Wir möchten uns aktiv in der Initiativdebatte der JUSO Schweiz beteiligen. Wir haben nicht nur zwei eigene Vorschläge eingereicht, sondern befassen uns mit allen eingereichten Vorschlägen. Dieser Artikel behandelt die beiden 1-Prozent Initiativen und die „too-big-to-fail“-Initiative.

Der erste 1%-Vorschlag aus Luzern möchte eine Steuererhöhung durchführen, um die extrem ungleiche Vermögensverteilung in der Schweiz zu bekämpfen. Dazu sollen die reichsten 1% der Bevölkerung 1% mehr Vermögenssteuern bezahlen. Beim zweiten 1% Vorschlag aus der Romandie soll in börsenkotierten Unternehmen ein „Fonds der Angestellten“ eingerichtet werden. In diesen Fond soll jährlich 1% des Gewinnes fliessen. Damit sollen im Namen der Arbeiterinnen und Arbeiter die Aktien des Unternehmens aufgekauft werden. Der Vorschlag “too-big-to-fail” möchte die Problematik der Grossbanken angehen und diese aufteilen: Schweizer Banken müssen das Investmentbanking von der Vermögensverwaltung trennen. Zudem sollen für die Investmentbanken verschärfte Eigenkapitalvorschriften gelten.

1% Initiativen
Die Vermögenssteuer der 1% Initiative aus Luzern unterscheidet sich kaum von den kantonalen Initiativen aus Zürich (Bonzensteuer) und Aargau (Millionärssteuer). Im Kern sollen die Reichen stärker besteuert werden als bisher.

Diese stärkere Besteuerung wäre zwar nichts als gerecht, aber als Vorschlag für die neue Hauptforderung der JUSO, stossen wir uns an verschiedenen Merkmalen. Die krasse Ungerechtigkeit der Vermögensverteilung schreit zum Himmel. Doch die Initiative setzt sich nicht zum Ziel, diese abzuschaffen, sondern will einfach das Symptom (und dazu nur einen kleinen Teil davon) bekämpfen. Die krasse Umverteilung im Kapitalismus von Unten nach Oben – welche immer ein Bestandteil der Marktwirtschaft ist – wird nicht direkt angegriffen, sondern soll ein bisschen gelindert werden, sozusagen um 1%.

Die Vermehrung des Kapitals, also des Besitzes, welcher die 2% der Reichsten gleich viel besitzen lässt wie die restlichen 98% zusammen, basiert auf der Ausbeutung der Lohnabhängigen. Wenn also „das reichste Prozent einen gerechten Beitrag – ein Solidaritätsprozent“ bezahlen soll, hat das weder mit „Gerechtigkeit“, noch mit Solidarität etwas zu tun.

Dazu kommt, dass die InitiantInnen den Kampf um die höhere Reichensteuer nicht mit einem direkten Ausgabenziel verbinden. Dadurch fordern die InitiantInnen einfach mehr Geld für den Staat, ohne zu definieren, für was dieses eingesetzt wird. Die Argumentation der InitiantInnen geht dabei in die richtige Richtung (AHV, Service Public, „Zukunftsprojekte“), doch mit einer konkreten Forderung (z.B. mehr Geld für Bildung o. ä.), wäre die Mobilisierungskraft einer solchen Forderung besser, weil es so zwingend in die Diskussion eingeflossen wäre.

So hat der Vorschlag es schwer, an eine Bewegung ausserhalb der Partei anknüpfen, denn es gibt sehr selten Bewegungen, welche sich um abstrakte Steuerfragen bilden. Die meisten Jugendlichen finden Steuerthemen ungefähr gleich spannend wie die Steuererklärung. Sie sind nichts womit sie sich im Alltag beschäftigen und stellen in der Jugend auch keine allzu grosse Belastung dar. Es wäre also schwierig, mit dieser Initiative viele Jugendliche für unsere Partei zu begeistern.

Der ArbeiterInnenfonds der 1% Initiative aus der Romandie soll langsam und fortlaufend den Besitz der Produktionsmittel in die Hände der Arbeiterinnen und Arbeiter übergeben. So soll die sozialistische Transformation als langjähriger Prozess in die Verfassung geschrieben werden. Der Vorschlag ist schliesslich nur die extreme Lightversion des 50-50 Initiativvorschlags der GL im Jahr 2014, welche 50% des Gewinnes forderte und welche wir damals auch schon kommentierten[1].

Selbst wenn diese Initiative angenommen wird, würde sich das Ziel der InitiantInnen nicht verwirklichen. Die Angestellten sollen nach 20 Jahren Hauptaktionäre und nach 50 Jahren alleinige Besitzende der Firma werden.

Ähnliche Projekte wurden in gewissen skandinavischen Ländern bereits ausprobiert, als Konzession an eine erstarkende und organisierte ArbeiterInnenbewegung. Doch diese Projekte führten nicht zu den von den InitiantInnen gewünschten Zielen. ArbeitnehmerInnen werden durch die Orientierung am Gewinn dazu gezwungen, noch „rentabler“ zu sein. Um mehr Gewinn zu erwirtschaften müssen sie sich selber stärker ausbeuten. Gerade die Gewinnausschüttung an die Aktionäre (also an den vorgeschlagenen ArbeiterInnenfond) führt dazu, dass es der Druck zur Rentabilität ist, welcher exponentiell zunimmt, nicht die Macht der Angestellten.

Andererseits würden die Kapitalisten diesen Zwangsverkauf niemals zulassen und mit aller Kraft sabotieren. Damit es nichts zu verteilen gibt, würden sie den Gewinn verstecken. Oder sie würden die Firma ins Ausland verlegen, sich weigern die Aktien an den ArbeiterInnenfond zu verkaufen oder die meisten Angestellten in eine andere Firma auslagern, welche ihre Dienstleistung an die Hauptfirma verkauft.

Die Umsetzung der Forderungen führen also schlussendlich nicht zum gewünschten Ziel. Ohne den organisierten Druck von der Strasse und aus den Betrieben können solche Verbesserungen nicht erreicht werden. Die Geschichte lehrt uns, dass wichtige Errungenschaften der Lohnabhängigen immer nur ein Kompromiss von dem waren, was zu dieser Zeit die Massen gefordert hatten. Zurzeit besteht kein Kräfteverhältnis, bei dem solche Forderungen durchgesetzt werden könnten. Ein solches kämpferisches Bewusstsein der eigenen Stärke kann nicht mit einer Abkürzung in Form einer Initiative ersetzt werden.

Da der bürgerliche Staat (von dem das Initiativrecht ein Bestandteil ist) sich niemals selber abschaffen würde, soll die Initiative nicht einfach den Übergang zum Sozialismus verkünden. Unsere Initiatividee muss so gewählt sein, dass die Diskussion um die gestellte Forderung das Bewusstsein der Massen so weit wie möglich vorwärtstreibt. Dazu muss sie an das aktuelle Bewusstsein anknüpfen, aber gleichzeitig den engen Rahmen des bürgerlichen Systems sprengen und eine Lösung jenseits der Gesetze des Kapitalismus propagieren.

Die beiden 1% Initiativen begnügen sich jedoch damit, mit Hilfe von Steuersätzen den Kapitalismus regulieren und fördern somit kein sozialistisches Bewusstsein.

„Too-big-to-fail“-Initiative
Diese Initiative greift das Problem auf, dass die Banken und das Finanzkapital so mächtig geworden sind.  Das ist korrekt und wurde in der sozialistischen Theorie vor bald hundert Jahren als eine der Hauptcharakteristik für den „Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ beschrieben[2]. Es ist also kein neues Problem, sondern ein grundsätzlicher Wesenszug des aktuellen Wirtschaftssystems. Dass ein Bankrott von gewissen individuellen Banken fatale Folgen für die Wirtschaft hätte, zeigt auf, wie fortgeschritten dieses Phänomen heute bereits ist.

Doch die Macht des Finanzkapitals ist nur ein Teil des eigentlichen Problems. Dass viele „Probleme von einem Zweig der Wirtschaft generiert wird, der mit der Realwirtschaft nichts zu tun hat“ ist leider eine unentschuldbare, verkürzte Erklärung. Die Ursache der Wirtschaftskrisen – und speziell der aktuellen – liegt darin, dass die ganze Wirtschaft mehr Waren herstellt als verkauft und somit die Profite nicht realisiert werden können. Die Kapitalisten lassen immer mehr produzieren ohne Rücksicht auf die Grenzen des Marktes und stürzen die Wirtschaft deshalb immer wieder in Krisen. Darlehen, Hypotheken und Spekulation sind ein Mittel, solche „Überproduktionskrisen“ hinauszuziehen.

Der Kapitalismus lässt sich jedoch nicht zähmen oder so verändern, dass er nicht immer wieder in Krisen gerät. Natürlich führt die Spekulation des Finanzkapitals zu noch grösseren Blasen und löst damit auch reale Krisen aus. Die Spekulationsblasen sind aber nur der Katalysator, welcher die realen Wiedersprüche zum Vorschein bringt. Dies könnte zwar mit Regulierungen abschwächt werden, jedoch würde dies die realen Krisen nur hinausschieben. Später würden sie nur noch gewaltiger hervorkommen.

Anstatt das Klassenbewusstsein zu stärken und die Grenzen des Kapitalismus aufzuzeigen, wird hier versucht, den Kapitalismus vor sich selbst zu retten. Wie aber durch die Aufteilung der Banken „die Schweiz ein Bankensystem [bekommt], das den Menschen dient und nicht dem Profit“ wissen wohl nur die AntragstellerInnen. Den die Kontrolle über die Banken wird den gleichen CEO-Kreaturen überlassen, welche uns bereits 2008 an die Wand gefahren haben.

Als SozialistInnen wollen wir den Kapitalismus aber nicht retten, indem wir die grössten Banken und Konzerne zerschlagen und in funktionierende Kleinbetriebe verwandeln. Wir sind keine Partei des Kleingewerbes. Wir wollen gemeinsam die Kontrolle über die Banken und Konzerne übernehmen, damit die Belegschaft und die Bevölkerung zusammen und demokratisch über die Produktion und Verteilung (etc.) entscheiden. Wir wollen den Kapitalismus überwinden und zum Sozialismus vorwärtsschreiten.

Fazit
Alle drei Vorschläge bleiben also in den Grenzen des Kapitalismus gefangen und würden ihn eher regulieren als überwinden. Der Kapitalismus kann nicht per Initiative überwunden werden. Die aktuellen Tagesforderungen müssen jedoch mit dem Ziel des Sozialismus verbunden werden. Sie müssen eine Brücke schlagen, welche aus dem Kapitalismus hinausführt.

Dabei kann die Brücke jedoch nicht von Anfang bis Ende in der Initiative verpackt werden, wie dies der Vorschlag vom ArbeiterInnenfond versucht. Die Forderung muss am Bewusstsein der Massen anknüpfen und den Klassenwiederspruch zwischen Arbeit und Kapital aufzeigen. Die Initaitive kann ein Werkzeug sein, um dieses Bewusstsein weiterzutreiben.  Nur wenn sich das Klassenbewusstsein mit der Initiative stärken lässt, kommen wir dem Punkt näher, an dem die Massen den Kapitalismus überwinden.

Neben der Steigerung des Klassenbewusstseins sollte uns eine Initiative auch beim Parteiaufbau helfen. Im Idealfall strömen während der Unterschriftensammlung und Kampagnenführung der Initiative, wie bei 1:12, massenhaft Jugendliche in die Partei. Dafür muss die Forderung vor allem einfach zu verstehen sein und eine gewisse Radikalität haben.

Dafür muss eine Initiative Forderungen aufgreifen, welche in den Köpfen der Menschen präsent sind. Denn nur, wenn die sich Jugendlichen mit den Forderungen der JUSO identifizieren können und sie an ihrem Bewusstsein ansetzten, werden sie sich von er JUSO begeistern lassen. Dies ist leider bei allen drei Vorschlägen nicht gegeben.

Jan F.
Juso Baselland

 


[1] http://www.derfunke.ch/htm/de/deutsch/lernende-und-ausbildung/wohin-wollen-wir-beitrag-zur-debatte-um-das-neue-projekt-der-juso-schweiz/

[2] Das gleichnamige Werk des russischen Marxisten V. I. Lenin ist bei uns erhältlich und enthält einige weitere, noch bis heute gültigen Analysen über Kapitalismus, Kolonialismus, Auslandinvestitionen, Extraktion von Bodenschätzen etc.