Die Gewerkschaft Unia sitzt auf hunderten Millionen Vermögen, wie diesen Herbst publik wurde. Das ist kein Problem an sich. Aber eine gefüllte Kampfkasse muss man zum Kampf und dessen Vorbereitung brauchen.
Aufgrund einer steuerrechtlichen Auseinandersetzung musste die Gewerkschaft Unia detaillierte Geschäftszahlen ausweisen. In den Jahresberichten werden grosse Vermögenswerte genannt. Je nach Berechnung zwischen einer halben und knapp einer Milliarde Franken kommen zusammen, die in Anlagen wie Immobilien oder Wertschriften stecken.
Es ist nichts Neues, dass die Gewerkschaften in ihrer Geschichte Immobilien gekauft haben und Ersparnisse als Streikkassen halten. Das Ausmass des Vermögens der Unia ist dennoch massiv. In der bürgerlichen und reformistischen Presse wird der ganze Sachverhalt anhand der Fragen diskutiert: «Müssen Linke arm sein?» (WoZ). Vielmehr müssen wir uns doch fragen, warum fahren die Bürgerlichen so einen harten Angriff auf die Unia und was sollte mit dem Geld geschehen?
Die bürgerliche Presse und Avenir Suisse (Thinktank von Economiesuisse) griffen die Einblicke in die Unia-Bilanz mit Enthusiasmus auf. Bereits seit einiger Zeit läuft eine verstärkte bürgerliche Kampagne gegen die Sozialpartnerschaft. Begründung: Diese sei zu teuer und die Gewerkschaften würden damit unnötig subventioniert. Die neu publik gewordenen Vermögenswerte waren dann gleich nochmals Wasser auf Mühlen der bürgerlichen Propaganda. In klassischer Skandalpresse-Manier reissen sie Zahlen aus dem Zusammenhang, um mit Dreck auf die Arbeiterorganisation zu werfen.
Zwei Dinge sind klarzustellen: Erstens handelt es sich um politische Angriffe auf die Gewerkschaften per se. Kapitalisten hassen diese Organisationen der Arbeiterbewegung und bekämpfen sie schon aus Prinzip. Zweitens ist es völlige Doppelmoral, wenn Verbände des Kapitals sich über die Rücklagen der Gewerkschaften beklagen, während diese selbst problemlos zweistellige Millionenbeträge in Abstimmungskampagnen stecken können.
Diese Schmähkampagne ist ein Frontalangriff auf die Arbeiterbewegung. Für Marxisten ist es das ABC, dass wir uns hinter linke Organisationen stellen, die unter Repression oder sonstigen Angriffen stehen, wie in diesem Fall die Unia. Wir teilen kein Körnchen an Kritik von rechts an den Gewerkschaften. Die Arbeiterklasse braucht starke Gewerkschaften, das Kapital verlangt die Auflösung der Gewerkschaften. Dazwischen ist kein Platz für eine dritte Position.
In dieser Zeitung haben wir seit Langem und wiederholt Kritik geübt am sozialpartnerschaftlichen Finanzierungsmodell der Unia. Ein beträchtlicher Teil der Einkünfte stammt heute nicht mehr aus Mitgliederbeiträgen, sondern aus dem GAV-Vollzug oder anderen Quellen, die unabhängig von den organisierten Mitgliedern sind. Damit macht sich eine Gewerkschaft materiell abhängig vom bürgerlichen Staat oder Patrons und vertritt im Zweifelsfall nicht die Interessen der Basis.
Wir kritisieren sicher nicht, dass die Unia grosse Vermögenswerte hat. Die Bürogebäude und Hotels wurden zum Grossteil gekauft als Schaltzentralen oder um den Arbeitern günstige Ferien zu ermöglichen. Unsere Kritik ist: Wir befinden uns in der Krise des Kapitalismus. Heute ist keine Zeit, zum Einigeln und um Geld zu sparen. Das Problem ist, dass Gewerkschaften wie die Unia keinen Plan haben, was sie mit dem Geld anstellen sollen. Jedes aktive Mitglied der Unia weiss: Projekte scheitern nicht am Geld, sondern an politischer Überzeugung und fehlendem Optimismus.
Am diesjährigen Kongress der Unia stimmte eine Mehrheit dafür, mit der Sozialpartnerschaft und der Friedenspflicht zu brechen. Die Bewusstesten unter den Unia-Delegierten lehnen die Klassenkollaboration mit den Bossen ab und verstehen, dass eine Gewerkschaft das Mittel des Streiks braucht, um etwas zu gewinnen.
Was aber fehlt ist die Ausrichtung der Unia auf einen kämpferischen Kurs. Es braucht einen Plan, wie die Unia zu einer Gewerkschaft wird, die genauso demokratisch über die politische Zielsetzung entscheidet wie über die Verwendung des gewerkschaftlichen Vermögens.
Betriebsgruppen müssen aufgebaut oder, wo diese bestehen, gestärkt werden. Die ArbeiterInnen brauchen die Gewerkschaft nicht, um ihnen die Verhältnisse im Betrieb und der Wirtschaft zu erklären. Die SekretärInnen müssen die Betriebsgruppen unterstützen, sie mit anderen Betrieben vernetzen und ihre fehlende Erfahrung im Arbeitskampf kompensieren.
Wo es zu Arbeitskämpfen kommt, müssen die Gewerkschaften diese bedingungslos unterstützen, ausweiten und die Lektionen verbreiten. So macht die Arbeiterklasse wichtige Erfahrungen und muss nicht in jedem Betrieb die gleichen Kinderkrankheiten durchmachen. Engels nannte die Gewerkschaften Schulen des Klassenkampfes. Die Unia-Millionen müssen in diese Ausbildungsstätten des Kampfes investiert werden!
Wir Revolutionäre bringen uns in den Diskussionen in den Gewerkschaften und unseren Betriebsgruppen ein. Wir verteidigen, dass es keine Harmonie zwischen den Klassen geben kann, dass wir die Kapitalisten enteignen und für Sozialismus kämpfen müssen. Aber wir beschränken uns nicht auf die grossen Ziele: Immer, wenn es zu Konflikten kommt, fordern wir konkrete Schritte, die zur Stärkung des Klassenbewusstseins beitragen, und unterstützen diese.
Michael Wepf, Unia Basel
17.12.2021
Bildquelle:
Neil Labrador, von https://www.unia.ch/de/m/ueber-uns/10-jahre-unia/bilder#tx_frpgallery_gallery=434
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