Spaziert man durch die Zürcher Altstadt bietet sich dem Passanten seit dem 16. April ein irgendwie ungewohnter Anblick. Das Panorama vom Limmatquai wird neuerdings durch einen stählernen über 30 Meter hohen Koloss aus der ehemaligen DDR bereichert. Dass der Hafenkran aus Rostock auch schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat, ist spätestens beim näheren Herantreten an der etwas rötlichen Färbung zu erkennen.
Der ausrangierte Neunzigtönner mit Baujahr 1963 wurde von der Stadt Zürich im Rahmen des Kunstprojektes „Zürich Transit Maritim“ installiert und soll bis im Januar 2015 die Limmatstadt zieren. Wenn es nach der Juso Stadt Zürich ginge, könnte der Kran aber gerne noch über den Anfang des nächsten Jahres hinaus verbleiben. Und zwar auf Dauer.
Über Geschmack zu diskutieren, soll zwar bekanntlich nicht allzu oft auf einen grünen Zweig führen. Doch nichts desto trotz polarisiert das Kunstwerk die politischen Lager der Stadt Zürcher Politik und schafft es seit einigen Monaten immer wieder in den medialen Diskurs. Relevant finde ich, selbst Mitglied der Stadt Zürcher Juso-Sektion, aber nicht die Frage, ob jetzt das ostdeutsche Arbeitsgerät als Kunst durchgehen soll oder nicht. Sondern viel mehr, wie wichtig ist es, dass wir als Jungsozialisten uns diese Frage überhaupt stellen. Macht es Sinn, sich aktiv in diese lokalpolitische Diskussion einzuschalten? Zweifel dürften an dieser Stelle wohl erlaubt sein. Der Punkt ist wahrscheinlich weniger, ob mit der Forderung nach dauerhaftem Verbleiben des Hafenkrans bei der Zürcher Bevölkerung wirklich eine Mehrheit gefunden werden kann. Forderungen sollen durchaus auch dann gestellt werden, wenn diese im ersten Moment unpopulär erscheinen, denn das gehört schliesslich zu den Aufgaben, die insbesondere die Juso unbedingt wahrnehmen sollte. Viel wichtiger ist die Überlegung, warum wir eine Position überhaupt erst beziehen. Kann mit dieser Forderung mobilisiert werden? Können unsere Standpunkte dadurch prominent präsentiert werden? Was bei der Hafenkran-Debatte für die Jungsozialisten und ihr Programm zu gewinnen ist, ist nach diesen Kriterien durchaus eher fraglich. Gut, zugegeben die Sympathien des einen oder anderen Kulturmäzens und einigen Künstlern liegt hier durchaus drin. Und ok, unbestritten können wir unsere bürgerlichen Erzfeinde damit wieder einmal ein wenig ärgern. Das klingt eigentlich gar nicht so schlecht. Doch lohnt es sich dafür das Risiko einzugehen, von der Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung nicht für voll genommen zu werden? Und sollten wir diese Ressourcen nicht besser in etwas investieren für das sich der Kampf auch tatsächlich lohnt?
Wäre es bei dem Thema wirklich so schlimm, einfach mal keine Position zu haben und uns auf Forderungen zu konzentrieren, die den Werktätigen auch wirklich etwas bringen? Lassen wir uns auf die Diskussion über den Geschmack ein, verlieren wir, wenn wir Glück haben vielleicht nichts dabei, aber zu gewinnen gibt es da definitiv nicht viel. Konzentrieren wir uns lieber auf den Kampf, der sich auch zu kämpfen lohnt.
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