Mit seinen 216’000 erzielten Stimmen als Ständerat prahlt Daniel Jositsch im «Blick». Sein Glanzresultat kontrastiert der Sozialliberale vom rechten Rand der SP mit der historischen Wahlschlappe, welche die SP am 20. Oktober schweizweit eingefahren hat. Er fordert den sozialliberalen Rechtsrutsch der Partei. Seine Positionierung, just nach dem angekündigten Rücktritt von Parteipräsident Levrat, wirft die Frage auf, in welche Richtung sich die SP entwickeln soll..

Beziehungskrise mit der Arbeiterklasse
JUSO-Präsidentin Ronja Jansen ergriff sofort das Wort und sagte den Sozialliberalen den Kampf an. «Dort wo die SP ihre Ideale aufgegeben hat und nach Rechts gerückt ist, hat sie langfristig massiv an WählerInnen verloren. Der einzige Ort, wo die Sozialdemokratie wieder im Aufschwung ist, ist in Grossbritannien», hält sie korrekt entgegen. Der Grossteil der Arbeiterklasse, auf die sich die SP als ArbeiterInnenpartei eigentlich stützen müsste, steht nicht hinter der Partei, sondern ist gleichgültig oder wählt gar SVP. Dies kann man ihnen freilich nicht verübeln: Die SP hat in keinen der drängendsten Fragen, welche den Lohnabhängigen unter den Nägeln brennen, eine nennenswerte Alternative aufgezeigt – sei es in der Klimafrage, der AHV oder der Frauenunterdrückung. Im Gegenteil: Sie liess sich von den Bürgerlichen in faule Kompromisse einspannen und unterstützte sowohl die Erhöhung des Frauenrentenalters als auch faktische Kürzungen der AHV. Es sind genau diese faulen Kompromisse mit den Bürgerlichen, welche die Lohnabhängigen anekeln, und nicht, wie Jositsch meint, dass die Partei zu «marxistisch» sei.

Die SP muss sich also entscheiden, wohin sie will. Die Alternativen sind folgende: Entweder stellt sich die Partei konsequent auf den Klassenstandpunkt der ArbeiterInnen, oder, wie Jositsch das gerne möchte, sie kappt die Verbindung zur Arbeiterklasse ganz und verwandelt sich in eine bürgerliche Partei. Der sozialliberale Flügel ist also nichts anderes als eine Agentur der Bourgeoisie in der ArbeiterInnenbewegung.

Hollande oder Corbyn?
Das Schicksal der französischen «Parti Socialiste» ist ein Beispiel unter vielen, das Jansens Punkt unterstreicht. Seit Ende der arbeiterfeindlichen Regierung François Hollandes 2017 dümpelt diese noch mit einem Wähleranteil von 6% vor sich her. Überall auf der Welt können wir denselben Prozess beobachten: Seit Ausbruch der globalen Krise des Kapitalismus 2008 greift die Bourgeoisie in allen kapitalistischen Ländern den Lebensstandard der Arbeiterklasse an. Die Leute radikalisieren sich und suchen Alternativen zur herrschenden, kriselnden Ordnung, was sich aktuell in weltweiten revolutionären Prozessen manifestiert. So polarisiert sich die politische Landschaft in allen Ländern zunehmend. Die reformistischen Parteien, die den Bürgerlichen häufig Schützenhilfe bei der Umsetzung ihrer Konterreformen leisten, delegitimieren sich damit vor den Massen. Rechte Demagogen wie die Trumps, Bolsonaros oder Le Pens springen in die Bresche.

Es ist Zeit, dass sich auch der linke Flügel in der SP organisiert und für ein sozialistisches Programm kämpft.

Tatsächlich gilt es, von der britischen Labour Party zu lernen. Sie ist die einzige sozialdemokratische Partei, die sich nicht nur an der Oberfläche halten kann, sondern sogar massiv an Unterstützung gewinnt. Während die Partei unter Führung der Partei-Rechten jahrelang an Stagnation und Mitgliederschwund litt, gelang es Jeremy Corbyn, der 2015 mit einem klar linken Programm das Ruder übernommen hatte, hunderttausende von Lohnabhängigen, vor allem unter der Jugend, für die Partei zu gewinnen. Die Mitgliedschaft der Partei verdoppelte sich auf 500’000. Dies war nur aufgrund ihres verhältnismässig radikalen Programms möglich: Den Kampf gegen die Austerität und die Bosse, gegen die Immobilienfirmen und für die Verstaatlichung der wichtigsten Dienstleistungen und Industrien.

Eine sozialistische Alternative!
Gerade vor dem Hintergrund der weltweiten Krise des Kapitalismus bedarf es einer Partei, die den Lohnabhängigen einen Weg des Kampfes aufzeigt. Reformen durch Kompromisse mit den Bürgerlichen sind in diesen Zeiten keine Option mehr: Die Kapitalisten haben keine Krümel mehr übrig, um die ArbeiterInnen zu beschwichtigen. Für die Arbeiterklasse kann nur der Bruch mit diesem System einen Ausweg bieten. Dazu braucht sie aber eine Partei mit einem radikalen sozialistischen Programm. Ein solches Programm konsequent unter den ArbeiterInnen zu verteidigen und eine Perspektive des Kampfes aufzuzeigen, dies ist daher auch die einzige Möglichkeit für die SP, die Lohnabhängigen wieder zu gewinnen. Für die JUSO unter Ronja Jansen lässt das nur eine Schlussfolgerung zu: Es ist Zeit, dass sich auch der linke Flügel in der SP organisiert und für ein genau solches Programm kämpft.

Für die Redaktion, Julian Scherler

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Inhaltsverzeichnis #86 (Dezember 2019)

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Nach dem Wahlerfolg im Oktober wollen die Grünen mit Regula Rytz in den Bundesrat. Doch der Bundesrat bleibt auch mit grüner Beteiligung ein Exekutivorgan des kapitalistischen Staats.

Kapitalismus und ökologischer Zerfall
Für den Profit gefährdet der Kapitalismus die Existenz der Menschheit. Wollen wir das Ende der Menschheit abwenden, müssen wir der Herrschaft des Kapitals ein Ende bereiten. Die Mittel sind vorhanden. Es gilt nur, nach ihnen zu greifen.

Extinction Rebellion gehorcht dem System
Eine Kritik der vermeintlich radikaleren Klimabewegung.

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Eine Analyse der Arbeitsbedingungen in Schweizer Kitas und die Erfahrungen der BetreuerInnen im Frauenstreik 2019.

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Eine Reform der Pensionskassen steht an: ein Angriff des Kapitals auf die Lohnabhängigen.

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Die IMT in Kanada führt einen Studierendenstreik in Toronto an.

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Herbst 2019: Die Welt steht in Flammen. Die Massenbewegungen in Lateinamerika und dem Nahen Osten enthüllen die globale Krise des Kapitalismus, aus der die Massen einen Ausweg suchen. Höchste Zeit für den Aufbau der revolutionären Kräfte!

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Die wichtigsten Kämpfe der Lohnabhängigen Europas.

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Ein Abschwung der Weltwirtschaft zeichnet sich ab. Eine Analyse.

Keine bürokratischen Abkürzungen zur Revolution!
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Über meine Arbeit als Projektleiter Gebäudetechnik
Auswirkungen von Konkurrenz und Kostendruck auf dem Bau.