«Niemand beendet diesen Genozid für uns – also müssen wir es selbst anpacken.» Das war die Devise von 70 Studenten in New York, die im April die erste Uni-Besetzung errichteten. Demo-Rufe nach Waffenstillstand konnten noch so laut, UNO-Resolutionen gegen Israel noch so resolut sein – sie stoppen den Genozid am palästinensische Volk nicht. Diesen kann Israel nur dank der Unterstützung seiner westlichen Verbündeten ausüben. Genau da wollten die Studenten, darunter von Anfang an auch Kommunisten unserer US-Schwester-Sektion, ansetzen. «Keinen Cent und keine Kugel für Israels Kriegsmaschinerie», ist unsere Parole.
Die Uni-Leitung rief sofort die Polizei und löste das Camp auf. Das Ende der Bewegung? Im Gegenteil! Wie ein Lauffeuer breiteten sich die Uni-Besetzungen in über 40 Länder aus: Zunächst über die ganze USA, nach Kanada, von dort auf alle Kontinente. Monatelang skandierten hauptsächlich die Kommunisten der Revolutionary Communist International (RCI) den Slogan «Für einen revolutionären Massenaufstand gegen Netanjahu und seine Verbündeten» – heute erklingen «Intifada! Revolution!»-Rufe von New York bis Zürich.
Auf allen Kontinenten beteiligen sich die Kommunisten der RCI nach wie vor an vorderster Front an der Bewegung. In der Schweiz an Unis und Schulen in 6 Städten – in Lausanne, Genf, Basel, Freiburg, Bern und Zürich. Überall mit dem gleichen Ziel: Die Bewegung näher an ihr Ziel – das Ende des Genozids – zu bringen. Dazu braucht die Bewegung Klarheit über drei Schlüsselfragen.
Die Studenten kämpfen dagegen, dass ihre Unis Israel unterstützen. Wer gewinnen will, muss zuerst seinen Gegner verstehen. Warum unterstützen die Uni-Leitungen Israel? An der ETH ist die Antwort direkt ersichtlich: Die KI-Abteilung der ETH arbeitet unter anderem eng mit Google zusammen und Google hilft mit seinem Projekt Nimbus dabei, Technologien für die israelische Armee bereitzustellen. Mit dem daraus abgeleiteten Slogan «No Tech for Genocide» solidarisierten sich in kürzester Zeit Hunderte Studenten und Angestellte der ETH. Das Rektorat schickte sofort den Sicherheitschef: «Verschwinde du Chaotin – sonst rufe ich die Polizei», sagte dieser einer Genossin ins Gesicht. Zwei Stunden später räumte die Polizei die Besetzung und zeigte 28 Leute an.
So gingen die Leitungen aller Unis früher oder später vor. Wer friedlich gegen einen Genozid protestiert, dem wird mit Uni-Rausschmiss und Gefängnis gedroht. Das macht verständlich, warum einige Studenten ihr Gesicht vermummen. Was der Berner Uni-Rektor sofort nutzt, um von einer «Einschüchterung der Uni-Angehörigen» zu reden. Wer schüchtert hier genau wen ein? Zur Erinnerung: Die Uni Bern hat das Nahost-Institut wegen dessen Israel-kritischen Position aufgelöst, die Stadt Bern Palästina-Demos verboten, an allen Unis wurden Pro-Palästina-Vereine (Marxist Societies, feministischer Verein ETH Lausanne etc.) verboten. Ein Fakultätsvorsitzender der Uni Bern griff einen Genossen wegen dessen Palästina-Schild tätlich an und kam ungestraft davon.
Wenn in Basel die JSVP die Besetzer als «Antisemiten» und «Hamas-Terroristen» bezeichnet und die Uni-Leitung den Steilpass aufnimmt, um die «Gewaltaufrufe» zu verurteilen – dann ist das nur die Fortführung der politischen Linie der hiesigen herrschenden Klasse seit 7 Monaten: Uni-Leitung, Staat, Politik und Medien versuchen, jegliche Palästina-Solidarität im Keim zu ersticken. Genosse Orad erklärte an einer Kundgebung unter frenetischem Applaus: «Gegen Genozid und Zionismus zu sein, hat nichts mit Anti-Semitismus oder Gewaltverherrlichung zu tun. Ich selbst bin jüdischer Student und habe mich in dieser Bewegung noch nie unsicher gefühlt. Unsicher fühle ich mich wegen ihrer Polizei, ihren rassistischen Politikern und ihren Medien. Ihnen geht es nicht um Anti-Semitismus – sie missbrauchen diese Vorwürfe, um Netanjahus Massaker zu decken und uns zu spalten.»
Später an der Vollversammlung erklärten unsere Genossen weiter: «Das macht die Schweizer herrschende Klasse, weil sie mit dem US-Imperialismus – dem wichtigsten Genozid-Partner Israels – unter einer Decke steckt. Deshalb ist Rückendeckung für Israel oberstes Gebot für Cassis und Co. Die Unis sind die Ideologie-Fabrik der ganzen herrschenden Klasse. Von hier aus müssen wir den Kampf gegen die ganze herrschende Klasse aufnehmen.»
Weil wir einen Kampf gegen die ganze herrschende Klasse führen, hat die Ausweitung der Bewegung auf weitere Schulen, zu den Angestellten der Bildungsinstitutionen und zu breiteren Schichten der Arbeiterklasse oberste Priorität. Die herrschende Klasse mit ihrer Israel-Unterstützung in die Knie zwingen – das kann einzig die vereinte Arbeiterklasse.
Das Potenzial zur Ausweitung ist riesig. Organisch solidarisieren sich Teile der Arbeiterklasse mit der Anti-Genozid-Bewegung. In den USA streiken ab Ende Mai Zehntausende Uni-Angestellte in Solidarität mit den Studenten. Google-Angestellte protestierten mit einem Sitzstreik gegen das Nimbus-Projekt. In Genf organisierten Uni-Angestellte nach der Räumung mit Hilfe des VPOD ein Treffen. Eine Genossin berichtet: «Der Saal war dicht gefüllt. Noch nie hat die Uni Genf die Polizei gegen ihre Studenten eingesetzt. Der Schock und die Wut ist gross. Man einigte sich, dass man die Studenten beim nächsten Mal unterstützen wollte und solidarisierte sich mit der Bewegung.» In Lausanne, der ersten und mit 1’500 Leuten grössten Uni-Besetzung in der Schweiz, unterschrieben in kürzester Zeit 200 Uni-Angestellte eine Soli-Petition, Familien brachten Essen und Material zur Unterstützung.
Die Solidarität der Arbeiter zu gewinnen, ist jedoch kein Selbstläufer. Es braucht politische Klarheit, wie ein Beispiel der Uni Bern zeigt. Dort schloss das Rektorat kurz nach Beginn der Besetzung die Mensa. Die im Stundenlohn angestellten Arbeiter kriegten keinen Lohn mehr. Genosse Milan: «Das ist ein Angriff auf die Mensa-Angestellten und ein Versuch, sie gegen die Bewegung auszuspielen. Als Reaktion darauf kam die Idee auf, eine Kollekte für die Arbeiter zu sammeln. Das ist positiv, weil so die Einbussen solidarisch getragen werden. Noch wirksamer wäre es, mit den Mensa-Arbeitern zu reden und sie davon zu überzeugen, sich dem Kampf anzuschliessen. Denn wir haben den gleichen Feind – die Uni-Leitung!»
In Genf wuchs die Besetzung rasch an, auch weil unsere Genossen immer wieder die Notwendigkeit der Ausweitung betonten und vorangingen. Die Uni-Leitung wollte die Bewegung mit der Schaffung einer «wissenschaftlichen Kommission» abwürgen. Ohne Erfolg: «Diesen Kampf gewinnen wir nicht in einem Sitzungszimmer mit dem Rektorat», sagte Genosse Lucien an einer Vollversammlung. «Das Potenzial für ein stärkeres Kräfteverhältnis ist da draussen – wenn jeder hier jemanden überzeugt, verdoppeln wir die Bewegung in einem Tag», so Lucien weiter. Genossin Johanna trug die praktische Erfahrung einer Ausbreitungs-Aktion zurück in die VV, damit andere auf der Erfahrung aufbauen können: «Wir kämpfen nicht nur gegen das Rektorat, sondern gegen die ganze imperialistische Politik. Deshalb müssen wir auch Arbeiter überzeugen. Gestern sagten uns Buschauffeure, sie seien solidarisch mit uns. Sie nahmen Flyer, um sie in den Bussen zu verteilen und meinten, sie würden sogar in Solidarität mit Gaza und der Bewegung streiken, wenn wir ihnen mit Blockaden helfen kommen.» Plötzlich hörten die Studenten in der Aula Johanna zu. Einige meldeten sich sofort bei ihr, um beim nächsten Mal dabei zu sein. Sie berichtete ihnen vom Gespräch mit einem Chauffeur. Dieser rede täglich mit seinen Kollegen über den Krieg in Gaza. Er träume vom gemeinsamen Kampf zwischen Studenten und Arbeitern, gegen Israels Kriegslobby hier im Herzen des Imperialismus. Wer Rassismus schüre, um seine hässlichen Interessen durchzusetzen, gehöre enteignet. Das ist die Stimmung der radikalsten Schicht der Arbeiterklasse!
Die Genfer Bewegung zeigt den Weg vorwärts: die Besetzung ist kein Selbstzweck, sondern muss als politische Bastion für die Ausweitung des Widerstands gegen die ganze herrschende Klasse dienen. An der Besetzung müssen Forderungen und Argumente geklärt werden, von dort aus an Schulen, Arbeitsplätze, in Gewerkschaften etc. getragen werden – und die Erfahrungen wieder zurückgetragen und ausgewertet werden.
Um eine solche Schlagkraft aufzubauen, braucht die Bewegung unbedingt demokratische Strukturen. Nur wenn die Bewegung gemeinsam Forderungen beschliesst, können alle am gleichen Strang ziehen. Dazu braucht die Bewegung regelmässige und grösstmögliche Vollversammlungen, bei denen politische Fragen geklärt und die wichtigsten Beschlüsse gefasst werden. Ein von der Vollversammlung gewähltes Führungskomitee muss Sitzungen einberufen, Traktanden und Forderungen vorschlagen.
Einzig in Basel diskutierte und beschloss die Bewegung – auf Vorschlag unserer Genossen – regelmässig ihre politischen Forderungen und Aktionen in Vollversammlungen. So war das Thema einer Versammlung «unsere Position zur Intifada». Das Beschlussprotokoll der Sitzung liest sich wie folgt:
«Das Wort Intifada wird von den Medien als Synonym für Terrorismus verwendet, was nicht seiner Bedeutung entspricht. Intifada heisst abschütteln oder im politischen Kontext Volksaufstand. Die Studenten-Intifada tritt in die Fussstapfen der mächtigen Massenbewegung von 1987, als die Palästinenser nicht mit Guerillakrieg oder Terrorismus, sondern mit Generalstreiks und zivilem Ungehorsam für sich selbst einstanden und sich nicht von den Besatzern und dem internationalen Kapital einschüchtern liessen. Auch sie mussten sich auf alle Schichten der Jugend und der arbeitenden Bevölkerung ausweiten, um erfolgreich zu sein.»
Es ist kein Zufall, dass die Bewegung in Basel über 1’000 Leute an eine Soli-Demo mobilisieren konnte, zur Ausweitung mit «Intifada-Komitees» an allen Schulen und Betrieben aufrief und die Besetzung nach der Räumung ein zweites Mal aufbauen konnte. Politische Klarheit ist das A und O. Die RKP organisiert und bildet Kader aus, um die Erfahrung der Arbeiterbewegung – den Marxismus – in jeden Kampf zu tragen.
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