Nein zum Ausnahmezustand in Katalonien! Für demokratische Rechte und Freiheiten und das Selbstbestimmungsrecht des katalanischen Volkes! Die Gewerkschaften CCOO, UGT und CGT müssen in Katalonien einen 24-stündigen Generalstreik organisieren!
Zigtausend Menschen sind auf die Straßen Kataloniens gegangen, um das Referendum am 1. Oktober und die Selbstverwaltung Kataloniens zu verteidigen. Gleichzeitig nimmt die Polizeirepression zu und besteht faktisch Ausnahmezustand. Es kam zur Aushebelung der Generalitat (katalanische Landesregierung, d.Ü.), Festnahme von 16 führenden Regierungsfunktionären, Hausfriedensbruch und Durchsuchung der Zentrale der Partei CUP durch Polizeikräfte ohne richterliche Anordnung. Die Lage nähert sich dem Siedepunkt einer revolutionären Situation.
Die Zentralregierung und ihr Staatsapparat haben politische Veranstaltungen, das Anbringen von Plakaten und die Verteilung von Infomaterial verboten. Sie haben Druckereien besetzt, Stimmzettel beschlagnahmt und Bürgermeistern sowie anderen ranghohen Amtsinhabern Gefängnisstrafen angedroht. Die Regierung Rajoy hat die Finanzen der Generalität konfisziert und ihre Konten gesperrt.
Diese Staatsrepression hat aber nur dazu geführt, dass immer mehr Menschen fest entschlossen sind, das Referendum am 1. Oktober zu verteidigen und an ihm teilzunehmen. Wir von Lucha de Clases haben von Beginn an dieses Referendum bedingungslos unterstützt. Es ist ein elementares demokratisches Recht des katalanischen Volkes, frei abzustimmen, welches Verhältnis es zum restlichen spanischen Staat haben möchte. Dazu gehört als Option auch die staatliche Unabhängigkeit. Einheit, die ein solidarisches Zusammenleben und eine gemeinsame Entwicklung stärken kann, funktioniert nur auf der Grundlage von Freiwilligkeit. Dafür stehen wir ein.
Die spanische Verfassung von 1978, auf die sich die dunklen Kräfte der Reaktion berufen, wenn sie jetzt dem katalanischen Volk die demokratischen Rechte nehmen, hat keine politische und moralische Autorität mehr. Sie hat sich als undemokratisch erwiesen und schränkt in der Praxis grundlegende demokratische Rechte ein. Die konservative Volkspartei PP, die liberale Ciudadanos-Partei und die sozialdemokratischen Führungskräfte der PSOE widersetzen sich einer Verfassungsreform mit dem Ziel eines Selbstbestimmungsrechts. Dabei wären nach Umfragen rund 70 Prozent der Bevölkerung Kataloniens für ein Selbstbestimmungsrecht.
Daher ist angesichts der Blockadehaltung der Parlamentsmehrheit des Zentralparlaments der zivile Ungehorsam die einzige mögliche und realistische Alternative. Also ein Bruch mit dem bestehenden gesetzlichen Unrecht und eine Bewegung, die sich auf das Bewusstsein von Millionen Menschen auf der Straße stützt, um dieses Referendum durchzuführen.
Was nun?
Die Generalitat und die liberal-bürgerliche katalanische Unabhängigkeitspartei PDeCat fürchten eine Entwicklung, die sie nicht mehr kontrollieren können und die in einen revolutionären Ausbruch mündet. Sie fürchten, dass sie keinen Spielraum für Manöver mehr haben, um mit der zentralspanischen Regierung auf den letzten Drücker doch noch einen Deal abzuschließen oder um das Ende des „Prozesses“ einzuleiten, wobei eine Abstimmung unmöglich wird.
Noch mehr fürchten sie eine Bewegung, die der Bevölkerung das Gefühl vermittelt, dass die Macht auf der Straße liegt, dass sich die Arbeiterklasse massiv einmischt und ihre Klassenforderungen erhebt, für soziale Gerechtigkeit, gegen Ausbeutung der Arbeitskraft, und für eine Verbindung der demokratischen, nationalen Forderungen mit sozialistischen Forderungen. Der Kampf Kataloniens ist daher absolut fortschrittlich und birgt ein revolutionäres und sozialistisches Potenzial in sich, das auf den gesamten spanischen Staat ausstrahlen kann.
Die einzige Möglichkeit, das Referendum am 1. Oktober zu retten, besteht darin, dass der Kampf auf der Straße ausgetragen wird. Die Tricks und Manöver der Generalitat zur Absicherung des Urnengangs am 1. Oktober sind an ihre Grenzen gestoßen, während die staatliche Unterdrückung einen Schlag nach dem anderen versetzt. Wir können nur auf die Massenmobilisierung und die Stärkung des Bewusstseins der Bevölkerung setzen.
Die spanische Linke ihrerseits muss noch viel mehr Veranstaltungen organisieren und das zentralstaatliche Verhalten anprangern, um damit den Blick für die Gefahren eines autoritären Rückschritts des spanischen Staats innerhalb und außerhalb Kataloniens zu schärfen. Dabei muss klar sein, dass die Einheit der Völker im spanischen Staat nur durch eine freiwillige Entscheidung aller Betroffenen möglich ist. Die Arbeiterbewegung ist in dieser Situation der Schlüssel für eine fortschrittliche Lösung.
Für einen 24-stündigen Generalstreik
Die Gewerkschaften CCOO, UGT und CGT haben vorab erklärt, dass sie es nicht hinnehmen würden, dass die Regierung Rajoy gegen die katalanische Autonomie interveniert und dem Volk verbietet, seinen freien Willen kundzutun. Nun ist dies eine Realität. Daher müssen jetzt den Worten Taten folgen. Nur die Arbeiterbewegung hat die Kraft, den Zusammenhalt und die Macht, um die aus der Bevölkerung kommenden Forderungen zu bündeln und sich erfolgreich der staatlichen Repression zu widersetzen.
Nachdem bereits ein Teil der Bevölkerung auf die Straße gegangen ist, kann die arbeitende Klasse nicht zurückbleiben und abseits stehen. CCOO, UGT und CGT müssen einen 24-stündigen Generalstreik in ganz Katalonien ausrufen und organisieren. Jetzt ist die Zeit gekommen. Die Arbeiterbewegung in Katalonien ist jetzt am Zuge und muss sich entscheiden, in welche Waagschale sie ihr Gewicht werfen will. Der Generalstreik muss von einer größtmöglichen Bewegung aus der Bevölkerung begleitet werden. Dazu sind Komitees zur Verteidigung des Referendums in allen Stadtteilen, Ortschaften und Betrieben nötig. Ihr Auftrag liegt zudem darin, den Erfolg des Streiks und die Bedingungen für die Ausübung des Wahlrechts am 1. Oktober abzusichern. Auge in Auge mit vielen tausend arbeitenden Menschen auf der Straße könnten die staatlichen Unterdrückungskräfte dieses Referendum nicht verbieten. Sollte die Zentralregierung nach dem Generalstreik weiter an ihrer repressiven Politik festhalten, so wäre die Einberufung einer allgemeinen Vollversammlung der Delegierten dieser Komitees für ganz Katalonien erforderlich.
Nachdem die Generalitat ihrer Kompetenzen beraubt wurde, müsste diese Vollversammlung als einzige echte demokratische Volksvertretung des katalonischen Volkes alle Kompetenzen als revolutionäre verfassungsgebende Versammlung in die Hände bekommen und eine eigene neue Regierung wählen, die die Intervention und Bevormundung des Zentralstaats nicht anerkennt und eine volle Mobilisierung zur Abstimmung am 1. Oktober herbeiführen. Nur eine Regierung von unten mit diesen Eigenschaften und der maßgeblichen, führenden Rolle der arbeitenden Klasse Kataloniens kann den im Referendum ausgedrückten Mehrheitswillen des katalanischen Volkes bestätigen und umsetzen. Dieser Kampf hat mit demokratischen Forderungen begonnen und gleichzeitig soziale Forderungen und die Frage der kapitalistischen Ausbeutung auf die Tagesordnung gesetzt. Daher ist die Bündelung der Forderung nach einer demokratischen Republik mit der Forderung nach einer sozialistischen Republik eine Tagesaufgabe des linken und sozialistischen Flügels in diesem katalanischen Autonomieprozess.
Sicherlich wünschen viele spanische Arbeiter aufrichtig die Einheit und keine staatliche Unabhängigkeit Kataloniens. Aber in dieser Frage hat das katalanische Volk das letzte Wort. Zweifellos schreckt ein Zentralstaat in der Tradition des Franco-Regimes die große Mehrheit der Katalanen ab, aber ein republikanisches und sozialistisches Spanien hätte eine riesige Anziehungskraft für Katalonien und die angrenzenden Länder.
Wir sind an einem historischen Moment angekommen. Das 78-er Regime geht in die Brüche und demonstriert seine komplette Korruption. Die Franco-Anhänger haben den Staat wieder voll in ihrer Hand und setzen damit die Mehrheit der Arbeiterklasse der Ausbeutung, Prekarisierung und dem Leiden aus.
Es gibt eine breite gesellschaftliche Gärung. Nach Jahren der Lähmung erleben wir eine Wiederbelebung der Arbeiterbewegung und der Streikaktivitäten. Die Wut über Arbeitsbedingungen und Löhne breiter Schichten der arbeitenden Klasse wächst. Vor wenigen Tagen marschierten 30.000 Menschen durch Linares (Jaén) und forderten Arbeitsplätze. In Algeciras demonstrierten 20.000 Menschen für ein öffentliches Gesundheitswesen.
In Murcia protestierten Tausende gegen eine Mauer entlang der Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke. Ein mutiges Vorbild aus Katalonien kann die gesellschaftliche Gegenwehr fördern und das politische Bewusstsein von Millionen in Riesenschritten binnen weniger Wochen oder sogar Tage vorantreiben.
In Katalonien wie auch im restlichen spanischen Staat muss die Parole heißen: Gehen wir auf die Straße zur Verteidigung demokratischer Rechte und Freiheiten, gegen die Monarchie und das 78-er Regime. In letzter Konsequenz stellt sich am Horizont die Aufgabe des Kampfes für die sozialistische Republik in Katalonien und im restlichen spanischen Staat als erster Schritt in Richtung eines sozialistischen Europas und einer sozialistischen Welt.
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