Der Kampf um die von SP-Bundesrat Alain Berset ausgearbeitete Rentenreform spaltet die ArbeiterInnenbewegung, vor allem die Sozialdemokratie. Die SP- und Gewerkschaftsführungen haben sich mittlerweile hinter die Vorlage gestellt – trotz Senkung des PK-Umwandlungssatzes, Erhöhung des Frauenrentenalters und der Mehrwertsteuer. Gerade angesichts dieser Angriffe auf die Lohnabhängigen – insbesondere auf die arbeitenden Frauen – war es alles andere als gewiss, dass ihnen die Basis folgen würde.
Verspätetes Aufspringen auf den Zug
Genau darum ging es an der Delegiertenversammlung der SP vom 1. April – die DV beschloss die Lancierung der Urabstimmung über die «Reform», damit sich die Parteileitung dem Support der Basis versichern konnte. Dieser Schritt war bereits Ausdruck der Spaltung der SP und zeigte, dass in dieser Angelegenheit der Boden, auf dem die Führung steht, alles andere als stabil ist. Einige Wochen später flatterte das Abstimmungsmaterial mit einer Sonderausgabe der Parteizeitung «Links» in die Briefkästen der Parteimitglieder.
Die Abstimmungsinformationen waren eine Farce: 4/5 des Abstimmungsbüchleins waren ausgefüllt durch Argumente der SP-Geschäftsleitung (inklusive gefälschter Zahlen), während nur eine A5-Seite der Gegenposition gewidmet war. Angesichts dieser einseitigen Werbung war es dann auch kein Wunder, dass die Parteimitglieder die Rentenreform am 30. April mit 90% angenommen hatten.
Doch hier muss auch die Parteilinke, vor allem die JUSO, in die Verantwortung genommen werden: Es war ein Fehler, in dieser zentralen Debatte keine klare Position bezogen zu haben und nicht entschlossen innerhalb der Parteibasis für ein «Nein» gekämpft zu haben. Zwar wurde bereits an der Jahresversammlung im März über die Frage diskutiert, doch eine Resolution der Geschäftsleitung, welche für einen Kampf gegen die «Reform» aufrief, wurde vom rechten Parteiflügel mit technischen Argumenten gebodigt.
Damit wurde verhindert, dass die JUSO in den internen Debatten der SP und der ArbeiterInnenbewegung eine klare Position beziehen konnte, was der SP-Führung in die Hände spielte. Der Beitritt ins Referendumskomitee war korrekt, auf den Verlauf der Urabstimmung und die Debatten in SP und Gewerkschaften hätte er aber zu einem früheren Zeitpunkt einen grösseren Effekt gehabt. Jetzt gilt es, diese verlorene Zeit wettzumachen.
Ein linkes Nein!
Das Hauptargument der BefürworterInnen in der SP und den Gewerkschaften ist, dass ein «Nein» in erster Linie den Bürgerlichen in die Hände spielte, da diese ein Nein an der Urne als Vorwand für noch heftigere Angriffe auf die Renten auslegen würden. Doch mit dieser Haltung kapituliert man, ohne zu kämpfen. Eine kämpferische Kampagne gegen diese «Reform» ist die einzige Möglichkeit, sowohl den jetzigen Rentenklau als auch eine noch schlechtere Version der Bürgerlichen zu bekämpfen. Akzeptieren wir jetzt aber das «kleinere Übel», so tragen wir Angriffe auf die Renten mit, womit die SP einmal mehr ihre Glaubwürdigkeit als ArbeiterInnenpartei verspielt.
Des Weiteren ist es falsch zu glauben, dass der bürgerlichen Mehrheit im Parlament eine «bürgerliche Mehrheit» im Volk entspräche. Gerade die Altersvorsorge ist eine linke Bastion und die Schweizerische Bevölkerung hat sich in der Vergangenheit immer wieder gegen Angriffe auf die Renten ausgesprochen. Auch die Basis der SVP, vor allem ihre bäuerlichen und lohnabhängigen AnhängerInnen, hatten bereits in der Vergangenheit wiederholt gegen die Parteiführung rebelliert, wenn es um die Altersvorsorge ging (etwa bei der BVG-Revision von 2010, die mit 72,7% abgelehnt wurde).
Es hängt also von der Linken ab. Das Verhalten der SP-ParlamentarierInnen zeigt einmal mehr das Scheitern des Reformismus auf: Sobald die Bürgerlichen nicht mehr bereit sind, Zugeständnisse an die ArbeiterInnenbewegung zu machen, weicht man von seinen Forderungen ab und akzeptiert faule Kompromisse. Gilt doch gerade in heutigen Zeiten: Die einzige Möglichkeit, Angriffe abzuwehren, ist der entschlossene Widerstand.
Julian Scherler
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