Am Sonntag, 10. Februar um 23:00 Uhr standen die Maschinen in der Druckerei der „Basler Zeitung“ still. Die rund 96 betroffenen ArbeiterInnen, die von der Schliessung der Druckerei betroffen sind, wehrten sich gemeinsam mit den sich solidarisierenden GewerkschafterInnen und Jusos, gegen den respektlosen Sozialplan. Auch die Ziegler-Druckerei in Winterthur, musste sich am 3. März mit einem Warnstreik zur Wehr setzten, da sie für immer mehr Arbeit immer weniger Lohn bekommen. In beiden Fällen erhielten sie tatkräftige Unterstützung der Gewerkschaft Syndicom.
Seit der Übernahme der Zeitung durch Blocher ging es mit dem Zeitungsinhalt politisch nach rechts und darum mit dem Zeitungsverkauf nach unten. Neben dem Rückgang der Auflage ist auch der selbstverschuldete Verlust des Druckauftrags, einer Teilauflage der Coop-Zeitung, für die roten Zahlen der Druckerei verantwortlich. Wegen den Verlusten, die die Druckerei verzeichnete war Anfang Januar die Schliessung der Baz- Druckerei beschlossene Sache. Davon betroffen sind 96 ArbeiterInnen. Davon werden 72 ArbeiterInnen entlassen und 24 frühpensioniert, oder sie haben die „Chance“ in der Tamedia Druckerei in Zürich weiter zu arbeiten.
Überhebliches Pack
Die Gewerkschaft Syndicom erhielt von der Belegschaft der Druckerei das Mandat die Verhandlungen über den Sozialplan zu führen. Die Geschäftsleitung jedoch, akzeptierte die Syndicom nur als Beobachterin der Verhandlungen. Aber auch mit den ArbeiterInnen wollten sie nicht verhandeln, sondern ihnen lediglich Brosamen aufdrängen. So liess die Geschäftsleitung den Entwurf für den Sozialplan dem Amt für Wirtschaft zukommen, ohne ihn vorher der Belegschaft vorzulegen. Der Sozialplan, welcher das Papier nicht wert war, auf dem er geschrieben stand, wurde von der Belegschaft abgelehnt, und es wurden eigene Forderungen aufgestellt. So verlangten sie verlängerte Kündigungsfristen, Abgangsentschädigungen, Überbrückungsrenten und weiteres. Am 7. Februar jedoch lehnte die Geschäftsleitung Abgangsentschädigungen und Überbrückungsrenten kurzerhand ab, mit dem Verweis auf die finanzielle Lage der Druckerei.
Die Belegschaft entschied am selben Tag einstimmig auf der Forderung einer Abgangsentschädigung zu beharren. Nur unter der Bedingung, dass alle Mitarbeitenden pro Dienstjahr 1000 Franken erhielten, wären sie bereit den von der Geschäftsleitung vorgeschlagenen Sozialplan zu akzeptieren. Die von der Belegschaft gesetzte Entscheidungsfrist vom 8. Februar, liess die Geschäftsleitung verstreichen und ausrichten, dass sie erst Tage später Stellung dazu beziehen würden. Dies und weitere Respektlosigkeiten im Vorfeld, wie die Behauptung Rolf Bollmanns, die 60 Jährigen fänden problemlos eine Anstellung, als Beispiel auf sich selbst verweisend, brachten das Fass zum überlaufen. Ohne Anstoss von Seiten der Gewerkschaft entschieden sich die DruckereiarbeiterInnen ihre Arbeit Sonntagnacht nieder zu legen.
Streiken lohnt sich
Elf Uhr Nachts machten sich 80 ArbeiterInnen und UnterstützerInnen aus Gewerkschaften und der Juso vom Gewerkschaftshaus aus auf den Weg. Bei der Druckerei angekommen, holten die ArbeiterInnen ihre Kollegen aus dem Gebäude und stellten die Maschinen ab. Sie wurden von den draussen Anwesenden mit grossem Applaus empfangen. Gemeinsam wurden Heizstrahler, Tische, Bänke und ein Zelt aufgestellt, um das draussen in der Kälte ausharren etwas angenehmer zu gestalten. Die Stimmung unter den ArbeiterInnen war sehr enthusiastisch. Als die Geschäftsleitung verlauten liess, dass sie erst nach Abbruch des Streiks wieder bereit sei zu verhandeln, brachen die streikenden ArbeiterInnen in Gelächter aus, denn was hatte man ihnen bisher gegeben was man ihnen nun noch hätte wegnehmen können? Der Streik ging insgesamt locker über die Bühne, wobei das Ziel, dass die Baz nicht gedruckt werden konnte, nicht erreicht wurde, da die Geschäftsleitung vorbereitet war und sie die Zeitung in Zürich drucken liess. Etwa 20 Prozent der Zeitungen konnten trotzdem nicht ausgeliefert werden.
Der Streik führte dazu, dass an der Verhandlung am darauffolgenden Mittwoch nach dem Streik, das Gejammer von wegen „wirtschaftlicher Schieflage“ leiser wurde. So unterbreitete die Geschäftsleitung der Druckerei das Angebot den ArbeiterInnen pro Dienstjahr 400 Franken Abgangsentschädigung zu zahlen. Die Belegschaft nahm das Angebot an, auch wenn die angebotene Summe weniger als die Hälfte ihrer Forderung ausmachte. Doch: Sie haben sich und der Geschäftsleitung bewiesen, dass sie nicht bereit sind alles mit sich machen zu lassen und bereit sind zu kämpfen.
Die Belegschaft der Ziegler-Druckerei hat genug
Die ArbeiterInnen der Winterthurer Druckerei haben in letzter Zeit vieles über sich ergehen lassen müssen. So waren vor 15 Jahren noch 50 DruckerInnen für die gleiche Menge Arbeit zuständig, welche derzeit von nur noch 30 erledigt werden kann. Zum ohnehin hohen Arbeitsdruck kommen noch die saisonalen Schwankungen der Arbeitsmenge, welche dafür sorgt, dass die ArbeiterInnen in Zeiten mit mehr Aufträgen 45 Stunden die Woche ackern müssen. Die ArbeiterInnen haben teilweise während drei Wochen, in denen sie arbeiten nur einen einzigen Tag, an dem sie frei haben. Bisher konnte man nach drei harten Wochen Arbeit eine Woche ruhiger angehen und die Überzähligen Stunden kompensieren. Doch machen sich diese ruhigen Wochen immer rarer.
Die ArbeiterInnen wären gar bereit diesen Zustand bis zu einem gewissen Grad zu tolerieren, doch alles hat seine Grenzen. Da die graphische Industrie seit Anfang Jahr im vertragslosen Zustand ist, versucht die Druckerei nun die besten Bedingungen für sich und demnach die schlechtesten für die ArbeiterInnen herauszuschlagen. Neben enormem Arbeitsdruck sollen nun auch die Nachtarbeitszuschläge massiv gesenkt werden. Für diesen Herbst ist eine Kürzung des Nachtarbeitszuschlags von 100 Prozent auf 40 Prozent angekündigt worden. Ab dem Jahr 2014 sollen es gar nur noch 30 Prozent sein, was bei einer langen Woche gut 1000 Franken weniger Lohn bedeutet.
Warnstreik!
Diese Zustände waren den ArbeiterInnen nun endgültig zu viel. Die Betriebsversammlung vom 1. März entschloss sich am Sonntag 3. März gemeinsam mit der Gewerkschaft Syndicom einen Warnstreik durchzuführen. Inspiriert wurden sie durch den Streik der ArbeiterInnen der Baz-Druckerei in Basel, welche durch ihren Streik den Sozialplan merklich verbessern konnten.
Am 3. März, Sonntagnacht um 22:00 Uhr war es dann so weit: die Maschinen standen still, die ArbeiterInnen streikten. Etwa 50 Angestellte beteiligten sich am Streik, wobei sie zusätzlich unterstützt wurden von KollegInnen, welche um diese Zeit keiner Schicht zugeteilt waren. Wie auch in Basel erhielten sie starke Unterstützung von der ArbeiterInnenbewegung, vor allem von der Jugend, welche unter den Fahnen der Juso und der Uniajugend den Kampf der ArbeiterInnen unterstützten. Sich mit dem Kampf der WinterthurerInnen solidarisierend, waren auch ArbeiterInnen der Baz-Druckerei vor Ort. Die Stimmung unter den Streikenden war zuversichtlich und es wurden mehrere Soli Botschaften verlesen, die von der Syndicom-Frauengruppe, den Baz-DruckerInnen, den JungsozialistInnen und von der deutschen Gewerkschaft Verdi stammten. Der reibungslos verlaufene Warnstreik war nach zwei Stunden vorbei. Mit dem Streik wurde ein Zeichen gesetzt und das Kräfteverhältnis zu Gunsten der Arbeitenden beeinflusst. Und doch ist nichts entschieden, nicht für die ArbeiterInnen der Ziegler Druckerei und noch weniger für die graphische Industrie.
Arbeitgeber auf Konfrontationskurs
Ende letzten Jahres liess der Arbeitgeberverband Viscom die Verhandlungen um den neuen GAV (Gesamtarbeitsvertrag) verlauten. Die Arbeitgeber wollen nun den vertragslosen Zustand nutzen, um die markanten Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen durchzusetzen, was, wie in der Ziegler-Druckerei, bei mehreren Druckereien bereits geschehen ist. Die Empfehlungen des Arbeitgeberverbands Viscom, die Arbeitszeit von 40 auf 42 Stunden die Woche zu erhöhen, haben einzelne Unternehmen bereits umgesetzt. Weiter sind umfassende Kürzungen der Nachtzuschläge in Planung oder bereits umgesetzt.
Nach nun mehr als zehn Jahren steigendem Arbeitsdruck, sinkenden Löhnen und Entlassungen ist wieder Bewegung in die Druckereien gekommen. Der Streik der DruckerInnen in Basel, gefolgt von dem in Winterthur werden und müssen erst der Anfang des Widerstands sein. In Freiburg zeichnet sich bereits ein neuer Arbeitskampf ab, wo die Paulusdruckerei 50 ArbeiterInnen entlassen will. Zu diesem Anlass fand am 1. März bereits eine 500 Mann starke Demonstration statt. Parallel dazu wurden in Bern, Luzern und Winterthur am gleichen Tag Kundgebungen unter dem folgenden Motto organisiert: „Ein GAV muss erkämpft werden!“. Die grafische Industrie befindet sich nämlich seit dem 1. Januar in einem vertragslosen Zustand. Wie der Baz-Streik Inspiration für die Ziegler-DruckerInnen war, so werden sie nun gemeinsam die DruckerInnen der Schweiz dazu motivieren, sich gegen Entlassungen und die ständig schlechter werdenden Arbeitsbedingungen zu wehren.
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