Am Mittwoch, dem 23. Juni, streikten Teile des Gesundheitspersonals des CHUV (Unispital Lausanne). Die marxistische Strömung der Funke organisierte im Vorfeld eine Solidaritätskampagne für die Streikenden. Am Streiktag zeigten Funke-AktivistInnen nicht nur aktive Solidarität in Lausanne, sondern unterstützten mit Kundgebungen in Bern, Basel und Zürich die Verbreitung der Streikerfahrung in der Deutschschweiz.
Ende Mai an der Vollversammlung des CHUV-Personals: Fast einstimmig beschloss die Versammlung mit beinahe 150 Anwesenden den Streik und legte den 23. Juni als Streiktag fest! Dies über Jahre Forderungen des Personals nach besseren Arbeitsbedingungen, mehr Personal und eine Covid-Prämie ungehört blieben. Erschöpfung und Wut – über die misslichen Zustände von bis zu 30% Personalausfällen und fehlenden Respekt gegenüber der ausserordentlichen Leistung während der Pandemie – schlagen um in Kampfbereitschaft. Nach dem Beschluss standen die Streikvorbereitungen, also die Mobilisierung möglichst breiter Teile des Personals im Vordergrund (hier das Interview mit dem Gewerkschaftssekretär).
Seit dem Streikbeschluss organisierte die Funke-Strömung eine schweizweite Kampagne zur Solidarität mit dem CHUV-Streik. Wir sind an die Pflegeberufsschulen gegangen, um Unterschriften für einen Solidaritätsbrief an die Streikenden zu sammeln und mit den Pflegenden in Ausbildung zu diskutieren, was es heisst, solidarisch zu sein (mehr Informationen zur Solidaritätskampagne). Ausserdem bauten wir eine Solidaritätsplattform auf Facebook (GesundheitvorProfit) auf. Wir haben für unsere öffentliche Veranstaltung über den Kampf in der Pflege mobilisiert, um zusammen Lektionen vom Streiktag zu ziehen. Dabei haben wir einerseits über den Zusammenhang zwischen Kapitalismus und dem Kampf im Gesundheitssektor, sowie über den Streiktag selber diskutiert. Besonders eindrücklich war der Streikbericht von Fabienne, welche als medizinische Assistentin am CHUV in Lausanne arbeitet und von den Arbeitsbedingungen, der Spitalleitung sowie von der Mobilisierungsarbeit erzählte.
Der Streiktag in Lausanne begann früh am Morgen mit Streikposten, um weitere Angestellte vom Streik zu überzeugen. Die Spitalleitung kommunizierte 50 Streikende. Laut David Gygax, einem Gewerkschaftssekretär des VPOD, lag die Zahl aber um einiges höher. In den Gesprächen mit dem Personal an der Versammlung am Mittag und an der Demonstration am Abend wurde klar: Die Streikbereitschaft war klar grösser als effektiv gestreikt werden konnte. Hebammen des CHUV erzählten, dass die Spitalführung das Personal unter Druck setzte und auch mit Konsequenzen drohte, falls sie streiken würden. Andere ArbeiterInnen, z.B. aus der Physiotherapie, unterstrichen, dass sie teilweise zu wenig Informationen oder Zeit gehabt hätten, um sich gut für den Streik vorzubereiten und sich zu organisieren.
Am Mittag fand eine Versammlung vor dem Spital statt. Viele Angestellte aus weiteren Abteilungen des CHUV kamen, um ihre Solidarität zu bekunden, auch wenn sie nicht streiken konnten. Gleich zu Beginn wurde die Funke-Aktivistin Sereina ans Megafon gerufen, wo sie die 650 Unterschriften für unseren Solidaritätsbrief sowie Solidaritätsnachrichten von Quebec, Belgien, Frankreich und Österreich an die Präsidentin der VPOD-Gruppe des CHUV übergeben konnte. Die Gewerkschaftsdelegierte war sichtlich berührt von der Solidarität. Die Streikenden nahmen die Solidaritätserklärung mit grossem Enthusiasmus und Dankbarkeit entgegen. Nur wenn wir den Kampf des CHUV auf den gesamten Gesundheitssektor ausweiten können, kann dieser langfristig erfolgreich sein!
Am Abend fand in der Lausanner Innenstadt eine Demonstration statt, an der auch noch weitere Sektoren des öffentlichen Dienstes (wie die Altersheime) dabei waren, um ihre Solidarität zu bekunden. Der Regierungsrat machte am Vorabend des Streiks das Angebot, die Verhandlungen zu öffnen, was klar ein erster Erfolg ist. Doch die Gewerkschaften sowie die Belegschaft sind sich einig, dass dieser Streiktag nur der Anfang war. Wenn nicht all ihre Forderungen umgesetzt werden, ist klar, dass sie weiterkämpfen werden. Was der Streik in Lausanne gezeigt hat, ist, dass man nur auf seine eigene Stärke zählen und vertrauen kann.
Seit Jahren kämpfen die Angestellten für bessere Arbeitsbedingungen. Der Streiktag und die Mobilisierung des CHUV-Personals bedeuten einen klaren Schritt nach vorne. Jetzt gilt es für die ArbeiterInnen des CHUV, daraus zu lernen und ihre Streikkraft weiter aufzubauen. Denn am Ende der Demonstration war klar: Im Herbst erwarten uns weitere Kämpfe und Mobilisierungen, rund um die Pflegeinitiative und im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheitssektor der ganzen Schweiz.
Auch Bern zeigte sich solidarisch mit dem CHUV-Streik. Fast Hundert Pflegende und AktivistInnen nahmen an der Kundgebung auf dem Loryplatz teil. Diverse Organisationen riefen zur von der Funke-Strömung organisierten Versammlung auf: VPOD, Pflegedurchbruch, Unia, SBK, SP, Grüne Bündnis, Kommunistische Jugend und die FAU. Der strömende Regen vermochte die kämpferische Stimmung nicht zu trüben. Neben einem Streikbericht hörten die Anwesenden konzentriert den Reden zu, die von den schlechten Arbeitsbedingungen im Gesundheitsbereich und der Notwendigkeit des Kampfes sprachen.
«Wir sind es leid, endlose Überstunden zu machen, wir sind es leid, unter Dauerstress zu leiden, während wir es trotzdem nicht schaffen, den Bedürfnissen unserer Patienten gerecht zu werden, wir sind es leid, dafür auch noch schlecht bezahlt zu werden und wir sind es leid, das Kanonenfutter der Pandemie zu sein!» sagt Fabio Lüthi, ein Genosse der selbst in der Pflege tätig ist, dazu in seiner Rede an der Kundgebung.
In Basel organisierte die Funke-Strömung am Mittwochabend ebenfalls eine Soli-Kundgebung für die streikenden Pflegenden am CHUV. Auch der Pflegedurchbruch, der VPOD, die Unia und die Kommunistische Jugend (KJ) mobilisierten und zeigten mit einigen PflegerInnen und AktivistInnen ihre Solidarität. Zuerst hielt der Funke einige Reden, danach folgte am Open Mic noch eine Rede von der KJ.
Wir erklärten unsere volle Solidarität mit dem Streik in Lausanne und zeigten auf, dass kämpferische Massnahmen in der Pflege der einzige Weg sind, die kontinuierlichen Angriffe auf die Arbeitsbedingungen und damit die Verschlechterung des öffentlichen Gesundheitssystems zu verhindern.
Gleichzeitig sprachen wir auch über die Grenzen eines eintägigen Streiks in einem einzelnen Spital. Wir erklärten, dass es die Vereinigung der Pflegenden über ein Spital hinaus und mit dem Rest der Arbeiterklasse in der Schweiz und international braucht, um die Spital-Kapitalisten und die Regierungen in die Knie zu zwingen und tatsächliche Verbesserungen zu erreichen.
Deshalb gingen wir auch auf internationale Kämpfe der Arbeiterklasse ein, wie beispielsweise jene der stark ausgebeuteten Amazon-Angestellten. Wir zeigten auf, dass die tiefe Krise des Kapitalismus international ist und die Menschen deshalb auch international gegen die Angriffe auf ihre Lebensbedingungen kämpfen – in der Pflege und überall.
Man hat gemerkt, dass es in Basel keine grosse Tradition der Solidaritätsbekundungen mit Streiks gibt. Einigen Passanten war unklar, weshalb wir in Basel eine Kundgebung machen, wenn in Lausanne gestreikt wird. Trotzdem blieben immer wieder Leute stehen, hörten unseren Reden interessiert zu und betrachteten unsere kämpferischen Transparente. Das wiederholte Stören und Bedrohen von Kundgebungsteilnehmern durch einen Corona-Leugner gab Anlass dazu, dass wir uns am Megaphon klar und deutlich von jeglichen Verschwörungstheorien abgrenzten und geeint antifaschistische Parolen anstimmten.
Die Solidaritätskampagne mit dem CHUV war im Kanton Zürich ziemlich erfolgreich. Wir waren während der letzten zwei Wochen in Zürich und Winterthur an verschiedenen Pflege-Berufsschulen und diskutierten über den CHUV-Streik und unseren Soli-Brief.
Am Streiktag selber besuchten wir dann in Zürich die Careum–Berufsschule, wo wir mit einem Bücherstand und mehreren Transparenten auffuhren. Wie schon in den Wochen zuvor machten wir die Erfahrung, dass sich die Probleme der Pflegenden hier mit den Problemen in Lausanne decken.
Die Pflegenden berichteten über den Stress bei der Arbeit, die hohe Belastung und das fehlende Personal. Besonders Lernende berichteten darüber, dass sie als billigste Arbeitskräfte gebraucht werden. Wir wurden wiederholt offen aufgefordert, beispielsweise am Uni-Spital einen Streik zu organisieren.
Die verschiedenen Teile des Personals werden auch gegeneinander ausgespielt: Während die Pflegenden lächerliche 250.- Coronaprämie und einen Ferientag als Dank für den Einsatz während der Pandemie erhielten, sind die HotelleristInnen und das Putzpersonal komplett leer ausgegangen. Eine Angestellte der Hotellerie meinte, dass es an der Zeit sei, ihre ganze Abteilung gewerkschaftlich zu organisieren.
Wir haben während der Kampagne in Zürich und Winterthur etwa 150 Unterschriften für den Solibrief gesammelt. Praktisch alle haben unterschrieben. Der Unmut ist gewaltig, die Leute haben die Schnauze voll. Das ist auch den Bossen klar; weshalb der Rektor des Careum heute Mittag auch den Hauswart auf uns hetzte, der uns mit der Polizei drohte, falls wir nicht sofort vom Gelände der Berufsschule verschwinden würden. Doch auch diese Erfahrung ist nicht neu: Lernende berichteten, dass GewerkschafterInnen am «Tag der Pflege» von ihrem Arbeitsort, einer Privatklinik für Milliardäre, vertrieben worden seien.
Viele haben gesagt: «Es geht so nicht weiter, es braucht einen Streik», die Pflegenden erkennen, dass es klassenkämpferische Methoden braucht, um heute irgendetwas zu erreichen. Die Erfahrungen, die wir in den letzten Wochen gemacht haben, bestätigen: In der Schweiz sind Klassenkämpfe möglich, das Potential ist da – was es braucht, sind kämpferische Gewerkschaften, den Bruch mit der Sozialpartnerschaft und ein revolutionäres Programm. Dafür kämpft die marxistische Strömung. Werde jetzt bei uns aktiv!
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