‘‘Wenn die Lösungen in diesem System nicht gefunden werden können, ist ein Systemwechsel notwendig.’’ Tausende junge Menschen in Genf und auf der ganzen Welt verlangen angesichts der Klimakrise radikale Massnahmen und greifen die Notwendigkeit vor, den Kapitalismus zu überwinden. GymnasiastInnen und Studierende – der Probleme bewusst, mit denen sie aufgewachsen sind und die ihre Zukunft beeinflussen werden – trauen den politischen Institutionen immer weniger zu, diese Krise zu bewältigen. Immer mehr von ihnen haben es satt, nur schön formulierte Reden zu hören, die nach Dialogen, Petitionen oder Abkommen verlangen. Diese Radikalisierung ist sehr positiv, denn die Überwindung des Kapitalismus ist schlicht eine Notwendigkeit, um aus der Klimakrise zu kommen.
In der Tat machen seine Logik des unendlichen Profits und seine anarchische Produktionsweise den Kapitalismus zu einem eindeutig nicht nachhaltigen System. Nur eine demokratische Planwirtschaft, die auf die Bedürfnisse der Menschen und der Natur eingeht, erlaubt es uns, zu erneuerbaren Energien überzugehen und die globale Erwärmung zu kontrollieren.
Wie und gegen wen kämpfen?
Diese Veränderung geschieht weder durch ein Fingerschnippen noch durch symbolische Demonstrationen. Es handelt sich viel eher um einen Prozess, der eine gute Ursachenanalyse des Klimawandels und eine ausgezeichnete Organisation verlangt. Die wichtigste Basis einer Bewegung, die die Umwelt schützen will, ist zu wissen, gegen wen der Kampf geführt werden muss, um effektiv handeln zu können. Die Genfer Schüler- und Schülerinnenbewegung für das Klima hat viele Ansätze guter Analysen vorzuweisen. So war es beispielsweise eine gute Entscheidung, den Klimastreik nicht nur auf den Kreis der SchülerInnen zu beschränken: Im Alleingang können die SchülerInnen die Wirtschaft nicht lahmlegen, um sie dann positiv zu verwandeln. Die Analyse bleibt aber dennoch sehr limitiert: Als die SchülerInnen gemerkt hatten, dass in einer Umfrage der 20 Minuten59% der Leser angaben, die Streikenden wären besser in der Schule geblieben, verlangten sie bloss die Teilnahme an der Umfrage, um die Ergebnisse zu korrigieren – anstatt die Schlussfolgerung zu ziehen, dass es vor allem notwendig ist, den Rest der Gesellschaft davon zu überzeugen, dass im Klimakampf die Interessen des Grossteils vereint ist.
Keine gute Analyse ohne Demokratie
Die erste Vollversammlung der Genfer Bewegung (Ende Januar, fast 100 TeilnehmerInnen) hat gezeigt, dass man mithilfe eines Rahmens eine offene Debatte über Ideen führen kann, wodurch die Überlegungen und Positionen der Bewegung weiterentwickelt werden können. Die Funke-UnterstützerInnen haben in der VV unter anderem die Notwendigkeit aufgezeigt, mit den Lohnabhängigen Verbindungen einzugehen, da sie die Macht haben, die Wirtschaft zu blockieren und sie so zu ändern. Dieser Standpunkt wurde von den allgemein sehr ernsthaften und konzentrierten KämpferInnen breit unterstützt.
Bis zum Zeitpunkt der ersten Vollversammlung gab es ein grobes Demokratiedefizit im Kern dieser Bewegung. Die Entscheidungen wurde durch eine geschlossene Gruppe von weder Gewählten noch Abwählbaren gefällt. Natürlich haben sie den Verdienst, die Bewegung lanciert zu haben und einen entscheidenden Beitrag zum Erfolg des ersten Streiks geleistet zu haben; mit der Absicht, die Mitglieder ihrer schulischen Stätten zu repräsentieren, haben sie sich jedoch zunehmend als deren Stellvertreter aufgespielt. Die Basis der Bewegung wurde in keine Entscheidung mit einbezogen und seine Rolle beschränkte sich auf das Lesen von Sitzungsprotokollen.
Die Notwendigkeit einer gewählten Führung
Als Antwort auf diese Bürokratisierung haben mehrere SchülerInnen an der Vollversammlung nach rein horizontalen Strukturen verlangt. Die Debatte zwischen demokratischen Zentralismus und dem Anarchismus ist keine organisatorische Frage; sie ist stark an das politische Arbeitsfeld der Bewegung gebunden. Die anarchistischen Strukturen, die auf einen horizontalen Konsens, aber nicht auf Delegationen basieren, ermöglichen keine genügend schnelle Reaktion und führen sogar zu einem Demokratiedefizit. Tatsächlich ist es so, dass die Bewegung ohne direkt gewählte, stets abwählbare Führung – die ihre Entscheidungen vor der Mehrheit der Versammlung rechtfertigen müsste – weiterhin von einer informellen, nicht-gewählten Führung vertreten würde. Des Weiteren führt die Konsenspolitik zu nicht endenden Versammlungen, die in keiner konkreten politischen Praxis mündet. Auch hier gilt: Die Vorschläge, die von den Funke-UnterstützerInnen eingebracht wurden, wurden aufgenommen und die Wahl eines Komitees wird in die Wege geleitet.
Für eine offene Debatte mit allen
Eine noch nicht gelöste Debatte besteht rund um die Frage der Teilnahme politischer Parteien. Sich als parteilos bezeichnend gingen sie sogar so weit, den organisierten AktivistInnen das Stimmrecht vorzuenthalten. Es scheint eine Verwechslung zu geben zwischen der institutionellen Politik (die tatsächlich zu keinen Lösungen führt) und allen sonstigen politischen Gruppierungen, auch wenn diese revolutionär oder anti-kapitalistisch sind. Auch wenn dieser Hass auf die institutionelle Politik gesund und legitim ist, so ist das prinzipielle Ausschliessen aller Organisationen ein Schuss ins eigene Bein. Es ist nämlich so, dass gewisse Organisationen viele Jahre an Kampferfahrung haben; so konnten sie im Verlaufe dieses Kampfes viele starke Analysen zur Überwindung des Kapitalismus, zu Perspektiven und zu präzisen theoretischen Programmen ausarbeiten und sammeln. Jemandem zu verbieten, seine Organisationszugehörigkeit zu zeigen, ist nicht nur ein Angriff auf die Meinungsfreiheit, sondern verschleiert auch, welche Meinungen die verschiedenen Organisationen vertreten. Kurz: Es ist nicht das Verbot einer offenen Debatte zwischen AktivistInnen (organisiert oder nicht), das die besten revolutionären Analysen produziert. Im Gegenteil ist die offene Debatte eine Bedingung, um sich als Bewegung weiterentwickeln zu können.
Es braucht eine revolutionäre Organisation!
Die dringlichste Notwendigkeit des Klimawandels ist eine Organisation, die ein revolutionäres Programm verteidigt. Sie ist notwendig, um die angesammelten Erfahrungen zu konservieren und mithilfe dieser Erfahrungen die Einheit im Kampf für das Klima und gegen den Kapitalismus zu realisieren. Den Kampf bis zum Ende führen können und wollen, also den Kapitalismus endgültig brechen, bedeutet die Zusammenführung der Kämpfe und das langfristiges Engagement der radikalisierten Jugend in einer revolutionären Organisation. Somit laden wir euch ein, der Organisation Der Funkebeizutreten! Helft mit, eine revolutionär Organisation aufzubauen – sowohl in der Theorie als auch in der Praxis!
Ivan Lampert, Streikender am Gymnasium Voltaire in Genf und Mitglied vom Funke
Übersetzung von Stéphane Holzmann, Mitglied vom Funke in Zürich
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