C) JUSO Thurgau
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