Im August habe ich die Lehre als Maler abgeschlossen. Bei Lehrbeginn war mir nicht klar, wie schlecht meine Arbeitsbedingungen waren. Dies wurde mir im Laufe meiner Lehre bewusst. Meine Mitschüler und Mitarbeiter beschwerten sich immer über den zu tiefen Lohn für die Arbeit, die wir leisten müssen. Die Arbeit ist körperlich sehr anstrengend und mental auch. Ich durfte nicht in meinem Lehrbetrieb bleiben, weil ich angeblich zu teuer sei. Das hat mir gezeigt, dass ihnen der Profit wichtiger ist als die Qualität der Arbeit. So stellen viele Malerbetriebe Temporärmitarbeiter an, weil das günstiger ist, als eine Festanstellung anzubieten.
Ich habe 7 Tage lang als Temporär gearbeitet. Dann habe ich gekündigt, weil ich zu wenig verdient habe und ich nur die Fehler der Festangestellten ausbessern musste. Die Temporärbüros, die uns die Stelle organisiert hatten, hatten absurde Abzüge auf unseren Lohn, damit sie noch mehr Geld einkassieren konnten. So haben sie für mich 62 Franken pro Stunde erhalten, mir aber nur einen Stundenlohn von 31 Franken ausbezahlt. Das heisst, dass in 7 Tagen über 1100 Franken durch meine Arbeit in ihre Taschen geflossen sind. Meinen Ferienzuschlag (0.50 Franken pro Stunde) habe ich erst 2 Wochen erhalten, nachdem ich ihn aktiv einfordern musste. Meine Essensspesen (18 Franken pro Tag) wurden mir sogar erst ausbezahlt, nachdem ich gedroht hatte, die Unia einzuschalten.
Alle Temporärmitarbeiter haben das gleiche Problem: Sie verdienen zu wenig.
Einer der Mitarbeiter wurde an meinem zweiten Arbeitstag Vater. Er ist aber bis zum Feierabend geblieben, weil er und seine Familie einfach das Geld brauchen. Ich musste auch mit einem Lehrling arbeiten. Er beschwerte sich den ganzen Tag über seinen Lohn. Die Lehre als Maler ist seine zweite Lehre, er hat das Recht auf mehr Lohn. Sein Betrieb wollte ihm aber keine Lohnerhöhung geben, um selbst mehr Profit zu machen.
Mit der Inflation wird das alles noch auf die Spitze getrieben. Eine Lohnerhöhung ist fast nicht möglich. Unser Werkzeug kostet immer mehr. Einige Farben, die wir nutzen, sind um 80% teurer geworden. Dadurch werden unsere Dienstleistungen auch teurer. Einige Malergeschäfte müssen immer aktiver nach Arbeit suchen, weil sie einfach keine Aufträge bekommen. Dieser Druck führt dazu, dass der Zeitplan immer straffer wird. Für Unvorhergesehenes bleibt keine Zeit. Klappt nicht alles nach Plan, so muss der Temporär als Sündenbock hinhalten. Darum muss man oft Überstunden machen, die meistens unbezahlt sind. Aber die Inflation beeinflusst auch die Qualität unserer Arbeit. Früher bekam jeder einen Naturschwamm, um zu arbeiten. Diese sind aber wegen der Inflation teurer geworden. Darum bekommt jetzt jeder nur noch einen halben Naturschwamm.
Mitte September habe ich eine Festanstellung gefunden. In diesem Betrieb arbeite ich 90% für 4-Sterne Hotels. Dort habe ich Kontakt mit Personen in der Hotellerie. Sie sagen täglich, dass sie zuwenig verdienen, unregelmässige Arbeitszeiten haben (dadurch z.B. keine Zeit für Freizeitaktivitäten haben oder um Zeit mit der Familie zu verbringen), sie sich zu oft anpassen müssen, um Ferien zu planen und einen riesigen Druck spüren, wenn sie krank sind, weil sie wissen, dass der Arbeitgeber dann Schwierigkeiten hat, den Hotelbetrieb zu führen.
Diese Arbeitsbedingungen sind weder Einzel- noch Zufall. Ich merke tagtäglich, wie es der Arbeiterklasse in der Schweiz geht – und wie es immer schlimmer wird. Dahinter steckt die Krise des Kapitalismus. Der einzige Ausweg ist es, den Kapitalismus zu bekämpfen. Wenn du ähnliche Erfahrungen in deiner Lehre machst, wenn auch du deine Arbeitsbedingungen satt hast, dann organisiere dich und kämpfe mit uns.
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