Dass die SP Schweiz das Bundesgesetz zur Steuerreform und der AHV-Finanzierung (STAF) unterstützt, ist ein schwerer Fehler, der sie noch teuer zu stehen kommen könnte – ein Fehler, der aber keineswegs überraschend ist.
Am Ende war es deutlich: Die ausserordentliche Delegiertenversammlung der SP Schweiz vom 29. September beschloss mit 148 zu 68 Stimmen die Ja-Parole zur STAF. Führende Parteimitglieder hatten im Vorfeld intensiv Druck ausgeübt, um die Parteibasis auf Kurs der Parlamentsfraktion zu bringen. Der sogenannte «linke Parteiflügel» vermochte in Olten nichts an der Entscheidung zu ändern.
Obwohl die Vorlage zwei Themen verknüpft, stellt sich bei der STAF eigentlich nur eine Frage: Unterstützt man Steuersenkungen für Grosskonzerne auf Kosten der ArbeiterInnen, oder nicht? Denn die STAF, welche die SP nun offensiv verteidigt, ist das grösste Steuergeschenk an die KapitalistInnenklasse der jüngeren Vergangenheit. Laut Sébastien Guex von der Universität Lausanne muss mit mindestens 4.2 Milliarden Franken weniger Steuereinnahmen pro Jahr gerechnet werden. Die wegfallenden Einnahmen werden unweigerlich durch enorme Sparmassnahmen bei den ArbeiterInnen kompensiert. Damit stellt sich die SP offen gegen die Interessen der Lohnabhängigen.
Die SozialdemokratInnen versuchen ihre Position zwar mit der AHV-Finanzierung schönzureden, doch auch dort gibt es keine Verbesserung; durch die Erhöhung der Lohnprozente müssen die ArbeiterInnen noch tiefer in die Tasche greifen und erhalten dafür keinen Rappen mehr Rente. Eine Kompensation sieht anders aus.
Während einer weltweiten Wirtschaftskrise – also der aktuellen Periode – zwingt der Weltmarkt die KapitalistInnen, Angriffe auf die Lohnabhängigen zu fahren, um ihre Profite zu sichern. Reformen sind in diesem Moment nicht möglich – die Bourgeoisie kann keine Zugeständnisse machen. Eine reformistische Partei wie die SP kommt in einem solchen Moment in eine schwierige Situation, denn sie verliert ihre Existenzgrundlage. Solange sie die Regeln des Kapitalismus und der bürgerlichen Demokratie akzeptiert, kann sie keine Erfolge vorweisen. So entsteht eine gewisse Verzweiflung bei den Damen und Herren der Parlamentsfraktion.
In dieser Situation wählt die reformistische Parteiführung jeweils den Weg des kleineren Übels. Selbst krasse Konterreformen werden als «Achtungserfolg» oder als «Kompromiss» verkauft. In diesem Fall bedeutet ein solcher «Kompromiss» den Tausch der grössten Steuersenkung der jüngeren Vergangenheit gegen eine zeitlich befristete «Sanierung» der AHV – ohne Ausbau der Leistungen und zur Hälfte selbst bezahlt. Wie jede andere reformistische Partei ist auch die SP dazu verdammt, in Zeiten der Krise Angriffe auf die Lebensbedingungen der ArbeiterInnen mitzutragen.
Die aktuelle Entscheidung ist dennoch ein drastischer Rückschritt. Bei der USR 3 hatte die SP immerhin noch das Referendum genutzt und trotz einer wenig kämpferischen Kampagne einen wichtigen Erfolg erzielt. Dieses Resultat zeigte deutlich: Die Lohnabhängigen nehmen Verschlechterungen nicht einfach so hin, wenn sie gefragt werden. Die SP hätte nun die Möglichkeit sich auf diese klare Position der ArbeiterInnen zu stützen und konsequent gegen die STAF zu kämpfen. Stattdessen verwaltet sie die Geschäfte des bürgerlichen Staates und verteidigt Steuersenkungen mit den gleichen Argumenten, wie die damaligen BefürworterInnen der USR 3.
Wenn wir uns bewusst werden, dass Reformen in der aktuelle (Krisen-)Periode nicht möglich sind, wird klar, worin unsere Aufgabe besteht: Wir müssen eine schlagkräftige Opposition aufbauen. Diese Opposition muss zwingend eine konsequent revolutionäre Linie vertreten und muss folglich auch bereit sein, mit den geltenden Regeln zu brechen. Nur so können wir in Zukunft das Kräfteverhältnis im Klassenkampf zu unseren Gunsten verschieben.
Zu diesem Zweck müssen wir dieses Referendum nützen. Die Bourgeoisie braucht diese Steuerreform und wird nicht locker lassen, bis sie sie erhält. Darum müssen wir jetzt damit beginnen, kompromisslos unseren Widerstand rund um radikale Forderungen im Interesse der ArbeiterInnenklasse aufzubauen. Nur so werden wir in Zukunft zur Kraft, die in der Lage ist dieses System zu stürzen. Welcher Teil der SP uns dabei unterstützen wird und ob die Partei dabei noch etwas Glaubwürdigkeit übrig haben wird, bleibt abzuwarten.
Kevin Wolf
Vorstand JUSO Stadt Bern
Bild: Unia
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