Die Lohnabhängigen in der Schweiz mussten in den letzten zwei Jahren sehr viel einstecken. Nun hat die wirtschaftliche Erholung eingesetzt und auch die Impfquote steigt weiter an. Was bedeutet dies für den Klassenkampf in der Schweiz?
«Viel Lohnerhöhungen dürften nicht drin liegen. Viele Firmen spüren die Erholung, aber nach den Verlusten sind oft zuerst die Polster wieder aufzustocken.» Die Aussage von Konjunkturforscher Abrahamsen fasst die Ausgangslage für diesen wegweisenden Herbst zusammen: Die Wirtschaft erholt sich nach dem Corona-Schock. Doch die Kapitalisten wollen sich weiterhin vor allem selber bereichern. Die Lohnabhängigen schauen in die Röhre.
Die Überheblichkeit der Kapitalisten ist grenzenlos. In den letzten 18 Monate sahen sie sich gezwungen, den ArbeiterInnen zu schmeicheln, indem sie diese als «essentiell» und «Helden» bezeichneten und ihnen heuchlerisch applaudierten. Nun ist die schlimmste Phase der Corona-Krise (vorerst) vorbei und die Bosse kehren zu ihren gewohnten, offen arbeiterfeindlichen Methoden zurück. Lohnerhöhungen schieben sie mitten in der Erholung einen klaren Riegel vor. Natürlich versuchen sie zu verheimlichen, dass sie in der Pandemie Staatsgelder in Milliardenhöhe kassierten, sich aber dennoch fette Dividenden auszahlten.
Die gesamte Krisenbewältigung ist Klassenkampf von oben. Eine wirkliche politische oder gewerkschaftliche Alternative zur bürgerlichen Pandemiepolitik gab es nie. Deshalb gehen die Kapitalisten mit grossem Selbstvertrauen in die Erholungsphase. Sie müssen nichts mehr vorheucheln. Sie offenbaren, was immer eine Tatsache war: Im Kapitalismus sind ArbeiterInnen keine Helden, sondern Kanonenfutter. Der Profit kommt vor der Gesundheit und vor guten Lebensbedingungen für alle.
Die Kapitalisten haben Blut (Profite) gerochen und bereiten weitere Angriffe auf die ArbeiterInnen vor. Bundesrat Parmelin ist besonders blutrünstig und will die 63-Stunden-Woche, sowie mehr Sonntagsarbeit. Dies zwar zunächst «nur» für einige Berufe, doch es ist offensichtlich, dass es sich dabei um ein Einfallstor für Angriffe auf die ganze Arbeiterklasse handelt. Die Arbeitszeiten (Stichwort «Flexibilisierung») stehen dabei besonders unter Beschuss. Zudem soll überall gespart werden, auf nationaler Ebene vor allem bei den Renten der Frauen und auf Kantonsebene beispielsweise in Bern und Genf. Hinzu kommt die weiterhin angespannte Corona-Situation. Insbesondere das Pflegepersonal bekommt weiterhin die volle Wucht der Pandemie ab. In anderen Sektoren wird das Covid-Zertifikat dazu genutzt, Schutzmassnahmen abzubauen und sogar Entlassungen zu rechtfertigen.
Die Erholung wird die Probleme der Arbeiterklasse nicht lösen. Im Gegenteil, der jetzt schon hohe Druck auf die Lohnabhängigen wird massiv zunehmen. Ohnehin stagnieren die Löhne in der Schweiz seit mindestens zehn Jahren. Seit Beginn der Pandemie hat sich die Langzeitarbeitslosigkeit verdoppelt. Noch immer sind hunderttausende Lohnabhängige in Kurzarbeit. Die allgemeine Unsicherheit ist gross.
Der Grund für die aggressive Haltung der Bourgeoisie ist klar: Die aktuelle wirtschaftliche Erholung ist nur sehr kurzfristig. Der Kapitalismus ist in einer organischen Krise. Zu unsicher ist die globale Corona-Situation, zu hoch sind die Schuldenberge, zu angespannt das Verhältnis zwischen den Grossmächten USA und China, zu krank ist der Kapitalismus – die nächsten Krisen warten bereits am Horizont. Parmelin, Abrahamsen und Co. bereiten den nächsten Härtegrad im Klassenkampf von oben vor.
Für die Arbeiterbewegung kann es daraus nur eine Schlussfolgerung geben: Die Kapitalisten werden uns nichts freiwillig geben! Es ist nicht die Zeit, um bei den Kapitalisten nett anzufragen, ob sie uns ein Stück vom Erholungskuchen abgeben. Das wäre wie einen hungrigen Löwen zu bitten, ein Stück von seinem Steak abzugeben – aussichtslos und gefährlich. Wir können uns nur selber vertrauen! Wir müssen uns alles erkämpfen! Das einzige, was die Kapitalisten in die Knie zwingt, ist die organisierte und mobilisierte Arbeiterklasse!
Die wichtigste Aufgabe heute ist die Organisierung der aktiven ArbeiterInnen, kämpferischen GewerkschaftlerInnen und Vertrauensleute auf Grundlage eines sozialistischen Aktionsprogramms. Der Ausgangspunkt des Programms sind die Bedürfnisse und Erwartungen der Arbeiterklasse. Die Durchsetzung dieses Programm ist schlicht notwendig, um den Lohnabhängigen in der Schweiz ein anständiges Leben zu garantieren:
Es ist eine Tatsache, dass der gewerkschaftliche Organisierungsgrad und die Verankerung der Gewerkschaften in den Betrieben in der Schweiz tief ist. Doch das Kräfteverhältnis ist nicht in Stein gemeisselt! Viele Schichten der Arbeiterklasse sind bereit zu kämpfen. Einige, weil sie den menschenfeindlichen Charakter des kapitalistischen Systems erkannt haben. Viele, weil sie durch ihre eigene Situation zum Kampf getrieben werden – in der Pflege, der Gastro und dem Bau, MigrantInnen, Frauen und Jugendliche. Die fortschrittlichsten Schichten der Arbeiterklasse müssen jetzt um ein mutiges, sozialistisches Aktionsprogramm organisiert werden! An dieser zentralen Aufgabe müssen die Führungen der Arbeiterbewegung gemessen werden.
Wegweisende Lohnrunde
Die Gewerkschaften in der Schweiz mobilisieren am 30. Oktober für einen Demonstrations-Tag der «essentiellen Berufe» (Pflege, Bau, Gewerbe, Industrie). Zum wichtigen Kampf der Pflege haben wir einen zusätzlichen Artikel geschrieben. An diesem Tag wird unter anderem mehr Lohn, Arbeitszeitreduktion und keine Erhöhung des Frauen-Rentenalters gefordert. Eine solche Demo ist in der Schweiz zumindest in der jüngeren Vergangenheit ein Novum. Dies zeugt, zusammen mit der Pflegeinitiative, vom grossen Druck, der auf weiten Teilen der Arbeiterklasse in der Schweiz lastet. Die ArbeiterInnen suchen nach einem Weg, ihre Lebensbedingungen zu verbessern und ziehen die Führungen der Massenorganisationen in den Kampf. Der Aufruf zu einer branchenübergreifenden Demonstration mit gemeinsamen Forderungen ist ein guter erster Schritt, weil die kollektive Kampfkraft gestärkt wird.
Doch in der Arbeiterbewegung müssen wir ehrlich mit uns selber sein: Korrekte Forderungen und eine Samstags-Demo werden nicht ausreichen, um den blutrünstigen kapitalistischen Löwen irgendetwas wegzunehmen. Die ArbeiterInnen brauchen einen klaren Plan und harte Kampfmethoden, um in diesem Lohnherbst zu bestehen.
Die Lohnrunde bezeichnet die Tradition, dass im Herbst die Führungen der Gewerkschaften mit den Patrons die Löhne verhandeln. Der 30. Oktober hat somit zum Ziel, die Position der Gewerkschaftsführungen in der Lohnrunde im Herbst zu stärken. Mit welcher Forderung gehen die Gewerkschaftsführungen in diese Verhandlungen? Sie fordern 2% oder 100 Franken mehr Lohn (Schweizerischer Gewerkschaftsbund, 7.9.21).
Sie sagen: «Diese Forderung [der 2%] ist zur Hälfte durch die Notwendigkeit eines Inflationsausgleichs gerechtfertigt und zur Hälfte durch die Notwendigkeit, Produktivitätssteigerungen in den Reallöhnen widerzuspiegeln.» Es ist völlig richtig, dass die ArbeiterInnen nicht für die Inflation zahlen sollen. Gleichzeitig bedeutet dies auch, dass ein Grossteil der 100 Franken keine Lohnerhöhung wären, sondern von der Teuerung aufgefressen würden.
Was muss der Ausgangspunkt unserer Forderungen sein?
Doch diese mutlose Herangehensweise birgt eine Vielzahl von Problemen: Erstens, wer sich kleine Ziele setzt, kann nur kleine Resultate erzielen. Eine 100-fränkige Lohnerhöhung ist weit unter den Bedürfnissen der Lohnabhängigen. Wir brauchen und verdienen mehr! Es ist genug Reichtum da für ein gutes Leben für alle! Zweitens, mit einer solch kleinen Forderung lässt sich kaum mobilisieren. Wieso sollten die ArbeiterInnen kämpfen – das heisst ihre Freizeit für Gewerkschaftsarbeit opfern, ihre KollegInnen von der notwendigen Organisierung überzeugen und zudem Repression durch die Bosse riskieren – wenn das Höchste der Gefühle ein Pizzaplausch mit der Familie (für 100 Franken) ist? Drittens, die Kapitalisten erteilen sogar dieser Forderung eine klare Absage. Der Baumeisterverband beispielsweise sagt als Reaktion: «Kein Spielraum für Lohnanpassungen.» Ohne Organisierung der Lohnabhängigen hat die Arbeiterbewegung keine Antwort darauf parat. Die Gewerkschaftsführungen hoffen auf den (sehr kleinen) Goodwill der Kapitalisten.
Dies ist der Teufelskreis des sozialpartnerschaftlichen Kompromisses: Die Sozialpartnerschaft institutionalisiert Verhandlungen ohne Mobilisierung, was die Position der Gewerkschaften schwächt. Aufgrund des Kräfteverhältnisses können die Gewerkschaftsführungen in den Verhandlungen nur kleine Forderungen stellen. Doch mit kleinen Forderungen kann das Kräfteverhältnis – das heisst der Organisierungsgrad und die Verankerung der Gewerkschaften in den Betrieben – nicht zugunsten der Lohnabhängigen verändert werden.
Der Ausgangspunkt der Gewerkschaftsführung ist, was die Kapitalisten – wenn sie denn die Konjunktur «fair» betrachten – den ArbeiterInnen freiwillig abgeben sollten. Die Forderung der Gewerkschaftsführung steht symptomatisch für ihre Anpassung an den Kapitalismus. Sie machen ihr Programm vom kurzfristigen Zustand des Markts abhängig.
Der Ausgangspunkt der Arbeiterbewegung muss immer die Bedürfnisse der Arbeiterklasse sein. Aus diesen objektiven Notwendigkeiten müssen wir unsere Forderungen und unser Programm ableiten. Es ist eine Tatsache, dass das Leben in der Schweiz für die Lohnabhängigen ständig härter wird. Es ist eine Tatsache, dass sich die Zukunftsaussichten für die jüngeren Generationen massiv verdunkeln. Die Arbeiterklasse braucht und verdient gute Lebensbedingungen!
Viele Lohnabhängige in der Schweiz brauchen eine sofortige Lohnerhöhung von 20%. Alle ArbeiterInnen in der Schweiz verdienen die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn. Es gibt in den Banken und Konzernen genug Reichtum, um diese grundlegenden Massnahmen sofort umzusetzen. Doch dieser Reichtum muss der Kontrolle der Kapitalisten entrissen werden. Die fortgeschrittensten ArbeiterInnen brauchen ein Aktionsprogramm, das einen Ausweg aus dem Kapitalismus aufzeigt.
Bau-LMV
Der diesjährige Lohnherbst ist zudem für den Landesmantelvertrag für das Bauhauptgewerbe (LMV) von grosser Bedeutung. Der LMV ist einer der wichtigsten Gesamtarbeitsverträge (GAV) der Schweiz. Einerseits weil knapp 10% der Lohnabhängigen in dieser Branche arbeiten. Andererseits weil der Bau der wohl am besten organisierte Sektor der Schweiz ist. Die Arbeitsbedingungen, welche sich die BauarbeiterInnen erkämpfen, bereiten oft das gewerkschaftliche Terrain für die GAV in anderen Sektoren vor. 2022 wird der LMV neu verhandelt. Insofern ist die Lohnrunde in diesem Herbst die Hauptprobe für die LMV-Verhandlungen im nächsten Jahr.
Bei den letzten LMV-Verhandlungen 2018 gelangen im Vergleich zu den Vorjahren relativ grosse Mobilisierungen. Insbesondere durch die mehrtägigen Streiks der BauarbeiterInnen in Genf, im Waadtland und im Tessin gelang es, den kapitalistischen Grossangriff auf das Rentenalter 60 abzuwehren. Doch schlussendlich konnten kaum Verbesserungen erzielt werden. Die Unia verfehlte ihr Ausgangsziel «kein Vertrag ohne substanzielle Verbesserungen» deutlich.
Auch für den LMV 2022 will die Unia bessere Arbeitsbedingungen. Es stehen Ideen für korrekte Forderungen im Raum, wie beispielsweise eine Woche mehr Ferien oder eine Beschränkung der Temporärarbeit auf 10%. Doch die entscheidende Frage ist, wie diese Verbesserungen tatsächlich erreicht werden können.
Bruch mit Routinismus und Kompromisslertum!
Nochmals: Die Kapitalisten werden nichts gratis hergeben. Im Gegenteil, die Bauherren laden besonders aggressiv den Druck der kapitalistischen Krise auf die Lohnabhängigen ab. Fast 80% der BauarbeiterInnen geben an, dass der Termindruck auf den Baustellen in den letzten Jahren zugenommen hat. Bei 73% führt das zu mehr Stress, bei 68% wirkt es sich negativ auf Familien und Freizeit aus. Die Folgen sind brutal: Alle zwei Wochen stirbt ein Bauarbeiter bei einem Arbeitsunfall – oft ausgelöst durch Zeitdruck und Hektik (alle Zahlen von der Unia). Wir können die Bau-Bosse nicht am Verhandlungstisch von Verbesserungen überzeugen. Geht es nach den Bauherren, dürfen Bauarbeiter buchstäblich dem Profit geopfert werden! Die Kapitalisten müssen zu Zugeständnissen gezwungen werden, mit Streiks und Massenmobilisierungen.
Die fortgeschrittensten BauarbeiterInnen und der Gewerkschaftsapparat haben ab jetzt noch etwa ein Jahr Zeit, um ihre Kampfkraft für die LMV-Verhandlungen zu erhöhen. Denn dann werden massive Mobilisierungen nötig sein, um Verbesserungen zu erkämpfen – und Verbesserungen sind bei diesen unmenschlichen Arbeitsbedingungen schlicht notwendig.
Die Gewerkschaftsführungen müssen jetzt aufwachen und mit ihrem Routinismus brechen! Die übliche Prozedur vor LMV-Verhandlungen bedeutet eine Umfrage jetzt, im Oktober sowie nächsten Sommer eine Samstagsdemo und im Oktober ein oder zwei Streiktage auf Grossbaustellen in gewissen Städten. All dies wird in der aktuellen Periode – in der tiefsten Krise des Kapitalismus – nicht für Verbesserungen reichen. Die BauarbeiterInnen brauchen bessere Organisations- und härtere Kampfmethoden!
Die Gewerkschaftsführungen müssen jetzt aufhören, die Illusion des «realistischen» Kompromisses zu verbreiten. Wir müssen mit der völlig mutlosen Herangehensweise der 100-Franken-Forderungen brechen. Die Orientierung der Gewerkschaftsführungen auf die Kompromisse führen zu Stellvertreterpolitik, der Kampf der ArbeiterInnen wird ersetzt.
Die oberste Priorität des Gewerkschaftsapparates muss der Aufbau von Betriebsgruppen sein! Dort muss diskutiert werden, wie wir unsere Forderungen tatsächlich umsetzen können. Wir müssen die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um unsere Anliegen auf die Strasse zu tragen – auch und gerade während der Arbeitszeit. Das Ziel der Arbeiterbewegung in der aktuellen Periode, wenn die Kapitalisten zum Frontalangriff fahren, muss der Aufbau der Streikfähigkeit sein – auf dem Bau und in allen anderen Sektoren!
Perspektive des Klassenkampfs
Die Arbeiterklasse in der Schweiz ist heute in der Defensive. Wir mussten in den letzten 18 Monaten sehr viel einstecken, wobei hauptsächlich die Faust im Sack gemacht wurde. Auch heute, im Hinblick auf die kommenden Angriffe, sind die meisten ArbeiterInnen isoliert und gelähmt. Natürlich ist die Krise des Kapitalismus in der Schweiz weniger zugespitzt als in anderen Ländern. Doch der Hauptgrund für die Paralyse der Arbeiterklasse ist die fehlende politische und gewerkschaftliche Alternative zur herrschenden kapitalistischen Marktlogik. Die Führungen der Massenorganisationen achten nur auf die kurzfristige Konjunkturentwicklung. Keinesfalls fordern sie Kompensation für die vergangenen Jahre, in denen die Reallöhne schrumpfen oder sogar kleiner wurden.
Dabei wären die Bedingungen für eine Offensive der Arbeiterbewegung vorhanden: Die ArbeiterInnen spüren in den Betrieben die wirtschaftliche Erholung, sie sehen die vollen Auftragsbücher. Sie wollen ein wohlverdientes Stück vom Erholungskuchen. Das «Nein» der Kapitalisten ist eine blanke Provokation. Die einzige korrekte Antwort der Arbeiterbewegung muss sein: Dann erkämpfen wir es uns halt!
Gleichzeitig spüren die ArbeiterInnen die Unsicherheiten der Erholung. Sie sehen in ihrem Arbeitsalltag die Inflation, den Vorproduktemangel und die eher dunklen längerfristigen Aussichten. Sie werden immer mehr feststellen, dass die Kapitalisten sie für diese Unsicherheiten bezahlen lassen. Dies kann zwar kurzfristig erneut einen lähmenden Effekt auf den Kampf haben. Doch es ist die Aufgabe der Führung der Gewerkschaften, jeden Angriff dazu zu nutzen, den Organisationsgrad und die Kampffähigkeit der Lohnabhängigen zu erhöhen. Das Potenzial ist da. Die fortschrittlichsten Schichten der Arbeiterklasse wollen kämpfen.
Man kann die Bewusstseinentwicklung der Arbeiterklasse nicht nur an der Anzahl der Demonstrierenden auf den Strassen und der Anzahl spontaner Streiks ablesen. In den Köpfen der Lohnabhängigen und Jugendlichen in der Schweiz passiert unter der Oberfläche aktuell sehr viel. Die Coronakrise hat tiefe Spuren in der Arbeiterklasse hinterlassen. Wir haben alle live dabei zugesehen, wie die herrschende Klasse in der Schweiz (bis heute) unfähig ist, die Pandemie in den Griff zu kriegen. Alle aktuellen widersprüchlichen Entwicklungen der Erholung, der Angriffe und der Lohnrunden kommen nun obendrauf. Diese Erfahrungen, welche weite Teile der Arbeiterklasse gemeinsam durchmachen, legt die potenzielle Grundlage für grosse kollektive Kämpfe.
Die wichtigste Charaktereigenschaft der aktuellen Phase des Klassenkampfes in der Schweiz ist ein tiefgreifender politischer Gärungsprozess und Radikalisierung in der Arbeiterklasse, ohne dass diese einen kollektiven und politischen Ausdruck finden können. Der Hauptgrund dafür ist, dass die Gewerkschaftsführungen die Zeichen der Zeit ignorieren. Sie hängen weiterhin in der sozialpartnerschaftlichen Vergangenheit fest, als das kapitalistische Wachstum beinahe automatisch Verbesserungen ermöglichte. Heute muss die Arbeiterbewegung aktiv kämpfen, schon nur für den Erhalt der jetzigen Lebensbedingungen!
Die ArbeiterInnen werden in den Kampf treten, wenn sie dazu bereit sind. Aus den aktuellen schmerzhaften Erfahrungen der Starre, der Faust im Sack und der Angriffe werden die notwendigen Lehren gezogen. Die Arbeiterklasse muss sich besser organisieren, um in den kommenden wichtigen Kämpfen zu bestehen. Gegen die Kapitalisten und ihr System! Für gute Lebensbedingungen! Für eine kämpferische Führung der Arbeiterbewegung!
Dersu Heri
Für die Redaktion
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