In Österreich findet heute (13. Januar) die erste Grossdemonstration gegen die neue Regierung statt. Die Hintergründe erklärt das neuste Editorial unser östereichischen Schwesterzeitung.
Die neue schwarz-blaue Regierung inszenierte sich zu Beginn des Jahres standesgemäß im Schloss Seggau. Gegenüber deren Auftreten gilt es, die Untertanen-Mentalität abzulegen.
Dass die Spaltung der Gesellschaft in Reich und Arm das Produkt von individueller Leistung sei, ist empirisch im gleichen Ausmaß nachweisbar wie die Behauptung der Salzburger Erzbischöfe, dass die Not der Bauern, die sie jahrhundertelang von ebenjenem Schloss aus ausbeuteten, gottgewollt gewesen sei.
Doch der „rot-weiß-rote Schnellzug“ der Konterreformen ist nun auf offener Strecke unterwegs („während viele noch Urlaub machen“, Strache) und ist dabei, „das Land“ vorwärtszubringen. Große Ankündigungen wurden gemacht: Es soll „Einsparungen im System“ geben, das Defizit auf die EU-Vorgabe von 0,5% gedrückt werden. Von einer „Deregulierungsoffensive“ ist die Rede. Dies alles vorgeblich nur, um Spielräume zu schaffen, die „kleinen und mittleren Einkommen zu entlasten“.
Hinter diesen sanft vorgetragenen Worthülsen und dem „Leuchtturmprojekt“ Familiengeld (wovon nur LohnsteuerzahlerInnen was haben werden) verbirgt sich eine knallharte Interessenspolitik für Kapitalbesitzer. Es geht um die „Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft“. Das heißt: Möglichst billig produzieren, um möglichst viel Gewinn zu machen. Da stören Arbeitsrechte, Umweltstandards und Steuern, die womöglich noch für Sozialleistungen ausgegeben werden, ungemein. So feiert auch die Industriellenvereinigung die Ergebnisse der Klausur: „Österreich hat ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem, daher sind Einsparungen im System sehr zu begrüßen […] Ein erfreulicher Fokus liege auf dem für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich zentralen Thema Entbürokratisierung“.
Wie wir bereits argumentiert haben, ist das Hauptprojekt dieser Regierung, die Errungenschaften der Arbeiterbewegung zurückzudrängen. Zentraler Ansatzpunkt ist die Verbilligung von Arbeitskraft. In diesem Licht sind auch die Ankündigungen der Regierung zur Abschaffung der Notstandshilfe zu sehen. Wer heute Notstandshilfe bezieht, muss dafür nicht erst sein angespartes Vermögen aufbrauchen. Mindestsicherung jedoch bekommt man erst, wenn das eigene Vermögen aufgebraucht ist. Gleichzeitig sollen die Zumutbarkeitsgrenzen zur Annahme von Arbeit (Berufsschutz und Entfernung zum Wohnort) verringert werden. Und um den Druck auf die Arbeitenden und Arbeitslosen noch weiter zu steigern, wird der Arbeitsmarkt für nicht-EU-Bürger weiter geöffnet werden und überbetriebliche Regulierungen zu Arbeitszeit und Arbeitsschutz wegfallen beziehungsweise aufgeweicht werden. All diese Maßnahmen haben nur einen Sinn: Wer länger arbeitslos ist, soll an den Arbeitsplatz zurückgepeitscht werden und dort zu diktierten Bedingungen arbeiten. So soll, wie in Deutschland mit „Hartz IV“, allgemein der Lohn gedrückt werden und speziell ein großer Niedriglohnsektor geschaffen werden (in Deutschland ein Viertel der Beschäftigten), was die Profite des Kapitals enorm auffetten würde.
Es ist klar, dass Schritte wie die Abschaffung der Notstandshilfe in Österreich extrem unpopulär wären. Die FPÖ, die sich in den letzten Jahren immer als „Partei der kleinen Leute“ präsentiert hat, verlegt sich so auf das Abfeuern von Nebelgranaten: Sozialministerin Hartinger-Klein bestritt alles und steht damit im Konflikt mit dem vereinbarten Regierungsprogramm. Nachdem Kanzler Kurz sie zurückgepfiffen hatte, versteifte sie sich in Worthülsen. Die ÖVP will diese Sprachspielereien nicht bestätigen. So wird von und in der Regierung eine Mischung aus Versteckspiel und Theater aufgeführt, das das Sturmgeschütz des österreichischen Bürgertums, „Die Presse“, dazu brachte, zu schreiben: „Kommt Hartz IV oder nicht? Es ist Zeit für den Offenbarungseid“.
In Wirklichkeit zeigt das, wie nackt die Regierung hinter der Fassade des Wahltriumphes und der stabilen parlamentarischen Mehrheit eigentlich dasteht. Sie ist angetreten, die Lebensgrundlagen der Arbeiterklasse anzugreifen, um die Profite des österreichischen Kapitals zu sichern. Um Stimmen von ArbeiterInnen zu bekommen, mussten FPÖ und ÖVP diese über ihre Absichten direkt belügen und mit rassistischer Rhetorik täuschen. Jetzt stehen Strache und Co. vor dem Problem, dass es für ihre proletarischen WählerInnen ein böses Erwachen geben wird. Die Regierung hat Angst vor diesem Tag.
Die demagogischen Lügen, die Falschheit und auch die Schwäche der Regierung zu entlarven, wäre die Aufgabe der organisierten Arbeiterbewegung. Doch immer und immer wieder stößt diese an die Grenzen der Politik der eigenen Führung, die jahrelang einen langsamen Abbau von Sozialrechten mitverwaltete. Die Führungen von SPÖ und ÖGB haben den Druck des Kapitals so verinnerlicht, dass sie selbst in Opposition keine Frontalopposition zur Regierungspolitik formulieren, geschweige denn einen aktiven Kampf gegen die Regierungspolitik organisieren. Starke Sprüche werden diese Regierung jedoch nicht beeindrucken. Was es braucht, ist ein radikaler Kurswechsel: Nicht das Hobeln der scharfen Kanten der Regierungspolitik darf das Ziel sein, sondern die Abwehr aller drohenden Verschlechterungen. Auf den Angriff des Kapitals und seiner schwarz-blauen Regierung muss stattdessen der Gegenangriff der Arbeiterbewegung folgen.
Die Regierungspolitik kann nicht, Stück für Stück, „neutral“ betrachtet werden, wie es die ÖGB-Spitze vorschlägt. Dies ist nichts anderes als der Versuch, die Teilhabe an den Staatsgeschäften mittels der „Sozialpartnerschaft“ zu retten. Ein verzweifeltes Klammern an den Schatten der Vergangenheit. Die Regierung mit ihren Verbündeten, der Industriellenvereinigung etc., das heißt der ganze Bürgerblock, muss als Gegner begriffen werden. Der Klassenkampf, der von oben schon geführt wird, muss von unten beantwortet werden – mit einer Alternative, die die Verteidigung jedes einzelnen der in den letzten Jahrzehnten errungen sozialen Rechte zum Inhalt hat.
Es gälte nun für die Gewerkschaften, eine breite Informationskampagne zu lancieren und das „Nein!“ deutlich vernehmbar zu formulieren. Durch Versammlungen in Betrieben, Ausbildungsstätten und Stadtvierteln gälte es, breit über die Intentionen und Auswirkungen der geplanten Politik der Bürgerlichen zu informieren, neue AktivistInnen zu organisieren und eine politisch-gewerkschaftliche Kampflinie zu formulieren. Dies ist eine Notwendigkeit, die sich allein schon in den Kollektivvertragsverhandlungen (etwa bei den Metallern) bewahrheitet hat. Das Aufpolieren der Kampffähigkeit und die Durchsetzung des Kampfwillens in der großen Organisation der Arbeiterklasse ist eine zentrale Notwendigkeit, um dieser Regierung Einhalt zu gebieten. Der Funke kämpft aktiv für diese Umorientierung. Unterstütze uns dabei!
Redaktion Der Funke
IMT Österreich
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Wien, am 10. Jänner 2018
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