Die Welle der Sparpakete und Steuersenkungen setzt sich fort. Nach den Milliarden von Steuergeschenken für Unternehmen und Reiche in den letzten Jahren ist mit der Unternehmenssteuerreform III bereits das nächste Steuergeschenk für diese in Planung. Warum dreht sich diese Spirale immer weiter? Was sind die Ursachen dieser Politik? Was können wir dagegen tun?
Das Jahr neigt sich langsam dem Ende zu und der Bund sowie die Kantone legten ihre Budgets für das kommende Jahr vor. Dabei lässt sich eines leicht feststellen: Es ist keine Trendwende in Sicht. Wie auch in den letzten Jahren schreiben der Bund und die Kantone rote Zahlen. Die Antwort der bürgerlich dominierten Parlamente und der Regierung ist so klar wie falsch: Intensivierung der Sparpolitik und sozialer Kahlschlag. Auch wenn sie immer wieder so genannt wird, ist diese Sparpolitik in Wirklichkeit nichts anderes als eine reine Abbaupolitik: überhaupt nichts wird gespart, also auf die Seite gelegt, sondern es werden einfach Leistungen abgebaut und Löhne gesenkt.
Der Bund plant für das Jahr 2016 Einsparungen in der Höhe von 635 Millionen Franken, die vom Parlament bereits beschlossen wurden. Und trotzdem rechnet der Bundesrat für 2016 mit einem Defizit von 400 Millionen Franken. Neben flächendeckendem Sozialabbau werden dies besonders die Angestellten des Bundes zu spüren bekommen. Der Bundesrat kündigte im Finanzplan 2016-2018 an, dass er den Verwaltungsaufwand um 330 Millionen Franken senken möchte – die Hälfte davon beim Personal.
Bei den Kantonen sieht die Lage nicht viel anders aus. Bereits letztes Jahr schrieben 16 Kantone rote Zahlen. Für das aktuelle Jahr budgetierten sogar 18 Kantone ein Defizit. Viele Kantone können ihre Budgets nur durch Sparpakete einigermassen ausgeglichen halten. In gewissen Kantonen, wie zum Beispiel in Baselland, scheint sich ein Sparpaket an das nächste zu reihen.
Die Ursachen
In letzter Instanz liegen die Ursachen für die Sparpolitik im kapitalistischen Wirtschaftssystem selbst und sind überall die Gleichen. Die Sparpakete und der verschärfte Steuerwettbewerb sind das Resultat der neoliberalen Globalisierung und der verschärften weltweiten Konkurrenz. Während die Folgen für die Kantone und Staaten leere Kassen sind, wird die arbeitende Klasse mit Sozialabbau konfrontiert. Diese werden durch die Weltwirtschaftskrise zusätzlich drastisch verstärkt.
Um ihre Profite zu steigern und die Konkurrenzfähigkeit zu verbessern, starteten die Bürgerlichen in den Neunzigerjahren eine immer ruinösere Steuersenkungspolitik. Im Fokus standen Steuersenkungen im Bereich der Unternehmens- und der Kapitalgewinnsteuer. Die durchschnittlichen Unternehmenssteuern wurden von 20% auf 7% reduziert, vielerorts wurden die Steuern auf Vermögen und hohe Einkommen gesenkt und die kantonalen Erbschaftssteuern wurden fast überall abgeschafft.
Auf nationaler Ebene wurde die Unternehmenssteuerreform II eingeführt. Mit dieser sind rückwirkend ab Januar 2001 Kapitalrückzahlungen von Schweizer Unternehmen an ihre Aktionäre steuerfrei. Die Steuerverwaltung geht von Steuereinbussen von jährlich 400 bis 600 Millionen Franken aus, welche dem Bund und den Kantonen auch künftig fehlen werden. Laut Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, entstand aber allein für das Jahr 2014 ein Steuerausfall von 1,039 Milliarden Franken; nur durch die an der Börse kotierten Unternehmen.
In den nächsten Jahren wird sich diese Situation durch die Unternehmenssteuerreform III noch weiter verschärfen. Der wichtigste Teil dieser Reform sind die sogenannten Lizenzboxen, welche Gewinne aus Patenten von Steuern befreien sollen. Es kann zudem davon ausgegangen werden, dass diese Reform eine weitere Senkung der Unternehmenssteuern in allen Kantonen zur Folge haben wird, mit zusätzlichen Steuerausfällen von über 2 Milliarden Franken pro Jahr.
Wie zu erwarten war, hat diese Politik direkt in eine Sackgasse geführt. Anstatt der versprochen Mehreinnahmen rissen die Steuergeschenke ein riesiges Loch in die öffentlichen Kassen. Profitiert haben einzelne multinationale Konzerne sowie ein paar Superreiche, welche ihre Profite und ihre Vermögen in den letzten Jahren ungeheuer steigern konnten. Die Leidtragenden dieses Klassenkampfs von oben sind die Lohnabhängigen und alle, welche vom Leistungsabbau betroffen sind.
Gibt es Widerstand?
Gegen diese Entwicklungen formiert sich Widerstand. Die Betroffenen sind auch in der Schweiz je länger je mehr nicht mehr bereit, einen weiteren Leistungsabbau zu tolerieren. Im Kanton Baselland, dessen Regierung im kommenden Jahr fast 100 Millionen einsparen will, gingen kürzlich 500 SchülerInnen auf die Strasse und demonstrierten lautstark gegen die geplanten Einsparungen bei der Bildung. Eine Woche später nahmen bereits über 2‘000 Personen – darunter etliche LehrerInnen, PolizisInnen und andere Staatsangestellte – an einer Kundgebung gegen dieselben Sparmassnahmen teil.
Auch wenn die Proteste weiter zunehmen und sich linke Parteien daran beteiligen, hält sich der Widerstand bisher in Grenzen und die Kämpfe bleiben isoliert. Nur wenige stellen die Sparpolitik, welche nicht nur im eigenen Kanton, sondern in der ganzen Schweiz und weltweit durchgesetzt wird, in einen grösseren Zusammenhang. Es sind nicht einfach die Probleme einer Stadt, eines Kantons oder eines Landes, welche die Regierungen zum Sparen veranlassen. Es ist das kapitalistische Wirtschaftssystem, das die Regierungen weltweit zu Sparmassnahmen zwingt.
Mit der nationalen Kampagne “Sparalarm” startete die Juso Schweiz letztes Jahr einen Versuch. Sie bemerkten, dass das Bild in der ganzen Schweiz dasselbe ist und überall vorwiegend in der Bildung, Gesundheit und beim öffentlichen Verkehr gespart wird. Fabian Molina verkündete, dass sich die JUSO „gegen eine Fortsetzung dieser perversen Abbaupolitik“ mit aller Kraft wehren werde. Leider versandete die Kampagne nach wenigen Monaten bereits wieder.
Die Sozialdemokratie, SP wie JUSO, sieht die Hauptursache der Defizite und Steuergeschenke einseitig in der neoliberalen Politik. Natürlich gilt es diese zu bekämpfen. Da sie aber dieser Politik keine grundlegende Alternative entgegenzusetzen hat, anerkennt sie zwangsweise die kapitalistische Sparlogik. Dies äussert sich auf nationaler und kantonaler Ebene immer wieder darin, dass die Sparpolitik zwar kritisiert, aber als alternativlos dargestellt wird.
So wird lediglich eine sogenannt sozialverträglichere „Opfersymmetrie“ gefordert. Der Begriff „Opfersymmetrie“ ist trügerisch, denn er suggeriert eine Einheit, wo keine ist und verdeckt die gegensätzlichen Interessen der Besitzenden und Lohnabhängigen. Faktisch bedeutet sie in der Regel, dass in allen Departementen die Ausgaben gekürzt werden sollen. Von einer Opfersymmetrie kann höchstens dann gesprochen werden, wenn die hohen Einkommen und Vermögen gleichzeitig stark besteuert werden.
Mit solchen Verschleierungen und hohlen Phrasen wird der konsequente Kampf gegen die Sparmassnahmen erschwert und die Interessen der arbeitenden Klasse werden geopfert. Die Aufgabe der Sozialdemokratie ist es nicht, den Kapitalismus besser und effizienter zu führen, sondern ihn zu bekämpfen. Dass ersteres innerhalb des kapitalistischen Systems keine Alternative existiert, zeigt sich mit einiger Tragik in Frankreich oder Griechenland. In Griechenland hat die Syriza im Januar mit dem Versprechen, der bisherigen Sparpolitik ein Ende zu setzen, die Wahlen gewonnen. Nach monatelangenVerhandlungen und einer gewonnenen Volksabstimmung wurde sie von den europäischen Kapitalisten gezwungen, dem bisher härtesten Sparpaket zuzustimmen und die Interessen der griechischen ArbeiterInnenklasse zu opfern.
Was muss getan werden?
Noch immer gibt es sozialdemokratische Vertretungen in Regierungen, die Sparmassnahmen im Interesse der Kapitalisten durchführen. Dies macht nicht nur die Partei und deren Politik unglaubwürdig, sondern damit wird aktiv gegen die Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter gehandelt. Die Sozialdemokratie muss diese Regierungen sofort verlassen und einen klaren und konsequenten Kampf gegen die Sparpolitik führen. Sie darf nicht länger der Handlanger der Bürgerlichen in den Regierungen sein.
Um wieder ein Anziehungspunkt für die Arbeiterinnen und Arbeiter zu werden, benötigt es eine klare Sprache, welche die Lohnabhängigen verstehen, und Forderungen, welche an den unmittelbaren Interessen der Lohnabhängigen ansetzen. Die Wut der Betroffenen muss kanalisiert und gegen die Besitzenden und das kapitalistische Wirtschaftssystem gelenkt werden. Die regionalen und kantonalen Kämpfe, welche aktuell isoliert stattfinden, müssen kombiniert werden und auf nationaler Ebene geführt werden.
Es ist die Aufgabe der SP, JUSO, des VPOD und der anderen Gewerkschaften, für die gemeinsamen Interessen der Lohnabhängigen zu kämpfen. Im ganzen Land müssen wir in die Betriebe und auf die Strasse gehen und die desillusionierten und wütenden Lohnabhängigen organisieren. Wir müssen sie unter einem Banner vereinen, um mit ihnen Kampfmassnahmen wie Streiks und Demonstrationen zu organisieren. Daraus kann eine Bewegung mit unvorstellbarer Schlagkraft entstehen, die der Sparpolitik wirklich ein Ende setzen würde.
Doch dies alleine reicht noch nicht, denn die Defizite sind real und können nicht einfach ignoriert werden. Der Kampf gegen die Sparpakete muss mit einem Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung und einer sozialistischen Perspektive verbunden werde. Wenn wir diesen Kampf erfolgreich führen und somit vorhaben die Löcher in den Staatskassen durch eine massive Erhöhung der Besteuerung auf Unternehmungen und der Reichen zu stopfen, werden wir uns auf die Reaktionen der Besitzenden vorbereiten müssen.
Die Erfahrungen zeigen, dass sie versuchen werden, ihr Kapital ins Ausland zu schaffen, indem sie die Firmen ins Ausland verlagern und ihr Geld auf ausländische Banken transferieren. Nur wenn wir die Banken und Schlüsselindustrien verstaatlichen und Kapitalverkehrskontrollen einführen können, werden wir dies verhindern. Uns bleiben zwei Optionen, entweder wir erkennen die Grenzen des Kapitalismus als unseren Handlungsspielraum an, wie es die Syriza tut, oder wir reissen sie nieder.
Dies gelingt uns aber nur, wenn die verschiedenen isolierten Kämpfe in der Schweiz und auf der ganzen Welt verbunden und zu einem internationalistischen Kampf für eine sozialistische Alternative umgewandelt werden. Nur gemeinsam können wir die Stärke aufbauen, die nötig ist, um das System aus den Angeln zu heben. Die Antwort auf die Sparpakete in den Kantonen, in der Schweiz und auf der ganzen Welt muss lauten: “Wir zahlen eure Krise nicht!”
Gegen alle Sparpakte und jeglichen Leistungsabbau!
Gegen die kapitalistische Ausbeutung!
Für eine sozialistische Alternative!
Jan F.
JUSO Baselland
Europa — von Emanuel Tomaselli, RKI Österreich — 16. 11. 2024
Berichte & Rezensionen — von Die Redaktion — 15. 11. 2024
Nordamerika — von der Redaktion — 13. 11. 2024
Europa — von Jack Halinski-Fitzpatrick, marxist.com — 11. 11. 2024