Mit dem „rechten“ Referendum gegen das CO2-Gesetz stellt sich erneut die Frage: Verteidigen wir das antisoziale Gesetz gegen die Lohnabhängigen? Diese Frage wird an der Jahresversammlung der JUSO Schweiz diskutiert. Wir publizieren hier zwei Dokumente, in denn wir einen Vorschlag skizzieren, welche Position die Linke, insbesondere die JUSO, einnehmen muss.
Vorabdruck aus der Diskussion um das Dokument „Perspektiven des Klassenkampfes in der Schwei 2021“.
«Aktuell ist die JUSO die einzige organisierte Kraft, welche die Differenzierungsprozesse in der SP von links aus weitertreiben kann. Die JUSO ist auch die einzige nationale Partei, die sich im vergangenen Jahr offen gegen die bürgerliche Krisenpolitik gestellt hat. Es wurden korrekte Slogans aufgestellt wie «Die Kosten der Krise dürfen auf keinen Fall auf die 99% abgewälzt werden» und «Der Staat schaut immer zuerst auf das Kapital». Das ist ein guter Ausgangspunkt. Nun müssen diese Slogans in die Tat umgesetzt, das heisst mit konkretem revolutionärem Inhalt gefüllt werden. Welche Verantwortung die JUSO besitzt, hat sich klar im Klimastreik und am CO2-Gesetz gezeigt.
Seit über zwei Jahren suchen Teile der Jugend in der Schweiz auf der Strasse nach einer Alternative zur Sackgasse des Kapitalismus und des bürgerlichen Staats. Die JUSO hatte von Beginn weg das Potenzial (und hat es weiterhin), den kämpfenden Jugendlichen aufzuzeigen, wie sie in der Krise wirklich Widerstand leisten können. In der Klimabewegung ist ein gutes Beispiel. Seit über zwei Jahren kämpfen tausende Jugendliche gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur. Zwar hat sich der aktive Kreis des Klimastreiks mittlerweile verkleinert. Aber der passiv unterstützende Teil in der Jugend ist riesig und die Bewegung kann auch in Zukunft nochmals Energie bekommen. Solche Bewegungen sind nicht statisch. Sie machen Erfahrungen, die zu inneren Differenzierungsprozessen führen. Das Selbstverständnis der meisten Klimastreikenden ist heute viel klarer antikapitalistisch als noch zu Beginn der Bewegung. An Demonstrationen sind fast alle Teilnehmenden einverstanden, dass der Kapitalismus das Problem ist. Doch sie haben keine klare Idee, wie man gegen ihn kämpft. Für Alternativen sind sie aber extrem offen. Die Erfahrungen haben auch zu einer breiteren Einsicht geführt, dass der Klimastreik trotz aller Mobilisierungen noch nichts Handfestes gewonnen hat.
Heute zeichnen sich bereits scharf die Konsequenzen von verschiedenen politischen Herangehensweisen ab, welche in der Debatte über die Strategie der Bewegung vorgestellt wurden. Ohne dass in der Bewegung ein kohärentes revolutionäres Programm verteidigt wird, läuft sie immer wieder Gefahr, politisch korrumpiert zu werden. Für den Sozialismus zu kämpfen hätte für die JUSO bedeutet, diesen Kampf aufzunehmen und speziell am CO2-Gesetz aufzuzeigen, wieso ein Klimaprogramm ein sozialistisches Programm sein muss und wie man dafür kämpft. Weil die JUSO-Führung diesen Kampf verweigerte und die von uns initiierte Debatte an der DV vom Oktober 2020 sabotierte, konnte die kleinbürgerliche XR-Bewegung temporär die Führung übernehmen und die Aufmerksamkeit auf den zivilen Ungehorsam lenken. Sie besetzten symbolisch den Bundesplatz, während im Bundeshaus das arbeiterfeindliche CO2-Gesetz verabschiedet wurde.
Das CO2-Gesetz wirft wichtige Fragen auf: Einerseits wer für die (Klima-)Krise bezahlen soll, andererseits wer die Klimakrise lösen kann. Das Gesetz übergibt dem bürgerlichen Staat die aktive Rolle im Kampf gegen den Klimawandel, den Unternehmen viel Freiraum und den ArbeiterInnen über Abgaben zusätzliche Kosten. Damit stellt es das «grüne» Spiegelbild der arbeiterfeindlichen Krisenpolitik dar. Die Führung des Klimastreiks bestand diese Herausforderung nicht. Zu durchdrungen sind sie vom Reformismus, dem Vertrauen in den bürgerlichen Staat, dem Zwang, irgendetwas zu erreichen und dem Karrierismus bei den Grünen. In undemokratischer Weise sabotierten sie die Diskussion in den nationalen Klimastreiktreffen und kippten nachträglich die Entscheidung, das Referendum zu unterstützen.
Das zentrale Argument für das CO2-Gesetz war die Alternativlosigkeit zum bürgerlichen Parlament und somit das “kleinere Übel”, welches das Gesetz darstellen soll. Sozialisten haben Antworten auf die Probleme, welche so ein Gesetz und das Referendum stellen. Denn diese stellen sich nicht zum ersten Mal! Den Slogans Taten folgen zu lassen bedeutet für die JUSO in genau diesen Debatten konsequent die Position der lohnabhängigen Mehrheit einzunehmen. Durch das Einknicken der JUSO-Führung vor der Mutterpartei gab es in der Deutschschweiz keine politisch relevante linke Kraft, welche das Gesetz ablehnte. Die Befürworter des Referendums hatten in der Deutschschweiz keine Vertretung. Ihr Kampf wurde dadurch erheblich geschwächt.
Mit einem sozialistischen Programm hätte die JUSO mit Optimismus und einer politisch ehrlichen Herangehensweise diese Fragen im Klimastreik klären können. Die JUSO hätte aufzeigen müssen, dass jene «Linken», die das CO2-Gesetz aktiv mittragen, Pessimisten sind, die kein Vertrauen in das Potential der Arbeiterklasse haben und somit kein Vertrauen in die Lösung der Klimafrage. Sie hätte aufzeigen müssen, wie gegen diese gekämpft werden kann. Doch dies geht nur, wenn aufgezeigt wird, wie die Forderungen der Klimastreikenden und der ArbeiterInnen umgesetzt werden können. Die Klimakrise ist dringend, die Forderung nach Nettonull bis 2030 korrekt. Aber Marktmechanismen und der bürgerliche Staat (die Grundpfeiler des CO2-Gesetzes) sind völlig unfähig, dieses Ziel zu erreichen. Der Kampf für eine lebenswerte Zukunft ist der Kampf der Arbeiterklasse. Nur sie hat die soziale Macht, die Produktion aus den verschmutzenden Händen der Kapitalisten zu entreissen.
Dass die kämpferischsten Teile des Klimastreiks das Referendum gegen das asoziale Gesetz ergriffen haben war völlig korrekt. Doch gegen die bürgerliche Verbandsmacht kam das linke Referendumskomitee, von dem wir Teil waren, nicht an. Sie konnten nur 7’000 Unterschriften einreichen. Doch trotz des Scheiterns des linken Referendums geht dieser Kampf mit der Abstimmung im Juni in die zweite Runde.
Ob das Referendum nun von Links oder von Rechts lanciert wurde ist eine nebensächliche Frage. Der Abstimmungskampf wird erneut die gleichen Debatte lancieren: Wer bezahlt? Wegen dem Einknicken von JUSO- und Klimastreikführung werden die Lohnabhängigen erneut ohne Interessensvertretung dastehen. Die Rechte wird zynisch, aber hemmungslos, die sozialen Argumente auspacken und diese gegen die Linke schleudern. Auch der Klimastreik wird nicht unbehelligt durch diesen Kampf ziehen können. Denn die Position, in welche die Führung die Bewegung manövriert hat, verrät auf ganzer Linie die Forderung nach “Klimagerechtigkeit”, welche in der Bewegung weit verankert ist.
Gerade in diesen Momenten hilft eine marxistische Position allen ehrlichen AktivistInnen die fundamentalen politischen Positionen standfest zu verteidigen. Wir lehnen diese Gesetz ab, weil es nichts löst und weil die Lohnabhängigen bezahlen. Wir lehnen es auch ab, wenn das Referendum von rechts kommt. Wir gewinnen nichts im Kampf gegen die SVP, in Allianz mit der FDP. Und wir müssen den Abstimmungskampf nutzen, um die korrekte Position und eine korrekte Herangehensweise im Klimastreik, in der JUSO, in der Jugend und der Arbeiterklasse zu verteidigen.
Will der Klimastreik seine eigenen Ziele verwirklichen, muss er über die Jugend hinausgehen und der breiteren Arbeiterklasse aufzeigen, dass sie gemeinsame Interessen teilen. Die sozialen Forderungen der Lohnabhängigen, wie sichere Löhne und eine anständige Rente, stossen an die gleichen Grenzen wie die Klimabewegung – die Grenzen des Kapitalismus. Der Strike for Future und das Referendum, d.h. die Ablehnung der bürgerlichen Umwelt- und Krisenpolitik, müssen als erste Schritte hin zur Arbeiterklasse genutzt werden.
Die JUSO muss im Abstimmungskampf eine solche Position verteidigen. Verpasst die JUSO-Führung diese Chance erneut, schadet das der Partei, aber auch dem politischen Bewusstsein der radikalsten Schicht an Jugendlichen, welche sich aktuell politisiert. Das wird reaktionären Ideen wie der Basisdemokratie, Decroissance, den Grünen und der GLP Tür und Tor öffnen, um die Bewegung zu korrumpieren. In Österreich ging das soweit, dass der Klimastreik komplett von den Grünen gekapert wurde und heute eine offen rassistische Regierungskoalition stützt. Die JUSO muss ihren Parolen Taten folgen lassen, indem sie gegen alle Angriffe auf den Lebensstandard der Arbeiter kämpfen, einschliesslich des CO2-Gesetzes, und die Kämpfe der ArbeiterInnen mit denen des Klimastreiks unter einem sozialistischen Programm vereinen.
Die JUSO ist eine reale Kraft, welche in den Schulen, insbesondere den Berufsschulen, und Lehrbetrieben, ein konsequente sozialistische Position verankern kann. Streikaktionen müssen organisiert und die Gewerkschaften in den Kampf gezogen werden. Insofern muss die JUSO von Meyer-Wermuth fordern, dass sie ihren schönen Worten echte Taten folgen lassen. In den Demos muss die JUSO geschlossen die sozialistischen Ideen verteidigen, denn nur sie helfen der Klimabewegung, ihre eigenen Forderungen zu erfüllen. Die kämpferischsten Teile der Jugend und der Arbeiterklasse müssen um ein revolutionäres Programm organisiert werden. Dies ist der einzige realistische Weg, um dem Kapital und dem bürgerlichen Staat die Macht entreissen zu können und tatsächlich die Ausbeutung von Mensch und Natur beenden zu können.»
Resolution zu Handen der JUSO Delegiertenversammlung vom 31. Oktober 2020 von der marxistischen Strömung der Funke (abgelehnt)
Das im Oktober 19 neu gewählte Parlament ist weder „grüner“ noch „linker“, sondern bleibt ein bürgerliches Parlament, auch wenn dieses versucht, sich ein grünes Mäntelchen zu verpassen. Mit der Erhöhung des Benzinpreises und einer Flugticket-Abgabe richtet sich das jetzt in der Herbstsession verabschiedete CO2-Gesetz an die falschen. Mit Lenkungsabgaben auf Benzin und Flugtickets trifft es Menschen mit tieferem Einkommen unverhältnismässig hart, während die alternativen CO2-freundlichen Verkehrswege teuer bleiben. Schuld am Klimawandel ist nicht die Büezerin, die auf ihr Auto für die Arbeit angewiesen ist oder der Student, der einmal im Jahr in die Ferien fliegt.
Die wahren Verursacher der Klimakrise – die kapitalistischen Grosskonzerne – bleiben völlig unangetastet. 71% der globalen CO2-Emissionen werden von nur 100 Grossunternehmen verursacht. Alleine der Schweizer Zement-Konzern Lafarge-Holcim verursacht viermal mehr Emissionen als die ganze Schweizer Bevölkerung! Damit ist das aktuelle CO2-Gesetz nicht nur ineffizient, weil es an den wirklichen Ursachen vorbeizielt, sondern es ist auch ein asozialer Angriff auf die Lohnabhängigen! Als Partei der jungen Lohnabhängigen ist es die Verantwortung der JUSO, in dieser Frage eine klare Klassenposition zu beziehen und deutlich zu sagen: Eure Krise bezahlen wir nicht!
Die JUSO Schweiz fordert stattdessen:
Europa — von Emanuel Tomaselli, RKI Österreich — 16. 11. 2024
Berichte & Rezensionen — von Die Redaktion — 15. 11. 2024
Nordamerika — von der Redaktion — 13. 11. 2024
Europa — von Jack Halinski-Fitzpatrick, marxist.com — 11. 11. 2024