Die Geschäftsleitung (GL) der JUSO Schweiz versucht der Debatte um ein Aktionsprogramm aus dem Weg zu gehen. Ihr Projekt geht zwar in die richtige Richtung, bringt aber nicht die nötige politische Tiefe mit sich, um unsere Partei auf die politischen Kämpfe der kommenden Jahre vorzubereiten und einen Weg zur Überwindung des Kapitalismus aufzuzeigen. Wir rufen deshalb unsere GenossInnen dazu auf unser Bestreben für eine Aktionsprogrammdebatte zu unterstützen.
Die JUSO GL schlägt vor, dass als nächstes grosses Projekt das Thema Sparmassnahmen angegangen wird. Zu diesem Zweck hat sie ein Positionspapier unter dem Titel „Bürgerliche Sparideologie verhindern!“ veröffentlicht. Dieses soll an der nächsten Jahresversammlung verabschiedet werden. Darin wird die GL beauftragt ein „Handbuch mit Vorschlägen zu politischer Bildung und Aktivismus“ auszuarbeiten und es ruft zum aktiven Widerstand aller JUSO-Sektionen gegen Sparmassnahmen auf. Im Vorfeld der JV soll dieses Papier in den Sektionen diskutiert und eine überarbeitete Fassung ausgearbeitet werden.
Die marxistische Strömung begrüsst den Entscheid der GL, den längst überfälligen Kampf gegen die Sparmassnahmen als politischen Schwerpunkt zu formulieren. Im vorliegenden Papier werden Sparmassnahmen in den Kontext der Krise gestellt und der Kapitalismus als Ursache definiert. Auf diese, im Allgemeinen korrekte, Analyse folgt ein etwas unbeholfener Forderungskatalog. Durch reine Steuererhöhungen auf allen Ebenen soll die Demokratie „gerettet“ und eine gerechte Welt wieder (!) hergestellt werden. Dies steht im krassen Gegensatz zur Analyse, in der die Überwindung des Kapitalismus als notwendiger Schritt zur Überwindung der Krise definiert wird. Zudem ersetzt dieses Papier keineswegs die notwendige Diskussion in der Partei, welche die Sparpakete in einen grösseren Kontext stellt und uns die Möglichkeit gibt Forderungen zu entwickeln, die über eine Steuererhöhung hinausgehen. Dafür braucht die JUSO ein Aktionsprogramm.
Die Krise des Kapitalismus macht offensichtlich, dass sich dieses System in einer Sackgasse befindet. Es ist nicht mehr in der Lage den Status quo aufrechtzuerhalten, geschweige denn den Wohlstand für die Mehrheit zu heben. Der Kern dieses Problems ist, dass die Unmengen an angehäuftem Kapital nicht mehr profitabel in der Realwirtschaft investiert werden können. Die Investitionsraten zeigen das deutlich. Folge davon ist ein weitgehender Stopp der wirtschaftlichen Entwicklungen und eine Verschiebung des Kapitals in spekulative Finanzmarktgeschäfte, was zur massiven Blasenbildung führt. Laut Paul Krugman, Nobelpreisträger für Ökonomie, stehen uns Jahrzehnte der Stagnation und Rezession bevor. Dieser Fakt muss allen GenossInnen voll bewusst gemacht werden und der Ausgangspunkt unserer politischen Perspektive sein. Denn das bedeutet nicht nur Sparpakete, sondern eine komplette Veränderung der politischen Ausgangslage. Wir sind am Beginn einer Epoche der politischen Instabilität, der Radikalisierung und der massiven Zunahme von sozialen Explosionen. Wie die GL dies auch korrekt festgestellt hat, ist die Schweiz dabei keine Ausnahme.
Zentrales Element der Krise ist die Verschärfung der internationalen Konkurrenz. Oberstes Ziel der nationalen Wirtschaftseliten ist also die Wettbewerbsfähigkeit um jeden Preis zu erhöhen. Die Folgen sind Lohnsenkungen, Sozialabbau, Währungskriege usw. Auch Steuersenkungen, im Zuge des internationalen Steuerwettbewerbs, sind zentrale Elemente dieser Entwicklung, welche gleichzeitig in praktisch allen Ländern zu beobachten sind. Dies ist nicht in erster Linie eine ideologische Frage, sondern eine Notwendigkeit der kapitalistischen Produktionsweise um die Profite aufrechtzuerhalten. In Umfeld dieser verschärften internationalen Konkurrenz sind isolierte Forderungen nach Steuererhöhungen nicht umsetzbar. Die Drohungen der Bürgerlichen, mit ihrem Kapital abzuwandern, sind durchaus ernst gemeint. Die substanzielle Besteuerung der Reichen und Unternehmen hätte in der Schweiz die Konsequenz, dass aufgrund der Kapitalflucht die Wirtschaft weitgehend zusammenbrechen würde. Die Forderung nach Steuererhöhung für Reiche ist nur dann ernst zu nehmen, wenn sie mit der konsequenten Drohung von Verstaatlichung und Kapitalausfuhrkontrollen verbunden wird.
Wenn wir den Kapitalismus ernsthaft überwinden wollen, müssen wir ein Netz von Forderungen aufstellen, welche der kapitalistischen Logik die Logik des vergesellschafteten Eigentums gegenüberstellen. Die Forderung nach Steuererhöhungen ist dabei höchstens ein Element, welches nur im Kontext weitergehender Forderungen ihre Wirkung entfalten kann. Die Forderung nach Besteuerung der Reichen und Unternehmen kann durchaus ein Mittel sein, um die Menschen im Kampf gegen Sparmassnahmen zu mobilisieren, sie stellt aber in keinem Fall eine Lösung des Problems dar. Wenn wir in unserer Partei die Illusion wecken, dass Steuererhöhungen eine moderate und realistische Möglichkeit seien, die Auswirkungen der Krise abzudämpfen, dann werden wir an der Realität der kapitalistischen Zwänge zerschellen und grosse Enttäuschung in unseren Reihen hervorrufen. Deshalb muss eine breite politische Diskussion die Grundlage bilden, auf der wir konkrete Projekte, wie jenes der GL, aufbauen können. Das Resultat einer solchen Diskussion muss ein Aktionsprogramm sein, welches uns eine längerfristige Strategie in dieser Epoche vorgibt. Das Ziel des Sozialismus erreichen wir nicht, indem wir isolierte Forderungen aneinanderreihen, sondern durch ein breites Verständnis wo wir sind, wohin wir wollen und einer klaren Strategie wie wir dorthin kommen. Es gilt die Kernfragen dieser Zeit herauszuarbeiten, bei welchen der Kampf gegen die Sparpakete sicherlich einen zentralen Platz einnehmen muss.
Die durch die Krise geprägte Epoche hat verschiedene Folgen, welche auch die Schweizer Lohnabhängigen täglich zu spüren bekommen: Sinkender Lebensstandard, Erhöhung aller möglichen Gebühren und teurere Mieten, aber auch die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen Massentlassungen und wachsender Druck am Arbeitsplatz. Speziell Jugendliche leiden unter diesen Folgen, sie werden ihrer Freizeit, ihres Freiraums und ihrer Zukunft beraubt. Das Papier der GL greift diese Probleme in keinster Weise auf, sie beschränkt sich einzig auf die Problematik der Sparpakete. Wir als JungsozialistInnen müssen in jedem Kampf präsent sein, sei dies in den Freiraumbewegungen, an Sparpaket-Demonstrationen oder Streiks und Arbeitskämpfen und diese mit der sozialistischen Logik durchdringen und miteinander verbinden.
Deshalb fordern wir für die die Jahresversammlung eine Aktionsprogrammdebatte, welche die politische Grundlage bieten soll für weitergehende Projekte, wie jenes der GL. Der Vorschlag der GL ersetzt diese notwendige Auseinandersetzung mit den politischen Grundlagen keineswegs. Wir schlagen deshalb vor, dass wir an der Jahresversammlung die Diskussion über allfällige Projekte, erst nach der Verabschiedung eines Aktionsprogrammes für die kommenden Jahre führen. Nur so stehen die Projekte auf einem soliden Fundament und bringen uns dem Ziel der Überwindung des Kapitalismus näher.
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