Die Internationale hallte durch den Raum. Jonas Projer, Moderator der Arena, eröffnet die Sendung mit dem Titel Kapitalismus oder Klassenkampf mit der Frage an Christian Levrat, sie wollen den Kapitalismus überwinden; in welchem Jahrhundert leben sie eigentlich? Neben FDP Präsidentin Petra Gössi haben sie das Neoliberale Haudegenfossil Franz Jäger wieder ausgegraben, um die bürgerliche Front gegen den Klassenkampf zu formen. Als Experte liess sich Rudolf Strahm für die bürgerliche Sache einspannen. Die durchorchestrierte Hetzrunde liess den Kalten Krieg neu aufleben, mit dem Ziel die SP als ewiggestrige Klassenkampfpartei abzustempeln und den Konflikt innerhalb der SP weiter anzustacheln. Doch was steckt eigentlich hinter dieser heftigen Reaktion der Bürgerlichen auf ein Positionspapiersvorschlag der SP und was steckt hinter dem Papier selbst?
Wer das Papier der SP liest, erkennt schnell, dass sich nicht fundamental etwas geändert hat in der politischen Analyse und den Forderungen der Sozialdemokratie. Die Demokratisierung der Wirtschaft, als eine Hauptstossrichtung der Partei, wird schon seit Jahren in vielen Grundsatzpapieren der SP entwickelt. Die Überwindung des Kapitalismus steht seit der Gründung der Partei im Parteiprogramm und dieses Ziel wurde zuletzt vor 6 Jahren vom Parteitag bestätigt. Obwohl die meisten Forderungen in diesem Neuen Wirtschaftspapier progressiven Charakter haben und aus unserer Sicht durchaus unterstützenswert sind, bewegen sie sich dennoch klar auf dem Terrain des bestehenden Systems. Die Überwindung des Kapitalismus spielt dabei die Rolle einer fernen Utopie, wie das typisch ist für reformistische Politik. Dass es dennoch eine solch heftige Reaktion der herrschenden Klasse provozierte, ist Ausdruck von tieferliegenden Prozessen, welche den Rahmen der Schweizer Politik sprengen.
Wir haben in unseren Artikel und Perspektiven immer wieder die Auswirkungen der kapitalistischen Krise auf das Bewusstsein der Lohnabhängigen analysiert und festgestellt, dass fundamentale Veränderungen stattfinden. Die Perspektive einer langfristigen Stagnation des Systems kombiniert mit konstanten Angriffen auf den Lebensstandard hat den Glauben in dieses System und seine Institutionen weltweit erschüttert. Es präsentiert sich auf internationaler Ebene ein Bild von schnellen und unerwarteten Veränderungen in der politischen Landschaft und von einer Polarisierung sowohl nach rechts als auch nach links. Die Lohnabhängigen suchen nach einem Ausweg aus der Krise und stellen die politischen Lösungen, die ihnen präsentiert werden, auf die Probe. Neue Kräfte erleben einen schnellen Aufstieg und traditionelle Parteien, welche den Status Quo vertreten, verlieren zunehmend an Unterstützung. Der Brexit und nun die Wahl von Donald Trump bestätigen diese Perspektive eindrücklich. Das Unerwartete wird zur neuen Normalität.
Die Schweiz wurde zwar noch nicht im selben Ausmass von der Krise getroffen, dennoch sind mit den Sparmassnahmen, den Angriffen auf die Arbeitsbedingungen und den Flüchtlingsströmen spürbare Auswirkungen klar festzustellen. Zudem ist die Entwicklung der Krise in anderen Ländern für alle in der Schweiz sichtbar und zeichnen eine düstere Zukunft. Diese Prozesse gehen nicht spurlos am Bewusstsein der Schweizer Lohnabhängigen vorbei. Es herrscht grosse Unsicherheit. Die SVP macht sich genau diese zunutze und hat sich mittlerweile als stärkste politische Kraft im Land etabliert. Sie präsentiert sich als Partei der kleinen Leute und bedient sich der Fremdenfeindlichkeit, um Scheinlösungen zu den Auswirkungen der Krise zu präsentieren. In Wahrheit ist sie jedoch längst die wichtigste Partei der herrschenden Klasse in der Schweiz geworden. Vordergründig scheint die Bourgeoisie also fest im Sattel zu sitzen. Diese Stabilität ist jedoch äusserst fragil. Die Politik der SVP ist nicht im Interesse der Lohnabhängigen und auch nicht der eigenen Wählerbasis. Dieser Widerspruch muss irgendwann aufbrechen.
Eine klassenkämpferische Sozialdemokratie ist daher ein Horrorszenario für die herrschende Klasse, weil damit der Radikalisierung in der Bevölkerung ein Ausdruck verliehen werden könnte, den sie nicht mehr unter Kontrolle haben und der ihre Interessen direkt in Gefahr bringt. Es reichte daher der kleine Medienhype, um den Richtungsstreit in der SP, damit die Bürgerlichen es für nötig befanden, die Arena zum Schauprozess umzufunktionieren. Scheinbar wurde in ein Wespennest gestochen. Dies obwohl der Inhalt des Papiers wie gesagt sehr unspektakulär ist. Ähnlich unspektakulär verlief dann auch die Diskussion. Während die Bürgerlichen auf die SP eindroschen, versuchte Levrat in einer Gelassenheit die Vorwürfe des Klassenkampfes abzuwehren und die Forderungen herunterzuspielen. Statt die heftige Reaktion als Bestätigung einer Klassenkämpferischen Politik zu begreifen und sie weiterzutreiben, versuchte er sich als weiterhin verlässlichen Partner und systemtragenden Politiker zu präsentieren.
Einzig Rapper Tommy Vercetti traf den Nagel auf den Kopf, als er sagte, es sei nicht eine Frage ob jemand zum Klassenkampf aufrufe oder nicht, sondern eine Tatsache, dass der Klassenkampf objektiv existiert. Dieser Punkt ist zentral. Der Klassenkampf ist Ausdruck der Widersprüche im kapitalistischen Systems und nicht eines Parteiprogramms. Die Sozialdemokratie kann sich dieser Realität nicht verschliessen. Unter den Bedingungen der Krise, in der sich diese Widersprüche verschärfen, müssen sie den Klassenkampf zu ihrem Programm machen oder sie werden von den Ereignissen überholt und verschwinden in der Bedeutungslosigkeit. Wir unterstützen daher die angestossenen Debatten in der SP und fordern einen radikalen Kurswechsel. Dieses Papier ist ein erster Schritt und eine erste Probe, ob die Parteiführung wirklich gewillt ist, den Linkskurs gegen den rechten Flügel durchzusetzen. Dies allein reicht jedoch nicht aus. Es braucht ein klares sozialistisches Programm, dass die Überwindung des Kapitalismus von einer Floskel zum zentralen Element unserer politischen Praxis macht. Die Reaktion der Schweizer Bourgeoisie auf erste Anzeichen einer solchen Neuausrichtung der SP sollten uns zuversichtlich stimmen, dass wir ihren wunden Punkt gefunden haben.
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