Die Hotelfachschule – eine Ausbildung, welche mir die Türen in die faszinierende Welt perfekt inszenierter kulinarischer Kunstwerke und lebhaft lachender Menschen öffnete. Im ersten Praktikum gehts gleich in die Sternegastronomie. Was für eine Herausforderung! Siebengängige Menüs mit Weinbegleitung servieren und jeden Wunsch des Gastes bereits im Voraus erahnen.
Was alles dazu gehört? Lange Arbeitstage, frei haben während dem der ganze Freundeskreis arbeitet, die körperlichen Auswirkungen eines zu tiefen Spülbeckens und gleichzeitig der Stolz der Gastronomen, welche von früh bis spät eine Perfektion an den Tag legen, die höchste Konzentration erfordert. Aber worum geht es bei dieser Perfektion?
Die Essenz
Es ist sehr schwierig im Service und in der Küche die Effizienz zu steigern. Die emotionale Beziehung zum Gast kann durch Roboter nur begrenzt aufgebaut werden. So bleiben die Personalkosten in der Gastronomie entsprechend hoch und die Rendite gering.
Den Mitarbeitenden wird somit alles abverlangt. In Luxusbetrieben darf jedoch die Qualität des Service keinesfalls darunter leiden. Im Gegenteil, je netter und aufmerksamer das unter Dauerstress stehende Personal ist, desto höher der Preis, den der Gast zu bezahlen bereit ist. Zusätzlich steigern Michelin Sterne und teures Geschirr den Wert des Produktes.
Kollegiales Verhältnis zum Chef
In der Gastrobranche stehen alle unter enormem Druck. Sie ist gekennzeichnet durch viele Kleinbetriebe, in denen alle Angestellten selbst zum Chef ein enges, kollegiales Verhältnis haben. Früh morgens trinkt man den ersten Kaffee mit den ArbeitskollegInnen, schlingt gemeinsam das Mittagessen runter, erbringt Höchstleistungen und spät abends geniesst man im selben Kreise das Feierabendbier. Die wenigen Stunden zuhause verbringt man mit Schlafen. So wächst das Team zu einer Familie zusammen, die abhängig von jedem Einzelnen ist. Unter diesen Voraussetzungen ist es naheliegend, dass der Stolz der Mitarbeitenden darin besteht, dem Team sowie dem Chef jederzeit mit vollem Elan zur Seite zu stehen.
Der Endspurt
Um als angehende Führungskräfte in der Kaderschmiede gut auf die Zukunft vorbereitet zu werden, verknüpften wir im letzten Semester die Theorie mit der Praxis. Das liess uns alle an unsere Grenzen stossen. Wir besuchten täglich den Unterricht und lernten abends – nebenbei schrieben wir unsere Diplomarbeit. Um dem alltäglichen Kampf noch etwas Spannung zu verleihen, führten wir als Klasse zwei von Experten bewertete Caterings durch. Bei der Vorbereitung investierten wir Nächte und Nerven, um an einem 22-stündigen Arbeitstag den Anlass reibungslos über die Bühne zu bringen. Ist es erlaubt, dass die Fahrer dabei 20 Stunden am Stück die gleiche Strecke abfahren? Egal, wir haben gar keine Alternative. Und warum arbeiten wir freiwillig 22 Stunden am Stück, ohne bezahlt zu werden? Wegen der Diplomnote.
Schokolade mit bitterem Beigeschmack
Es gab Macht- und Konkurrenzkämpfe, sowie Krisen in denen wir als Klasse unseren Alltag hinterfragten. Die Reaktion der Schulleitung? Sie überreichte uns einen Karton voller Schokolade. Damit könne man Mitarbeitende motivieren, auch an langen Tagen und unter mühsamen Umständen produktiv und mit einem Lächeln im Gesicht zu arbeiten. Dahinter steckt klar auch der Arbeitgeberverband GastroSuisse, der die Schule führt. Er hat ein Interesse, die Studierenden als angehende Führungskräfte bestmöglich auf die harten Bedürfnisse des Arbeitsmarktes vorzubereiten. Das heisst: Möglichst alles aus den Angestellten rauszuholen, um das Bestehen des Unternehmens zu sichern.
Die Hotelfachschule – eine Ausbildung, die mir die Augen öffnete fürs Wahrnehmen des Ausbeutungsverhältnisses zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden, sowie der gegenseitigen Abhängigkeit der Arbeitenden im Kapitalismus. Gleichzeitig aber auch fürs Erkennen des Potenzials der Gastronomie in einer Planwirtschaft mit innovativen und effizienten Verpflegungskonzepten.
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