Wie erleben Frauen den Sexismus heute? Was müssen sie durchmachen und spielt sich in ihnen ab? Der Dokumentarfilm #femalepleasure liefert uns einige Einblicke in die weibliche Sexualität und Sexismus.
Die weltweite Wirtschaftskrise seit 2008 trifft die Frauen besonders hart, was in den letzten Jahren zu einem Wiedererwachen der Frauenbewegung führte. Nicht zuletzt auch wegen der Wahl von Trump zum US Präsidenten ist das Thema Sexismus wieder ein stark diskutiertes Thema. Trump verkörpert exemplarisch das Klischee des reichen alten Machos, welcher über unsere Gesellschaft herrscht. Sexismus ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Trotzdem ist es nicht leicht, des Ausmasses von Sexismus und dessen Implikationen bewusst zu werden, da er in der Gesellschaft oft einfach Normalität ist.
Was spielt sich in jungen Frauen ab? Im Schweizer Dokumentarfilm #femalepleasure von Barbara Miller erzählen fünf Frauen wie sie den Sexismus in der heutigen Gesellschaft erleben, wie dies zu Minderwertigkeitsgefühlen und zu einer Entfremdung vom Eigenenen führt. Wie alle Frauen, die sich gegen Sexismus wehren, mussten auch sie erleben, wie dies eine reaktionäre Welle von Hass und Verachtung auslöste: öffentliche Diffamierung, Verfolgung und sogar Morddrohungen mussten sie erdulden.
Krasse Gegensätze
Fast schon absurd erscheint die Geschichte der japanischen Künstlerin Rokudenashiko. In einer Gesellschaft, welche an Festivals riesige Abbildungen des männlichen Geschlechtsorgans durch die Strassen trägt und segnet, ist das weibliche Pendant ein Tabuthema. Sie wurde wegen «Obszönität» angeklagt, als sie mit ihrem Kajak, in der Form ihrer Vagina, und ihrer Kunst die weiblichen Geschlechtsorgane darstellte. So lächerlich das klingt, zeigt ihre Geschichte doch schön auf, wie widersprüchlich der Umgang mit Sexualität ist.
Deborah Feldmanns Geschichte veranschaulicht wie Frauen auch heute noch als minderwertig behandelt werden. Mitten in der Stadt New York, im Land der angeblich “unbegrenzten Möglichkeiten”, wuchs sie in einer jüdisch orthodoxen Parallelgesellschaft auf. Mit 17 wurde sie dort zwangsverheiratet mit einem quasi fremden Mann. Ihr wurden ihre Pflichten als Ehefrau erklärt. Nach der Menstruation gilt die Frau als «unrein» und darf den Mann nicht berühren. Sie benötigt eine rituelle Waschung, um wieder zur Kinderzeugung zu Verfügung zu stehen.
Gewalt und Sex
Sexualität und Lust offen auszuleben ist in unserer Gesellschaft oft ein Privileg der Männer. Die Frauen müssen diese Bedürfnisse befriedigen. Dabei spielen oft Zwang und Gewalt eine zentrale Rolle. Weltweit leiden heute über 200 Millionen Frauen darunter, dass sie ihrem zentralsten Lustorgans beraubt wurden. Leyla Hussein aus einer muslimischen Familie in Somalia erzählt wie sie deswegen von Schmerzen, Depressionen und Todesängsten geplagt wird und wie sie heute mit aller Kraft gegen das Ritual der Beschneidung kämpft.
In Indien wird alle 20 Minuten eine Frau vergewaltigt und auch Gruppenvergewaltigungen stellen keine Seltenheit dar. Vithika Yadav, welche aus einer traditionell hinduistischen Familie stammt, erzählt, wie sie in ihrer Kindheit mehrfach sexuell belästigt wurde und dadurch begann ihren Körper zu hassen. Sie erklärt, dass es in ihrer Sprache keine Worte für Zärtlichkeit oder Liebe gibt und vergewaltigte Frauen nicht als Opfer gesehen werden. Sie gelten als «entehrt» und stellen für ihre Familie eine Schande dar.
Auch ohne körperliche Verstümmelung brennt der Sexismus tiefe Narben in die Psyche von (jungen) Frauen. Die konstanten Blicke, die oft das Gefühl vermitteln im Kopf ausgezogen zu werden, die ständige Angst angefasst und begrabscht zu werden und die Angst der körperlichen Unterlegenheit sind allgegenwärtig.
Europa ist keine Ausnahme
Dem Argument, dass es diesen Kulturen an westlichen und christlichen Werten mangelt, wird die Geschichte von Doris Wagner aus Bayern gegenübergestellt. Sie lebte in einem gemischten katholischen Kloster, wo es für Frauen strikte Kleider- und Verhaltensvorschriften gibt. Die Verantwortung sexuellen Begierden und Übergriffen zu verhindern liegt komplett bei ihnen. Sie wurde mehrfach vom Vorsteher ihrer Gemeinschaft vergewaltigt und erfuhr dann von ihren Ordensschwestern Schuldzuweisungen. Die Gerichte stellten das Verfahren ein, weil sie sich «zu wenig gewehrt habe».
Auch wenn alle diese fünf Frauen im Film gegen den Sexismus ankämpfen bleibt trotzdem die Frage offen wie er denn tatsächlich besiegt werden kann. Es wird lediglich betont, dass dies globale Probleme sind, welche nur auf dieser Ebene gelöst werden können.
Die fünf Geschichten in diesem Film helfen aber zu verstehen was Frauen aushalten müssen und was dabei in ihren Köpfen vorgeht. Ein vollumfängliches Bild kann er jedoch nicht liefern — zu einfach ist die Gefahr, dass wir diese fünf Beispiele nur als Extremfälle abtun und den Sexismus vor unserer Nase dabei ignorieren. Als die Filmemacherin in einem Interview gefragt wurde, wie es rauskommen würde, wenn der Film um nicht religiösen Frauen handeln würde, antwortet auch die sie: «Ich glaube leider, dass die Unterschiede nicht sehr gross sind darin, wie Frauen Sexualität erleben, mit welchen Vorstellungen und Zwängen sie zu kämpfen haben, welchem Druck sie sich selbst aussetzen».
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