Das KZ Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar war eines der grössten Konzentrationslager auf deutschem Boden. Insgesamt waren dort etwa 250.000 Menschen aus ganz Europa inhaftiert.
Die meisten waren politische Häftlinge, vor allem KommunistInnen und SozialistInnen, aber auch JüdInnen, sogenannte „Asoziale“ (nach NS-Terminologie „arbeitsscheue Schädlinge“ an der „Volksgemeinschaft“) und v.a. sowjetische Kriegsgefangene. Primär diente es als Arbeitslager für das deutsche Grosskapital und die NS-Kriegsmaschinerie. So wurde dort neben mehreren Rüstungsbetrieben ein Steinbruch betrieben. Die Arbeit in diesem galt als äusserst hart und wurde meist von Strafkompanien ausgeführt. Die Häftlinge der 136 Aussenlager und Aussenkommandos des KZ Buchenwald wurden auch von Unternehmen wie IG Farbenindustrie, Krupp AG und anderen Konzernen brutal ausgebeutet.
Ab 1942 wurden unzählige Häftlinge auch für lebensgefährliche medizinische Versuche missbraucht. Beispielsweise wurden sie mit Fleckfieber und TBC-Erregern infiziert, um Impfstoffe zu testen. Ausserdem wurden ihnen Brandbombenverletzungen zugefügt, um die Wirkungen dieser Waffenart zu studieren. An den Folgen dieser unmenschlichen Experimente starben die meisten qualvoll.
Obwohl Buchenwald kein klassisches Vernichtungslager mit industrieller Massenvernichtung wie Auschwitz-Birkenau war, wurden viele Häftlingsgruppen zur sofortigen Ermordung in der Genickschussanlage ausselektiert, meistens JüdInnen und sowjetische Kriegsgefangene. Unzählige andere starben an den unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen. Die Zahl der Todesopfer wird auf 56.000 geschätzt.
Widerstand
Doch die Häftlinge leisteten der Barbarei Widerstand. Organisiert wurde dieser vom 1943 gegründeten ILK (Internationales Lagerkomitee Buchenwald), einer konspirativen antifaschistischen Widerstandsorganisation. Gründungsort und Treffpunkt war ein abgeschirmter Raum im Häftlingskrankenbau. Führende Mitglieder waren deutsche, französische, italienische, tschechoslowakische und polnische Kommunisten und Sozialisten. Unter ihrer Leitung wurde auch die IMO (Internationale Militärorganisation) gebildet. Sie bestand aus elf nationalen Einsatzgruppen und verfügte über Waffen, die aus den lagerinternen Rüstungsbetrieben entwendet wurden. Vor der Befreiung im April 1945 sorgte der Widerstand dafür, dass das KZ Buchenwald Stück für Stück unkontrollierbar wurde. So versuchte er, die SS in die Irre zu führen und Chaos zu stiften. Er versteckte verfolgte Häftlinge, Befehlen widersetzte man sich offen. Er rief die Häftlinge zur Geschlossenheit auf. Unterstützt wurden diese Aktionen durch die ab Sommer 1944 immer stärker werdenden alliierten Bombenangriffe.
Als sich Anfang April 1945 die US-Armee dem Lager näherte, versuchte die SS das Lager zu evakuieren. Tausende starben bei den darauf folgenden Todesmärschen in Richtung anderer KZs. Die Widerstandsgruppe bemühte sich, diese Evakuierungsmassnahmen zu verzögern, um möglichst vielen Häftlingen das Leben zu retten. Man verfügte zwar über Waffen, an deren Einsatz war jedoch erst beim Herannahen der Amerikaner zu denken, da sie nichts gegen die Übermacht der Wachmannschaften hätten ausrichten können. So setzte das ILK am 8. April 1945 über einen heimlich installierten Sender einen Hilferuf an die herannahenden amerikanischen Truppen ab. Die Amerikaner rieten zur Ruhe bis zur Befreiung.
Am 11. April 1945 kam es schliesslich zu Frontkämpfen in unmittelbarer Nähe des Lagers. Gegen 11 Uhr begann die Ausgabe der Waffen an ausgewählte Widerstandskämpfer. Als die noch verbliebenen Wachmannschaften den Lagerbereich verliessen und Stellung im SS-Bereich bzw. im umgebenden Wald bezogen, begannen die Häftlinge den Kampf am Torgebäude und den benachbarten Wachtürmen, wobei es ihnen gelang, einige nicht geflüchtete Angehörige der Lager-SS zu entwaffnen und das Lagertor zu öffnen. Um 16 Uhr waren die etwa 21.000 Häftlinge endlich befreit.
Das politische Erbe des antifaschistischen Lagerwiderstands ist noch heute äusserst aktuell, wie das „Buchenwalder Manifest für Frieden, Freiheit, Sozialismus“ deutlich zeigt. Auf Basis leidvoller Erfahrungen vertritt es die Erkenntnis, dass, solange Faschismus und Militarismus „nicht restlos vernichtet sind“, es „keinen Frieden“ in der Welt geben kann.
Daher müssen die Anstrengungen darauf gerichtet sein, alle gesellschaftlichen Erscheinungen dieser „blutigen Unterdrückung des Lebens für immer zu beseitigen“. Dabei wird betont, dass die „letzte Ursache zu diesem ungeheuerlichsten aller Kriege in der Raubtiernatur der kapitalistischen Wirtschaft“ liegt. Daher fordert es die Vergesellschaftung der Banken und der Industrie, die Verkürzung der Normarbeitszeit, ein menschenwürdiges Dasein aller Arbeitenden zu schaffen, das Berufsbeamtentum samt seiner Privilegien aufzuheben, eine sozialistische Planwirtschaft aufzubauen und den Massen eine „effektive Betätigung in Politik und Verwaltung“ zu ermöglichen. Basis dieser neuen Gesellschaftsordnung sollten „urdemokratisch“ organisierte antifaschistische Ausschüsse sein. Sorgen wir dafür, dass dieses Manifest nicht in Vergessenheit gerät.
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