Die Erbschaftssteuer-Initiative der JUSO wurde deutlich abgelehnt. Sie erhielt nur 21 % Unterstützung. Das ganze bürgerliche Establishment feiert erleichtert. Sie hatten 3,7 Millionen Franken in eine fette Gegenkampagne voller Drohungen gesteckt. Das zeigt ihre (berechtigte!) Angst vor dem wachsenden Unmut gegen die Milliardärsklasse.
Niemand hat mit der Annahme gerechnet. Aber gegenüber früheren JUSO-Initiativen (1:12, Speku-Stopp, 99%) ist die Unterstützung doch sehr klar eingebrochen. Das wirft Fragen auf.
Die RKP hat die Initiative unterstützt, auch wenn wir Kritik an ihrer reformistischen Begrenztheit hatten. Wir rufen alle JUSOs und Unterstützer der Initiative auf, sich diesen Fragen nüchtern und ehrlich zu stellen und die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen. Hier ist unsere Einschätzung.
Das liegt sicher nicht am fehlenden Unmut über die soziale Ungleichheit in der Schweiz. Die «Kluft zwischen Arm und Reich» wird mittlerweile von fast 60 % als die wichtigste Spaltung in der Gesellschaft verstanden (Studie polarisierung.ch, Dez. 2024).
Die Schlussfolgerung der NZZ, es gäbe in der Schweiz heute keine Basis für Klassenkampf, ist komplett falsch. Nach einer Serie von verlorenen Abstimmungen hofft die Kapitalistenklasse, dass der Wind jetzt gedreht hat. Das ist Wunschdenken. Nach Jahren der kapitalistischen Krise wachsen die Ablehnung des Status Quo und der Hass auf «die da oben». Alle Zeichen zeigen, dass die Klassenkämpfe zunehmen werden.
Aber die Initiative hat es nicht geschafft, sich mit dieser Stimmung zu verbinden. Sie konnte keinen Enthusiasmus entfachen. Weder bei den breiteren Massen noch bei den radikalsten Schichten. Schon die unterdurchschnittliche Stimmbeteiligung (43 %) weist darauf hin. Das stellt die Frage: Warum nicht?
Initiativen sind ein schlechtes Terrain für sozialistische Politik. Es ist unmöglich, per Initiative ernsthafte Reformen durchzusetzen, die gegen das Interesse der Kapitalisten gehen.
Das heisst nicht, dass Initiativen im Kampf gegen die Kapitalisten prinzipiell falsch sind. Wir sind zwar der Ansicht, dass sie für kleine Parteien wie die RKP – und auch die JUSO – heute nicht der effektivste nächste Schritt in einer nachhaltigen revolutionären Strategie sind.
Aber Initiativen können ein sinnvolles Mittel sein: Nicht für Reformen, sondern für den Aufbau der sozialistischen Kräfte zur Verankerung in der Arbeiterklasse und der Jugend. In dieser Verankerung liegt der wirkliche Hebel im Kampf gegen die Kapitalisten. Aber dafür müssen die Fragestellung und die Kampagne auf dieses Ziel ausgerichtet sein. Das ist der JUSO nicht gelungen.
Die Initiative hat zwar korrekt am Klassengegensatz angesetzt: Die Reichen sollen für die Klimakrise zahlen! Aber sie blieb inkonsequent und verharrte in der reinen Stellvertreterlogik.
Sie zeigte auf die Reichen, die verantwortlich sind für die Klimakrise. Aber sie wies vor allem auf ihren luxuriösen Konsum hin, statt zu erklären: Die kapitalistische Produktion ist das Problem. Die Arbeiterklasse schafft den ganzen Reichtum, aber die Unternehmen sind heute in privaten Händen, die für den Markt und Profit produzieren – ohne Rücksicht auf Menschen und Umwelt.
Ohne dieses Verständnis glitt die Argumentation in einen zahnlosen Moralismus ab, auf den mittlerweile viele fast schon allergisch sind. Statt ihre Rolle und ihre potenzielle Macht aufzuzeigen, sagte die Initiative der Arbeiterklasse: Euch braucht es nicht, die Reichen sollen Geld einfach an den bürgerlichen Staat geben, der dann irgendetwas fürs Klima machen soll. Das wirkt nicht aktivierend.
Es gibt heute eine bedeutende Schicht von radikalen, jüngeren Menschen, die ernsthaft gegen Reiche und die Klimakrise kämpfen wollen. Aber gerade ihnen lieferten die Initiative und die Kampagne keine überzeugenden Antworten, wie wir das sinnvoll tun können.
Nein, im Gegenteil! Die Heftigkeit der Gegenkampagne zeigt, dass sie die Kapitalisten an einem wunden Punkt traf.
Aber die JUSO konnte den Drohungen der herrschenden Klasse (Abwanderung, negative Konsequenzen für «die Wirtschaft» und Arbeitsplätze) nichts Überzeugendes entgegensetzen. Sie wich aus und versuchte zu besänftigen. Das zeigt Schwäche, wirkt inkohärent und hat einen demoralisierenden und demobilisierenden Effekt.
Gegen die Drohungen der Kapitalisten muss man konsequent in die Gegenoffensive gehen und die grundlegenden Klassenlinien aufzeigen:
Sie sagen, die Initiative schade der Wirtschaft? Wir sagen: Eure kapitalistische Wirtschaft ist heute in der Krise und bringt für die Arbeiterklasse nur noch Sparmassnahmen, steigende Prämien, Preise und Mieten, Kriege und Klimakatastrophen. Ihr rettet eure Profite auf Kosten der Arbeiterklasse und der Umwelt.
Sie drohen mit Abwanderung? Wir sagen: Ihr dürft als Einzelperson gerne gehen, wohin ihr wollt – aber dann müssen wir eure Unternehmen enteignen und unter die demokratische Kontrolle der Arbeiterklasse stellen. Wir können uns nicht leisten, dass ihr als winzige Minderheit von Kapitalisten eure Privilegien über die Interessen der Arbeiterklasse stellt, die täglich die Gesellschaft zum Laufen bringt!
Wir sagen nicht, dass man damit heute eine Mehrheit gewinnen würde. Aber wir sollten nicht unterschätzen, wie gross das Potenzial für konsequente Anti-Estblishment-Politik ist. Viele, die heute – frustriert von allen Parteien und Politikern – kaum mehr abstimmen oder gar nicht dürfen, warten nur darauf, dass endlich jemand felsenfest hinsteht, nicht einknickt und gegen dieses Establishment zurückschlägt.
Auf jeden Fall, und das ist das Wichtigste, hätte es der radikalisierten Jugend einen Motivationsboost gegeben. Also genau jener Schicht, die zum Träger und Multiplikator für eine klassenkämpferische Kampagne hätte werden müssen. Denn es hätte ihrem Willen einen Sinn und Zweck gegeben, eine Methode und Klarheit, wie wir den Klassenkampf führen – und damit eine Perspektive, für die es sich lohnt, sich zu engagieren.
Der Weg vorwärts ist sicher nicht weniger Radikalität. Aber radikaler sein heisst nicht, lauter und hässiger zu schreien. Es heisst, im Inhalt der Klassenpositionen konsequenter und standfester zu sein.
Wir zweifeln nicht am ehrlichen Willen der JUSOs, den Klassenkampf gegen die Reichen zu führen. Aber diese Schwächen, die Strategielosigkeit und das inkonsequente Einknicken sind kein Zufall. Sie kommen aus der reformistischen Herangehensweise der JUSO: Es ist eine Frage der Ideen und der Methode. Eine ernsthafte sozialistische oder kommunistische Partei braucht ein tiefes Verständnis des Marxismus und eine daraus abgeleitete revolutionäre Strategie.
Die JUSO-Führung sagt, die Initiative sei dennoch ein Erfolg, weil es ihr gelang, wichtige «Themen ins Zentrum setzen». Wir sind die letzten, die den Erfolg einer Wahl oder Abstimmung auf die Höhe der Zustimmung an der Urne reduzieren.
Aber die Aufgabe einer sozialistischen Partei ist es nicht, Fragen oder Themen aufzuwerfen. Die Arbeiterklasse und die Jugend sehen die Ungleichheit und die Klimakrise schon selbst.
Die Aufgabe ist es Antworten zu geben: Zu erklären, warum das so ist und die Leute auszurüsten mit einem Plan und einem Verständnis, wie wir effektiv gegen den Kapitalismus kämpfen können.
Ihre Aufgabe ist es, die radikalste Schicht zu organisieren und auszubilden. So kann sie mit wachsender numerischer Stärke und steigender inhaltlicher, programmatischer Qualität in den tatsächlich laufenden Kämpfen (z.B. Palästina, Sparmassnahmen etc.) intervenieren, um ein konsequentes Programm gegen die Kapitalisten zu verankern.
Das ist zumindest, wovon wir in der RKP fest überzeugt sind und worauf wir all unsere Energie fokussieren.
Arbeiterbewegung — von Seraina Weber, Genf — 01. 12. 2025
(Konter-)Revolutionen nach 1945 — von David Rey, OCR Spanien — 20. 11. 2025
Gewerkschaften — von RKP Schweiz — 19. 11. 2025
Theorie — von Sina Menn, Bern — 18. 11. 2025