Nach unserer Kritik am Projekt der GL wurden wir von derselben dazu aufgefordert einen Antrag an das Projekt mit unseren Vorschlägen zu formulieren, so dass an der DV konstruktiv die politischen Differenzen ausdiskutiert werden können. Dieser Bitte sind wir mit diesem Antrag gerne gefolgt.
Die Forderungen des Projekts zur Erreichung von mehr Wirtschaftsdemokratie sollen ersetzt werden durch:
Zum Inhaltlichen:
Das Projekt der GL geht mit seinem Fokus auf das Verhältniss von Arbeit und Kapital im Betrieb und dem Stellen der Machtfrage in der Gesellschaft in die richtige Richtung. Die GL nimmt sich den Kampf für den Sozialismus zum Ziel was sehr zu begrüssen ist. Dieser Antrag soll eine taktische Anpassung der Forderungen darstellen welche unserer Meinung nach nötig ist um dieses Ziel auch zu erreichen. Wir stützen uns dabei auch auf das Aktionsprogramm, welches an der letzten JV verabschiedet wurde, und in diesem Themenbereich klare Forderungen aufstellt. Der vorliegende Vorschlag wird dem nicht gerecht.
Zur Kritik:
Das Projekt der GL fordert grundsätzlich, dass die Angestellten aller Unternehmen je zur Hälfte am Gewinn und an den Entscheidungen des Unternehmens beteiligt werden. Die Gewinne, welche den ArbeiterInnen zufallen, sollten dann in einem Fond landen, welcher von den ArbeiterInnen selbst verwaltet wird. Diese Forderung ist zutiefst sozialpartnerschaftlich geprägt. Sie stellt sozusagen die Vollendung der Sozialpartnerschaft dar, wo Arbeit und Kapital gleichberechtigt miteinander die Wirtschaft führen und sich den Ertrag teilen. Uns muss dabei bewusst sein, dass diese Forderung sehr utopisch ist und ihre konkrete Umsetzung nicht realistisch ist, oder zumindest nicht in unserem Sinn, also im Interesse einer radikalen sozialistischen Umwälzung der Gesellschaft, umgesetzt werden kann. Die ganze Geschichte der Sozialpartnerschaft hat immer wieder gezeigt, dass konkrete Errungenschaften, welche aus ihr resultieren, zwingend immer dem Klassenkampfniveau und dem Bewusstsein der Massen hinterherhinken. Man kann also sagen, dass eine Umsetzung dieser Forderung nur in einer Situation geschehen kann, in der sie den Klassenkampf dämpft und somit einen reaktionären Charakter einnimmt. Dies liegt daran, dass die Bürgerlichen immer nur dann bereit sind, Zugeständnisse zu machen und die damit verbundenen Profiteinbussen zu akzeptieren, wenn sie dadurch weitergehende Forderungen abwehren können. Das heisst, wenn die Arbeiterklasse tatsächlich stark genug ist, um eine solche Forderung nach Abgabe eines wichtigen Teils der Verfügungs- und Profithoheit der Kapitalisten über die Unternehmen durchzusetzen, hat sie die Macht de Facto in ihren Händen. In einer solchen Situation wäre es ein grober Fehler, sich am kapitalistischen System festzuklammern, das Privateigentum grundsätzlich unangetastet zu lassen und sich mit mehr „Mitbestimmung“ zu begnügen. Gerade weil diese Forderung den Kapitalismus als System unangetastet lässt, ist ihre Umsetzung auch nicht so möglich wie sich das die GL vorstellt. In der Realität wären die Entscheidungsgremien, welche die ArbeiterInnenklasse stellen würde, genauso der kapitalistischen Logik ausgesetzt, wie das Management der Besitzenden. Sie befänden sich mitten im Spannungsfeld zwischen Arbeit und Kapital, in welchem sie sich letztendlich zugunsten des Kapitals entscheiden müssten, um die Firma als ganzes nicht zu gefährden. Die ArbeiterInnen eines Betriebes würden wie die Besitzenden in Konkurrenz treten zu den ArbeiterInnen eines anderen Betriebes. Auch die enormen Geldsummen, welche diesen Fonds plötzlich zur Verfügung stünden, würden zudem innert kürzester Zeit zu Eigeninteressen an führenden Positionen in der ArbeiterInnenbewegung führen, was eine massive Bürokratie erschaffen würde. Es würde eine Arbeiteraristokratie entstehen, welche sich sehr schnell von den Arbeitern in den Ateliers und Grossraumbüros entfremden würde.
Die Sozialpartnerschaft als Institution beruht ja gerade auf dem Kräfteverhältnis zwischen Arbeit und Kapital. Fortschritte in diesem Bereich basieren immer auf dem Druck von unten und der Organisation in den Betrieben. Wir können im momentanen Zustand der Schwäche und des niedrigen Klassenkampfes nicht einfach die Initiative als Abkürzung nehmen.
Der Gedanke, dass es möglich ist, den Kapitalisten per Initiative die Entscheidungsfreiheit über ihren Besitz und gleichzeitig die Hälfte des Gewinns wegzunehmen, verstrickt sich bei genauerem Hinsehen ebenfalls in grosse Widersprüche. Die Aktienkurse würden völlig zusammenbrechen, wenn von einem Tag auf den anderen die Dividenden halbiert würden. Das Kapital würde abfliessen, oder die Firma ins Ausland verlagert werden. Kein Kapitalist würde solche Verwertungsbedingungen akzeptieren. Die Frage des Eigentums muss daher gestellt werden. Wir dürfen uns nicht länger vormachen, dass der Kapitalismus zu unseren Gunsten gezähmt werden kann. Und dürfen, auch wenn dies nicht die Absicht der GL gewesen sein mag, keine weitere Illusionen in seine Reformierbarkeit wecken.
Es wäre daher auch ein Fehler, die Forderung so zu stellen wie die GL dies tut. Obwohl der Vorschlag insofern in die richtige Richtung geht, als dass er die Fragen von Arbeit und Kapital überhaupt auf die politische Bühne bringt, so tut er dies in einer verzerrten Form. Denn wenn wir uns schon die Plattform schaffen, auf welcher wir Fragen wie „Wer entscheidet in den Betrieben und auf welcher Grundlage basieren diese Entscheidungskompetenzen?“, „Wer erarbeitet den Mehrwert in den Betrieben?“ und „Wer kennt die Produktionsabläufe am besten und sollte Entscheidungskompetenzen haben, sie zu verbessern?“ sollten wir auch die korrekten Antworten geben. Diese sind klar: es sind die ArbeiterInnen, die den Mehrwert erschaffen, sie wissen was im Betrieb läuft und sie wissen was man verbessern sollte. Gleichzeitig und widersprüchlicherweise liegt aber der Besitz und die Entscheidungskompetenz bei den Kapitalisten. Diese Analyse ist so offensichtlich, dass sie nicht weiter erläutert werden muss. Was jedoch die politischen Schlüsse angeht, welche daraus folgen müssen, scheint weniger klar zu sein. Im Aktionsprogramm, welches an der letzten JV verabschiedet wurde, haben wir folgendes geschrieben:
„Der Sozialpartnerschaft stellen wir die Bildung von kämpferischen und unabhängigen Betriebsgruppen und Betriebsräten gegenüber – in ihnen sehen wir Keimzellen einer zukünftigen sozialistischen Gesellschaft. Sie werfen konkret die Frage auf, wer im Betrieb die Macht hat: der Besitzer oder die ArbeiterInnen.
Wie bei der 1:12- Initiative werden die Besitzenden die Unmöglichkeit darlegen, unsere Forderungen zu verwirklichen. Wir glauben das erst, wenn wir es selber gesehen haben: Die Offenlegung aller Geschäftsbücher muss her. Die Lohnabhängigen müssen detailliert wissen, warum an ihnen gespart werden soll, warum ihr Arbeitsplatz verlagert wird, und wo der von ihnen erarbeitete Reichtum hinfliesst. Gleichzeitig erhält die arbeitende Bevölkerung die Entscheidungsgrundlagen, um zukünftig die Gesellschaft selber steuern zu können. Die Einsicht in die Geschäftsbücher ist der erste Schritt zur Kontrolle der Produktion durch die Gesellschaft.
Beginnt ein Betrieb zu entlassen oder droht mit Abwanderung, fordern wir dazu auf den Betrieb unter der demokratischen Kontrolle der Lohnabhängigen zu verstaatlichen. Weiter müssen Unternehmen mittels Kapitalausfuhrkontrollen an der Abwanderung gehindert werden. Die Kapitalisten dürfen gerne das Land verlassen, doch der von uns erarbeitete Reichtum beziehungsweise die Produktionsmittel bleiben hier. Wenn die Schlüsselindustrien in die öffentliche Hand übergehen, können sie der Profitlogik entzogen und dem Willen der Menschen unterstellt werden.“
Dieser Ausschnitt zeigt klar, was unsere Forderungen sind. Es geht nicht um die Hälfte der Bäckerei, sondern um die ganze! Es ist deshalb unverständlich, dass die GL dennoch die Sozialpartnerschaft als oberstes Ziel definieren will. Auf diese Weise schaffen wir grosse Illusionen in die Reformierbarkeit des kapitalistischen Systems und präsentieren die Kapitalisten als valable Partner im Gestaltungsprozess einer neuen Wirtschaftsordnung. Wir fordern die GL deshalb dazu auf sich an die Forderungen im Aktionsprogramm zu halten. Anstatt 50% Mitbestimmung, fordern wir die Offenlegung der Geschäftsbücher und ArbeiterInnenkontrolle in den Betrieben. Wenn sich Missstände offenbaren sollen die ArbeiterInnen einer Firma das Recht haben demokratisch die Enteignung der Firma und die Verstaatlichung unter ArbeiterInnnenkontrolle zu erwirken. Auf diese Weise schaffen wir weder eine Partnerschaft mit den Bürgerlichen noch laufen wir Gefahr dass wir selbst letztlich die Verantwortung tragen müssen für die Auswüchse der kapitalistischen Marktwirtschaft. Im Gegenteil offenbaren wir die dreckigen Machenschaften der Kapitalisten und schaffen uns ein Mittel sie zu vertreiben und die Betriebe zu Vergesellschaften.
Sagen wir wer wir sind und was wir wollen. Nur so können wir mit dieser Initiative die Partei und unsere Bewegung im Kampf für den Sozialismus wirklich vorwärts bringen.
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