„Zukunft statt Abbau“ ist der Titel der neusten Kampagne der SP Baselland, welche das zentrale Element ihrer Oppositionspolitik werden soll. Angestossen wurde die Kampagne durch eine Motion der JUSO Baselland. Wir analysieren, inwiefern die Forderungen der Motion erfüllt worden sind, sich die JUSO damit zufrieden geben kann und was nun die nächsten Schritte sein müssen.
Die SP Baselland hat am 8. Februar 2015 eine historische Niederlage erlitten: Das erste Mal seit 90 Jahren ist sie nicht mehr in der Regierung des Kanton Baselland vertreten und wurde damit in die Opposition gezwungen. Die SP Baselland stellte jedoch immer nur eine Minderheit in der bürgerlichen dominierten Regierung und dem Parlament. An dem realen Kräfteverhältnis hat sich mit diesen Wahlen nur sehr wenig gerändert. Der nicht mehr angetretene Urs Wüthrich war das einzige SP Mitglied in dem fünfköpfigen Regierungsrat und konnte dementsprechend auch nur die Politik machen, die seine vier bürgerlichen KollegInnen gestatteten. Trotzdem sieht sich die SP in einer neuen Situation, denn die SP Baselland sah sich vor den Wahlen als staatstragende Partei und war in dieser Rolle vor allem auf Schadensbegrenzung aus. Sie war das selbsternannte soziale Gewissen im Kanton. Tief enttäuscht und konsterniert über diese schmerzhafte Niederlage kündigte sie an, in Zukunft „konsequente, aber konstruktive Oppositionspolitik“ zu betreiben.
Am Donnerstag, dem 29. Oktober, war es schliesslich soweit und die SP lancierte an einer Pressekonferenz ihre Oppositionskampagne. Unter dem Titel “Zukunft statt Abbau!” stellt sich die SP gegen eine Fortsetzung der Abbaupolitik und steht ein für eine fortschrittliche Politik für die Mehrheit der Bevölkerung. Neben Homepage und Flyer wird ein Papier vorgestellt mit fünf Schwerpunkten: Transparenz, Finanzen, Bildung, Wohnen und Service Public.
Dabei werden gute Punkte aufgenommen, wie zum Beispiel die Forderung nach mehr Transparenz in der Kampagnenfinanzierung oder in der Verflechtung zwischen Kanton, Wirtschaftskammer und Unternehmen. Diese Offenlegung und Klärung der Verflechtungen ist richtig und wichtig, da die politische Elite unzertrennbar mit der wirtschaftlichen Elite verschmolzen ist. Jedoch ist bereits heute relativ klar, dass die Wirtschaftskammer die Bürgerlichen mit viel Geld unterstützt und es scheint nur wenige zu stören.
Weiter beinhaltet das Positionspapier gute Punkte zu einer Raumplanung, in der das Wohnen und das Arbeiten nahe beieinander stattfinden. Es werden Massnahmen für mehr günstigen Wohnraum, begleitet von konkreten Anträgen, welche der Landrat an die Regierung bereits überwiesen hat, sowie einen stärkeren Service Public gefordert. Dies beinhaltet die Kritik an den Personalkürzungen wie auch an den sich verschlechternden Arbeitsbedingungen. Aber auch Forderungen wie die, dass die Prämienverbilligungen mit den Prämienerhöhungen steigen müssen, sind enthalten.
Dies bringt uns zum wichtigsten der fünf Schwerpunkte: Die Sanierung der Kantonsfinanzen. Wer am strukturellen Defizit Schuld ist, geht im Papier der SP klar hervor: Die frechen “Rechtskonservativen”, welche “ihr ideologisches, staatsfeindliches Programm gegen die Interessen der Bevo?lkerung durchzusetzen” und Steuergeschenke für sich selbst und ihre Freunde machten. Trotzdem wird das strukturelle Defizit akzeptiert, auch wenn keine weiteren Steuersenkungen gemacht werden sollen. Darüber hinaus akzeptiert die SP sogar, dass dieses Defizit Einsparungen nach sich ziehen soll.
Ihre Kritik beschränkt sich auf einzelne Luxsusprojekte, welche sie unnötig findet. Sie fordert die Wiedereinführung einer moderaten Erbschaftssteuer, die aber niemanden zu stark betreffen soll. Gleichzeitig stellt sie aber eine Wunschliste mit Forderungen auf, welche Geld kosten, deren Finanzierung aber unklar bleibt. Es ist klar, dass das finanzielle Problem des Kantons mit solchen Massnahmen bei weitem nicht gelöst würde.
Das strukturelle Defizit des Kantons hat seine Ursache in den Unternehmenssteuerreformen, der Abschaffung der Erbschaftssteuer und anderen Steuerentlastungen, hauptsächlich für Unternehmen und Vermögende. Die Steuersenkungen, welche unter Regierungsrat Ballmer umgesetzt wurden, führten zu jährlichen Mindereinnahmen von 188 Millionen Franken — also genau der Summe des aktuellen Sparpaketes. Wenn die Erbschaftssteuer auf dem Niveau von vorher wieder eingeführt wird, würde sie jedoch nur 33 Millionen einbringen. Dies greift viel zu kurz und wäre nur „Pflästerlipolitik“, da auch damit noch ein Sparpaket von 150 Millionen Franken geschnürt werden müsste.
Seit dem grossen Nachkriegsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Profite in den 70er und 80er Jahren wieder gesunken, weshalb die bürgerliche Elite zu der neoliberalen Strategie übergehen musste. Konkret bedeutete dies Privatisierungen, Steuersenkungen und Abbau von Regulierungen. Dies führt zu leeren Kassen beim Bund und den Kantonen, welche dann ausgeglichen werden durch Entlastungsprogramme, sprich Spar- oder Abbaupaketen. Durch die bisher umfassendste kapitalistische Wirtschaftskrise wird dieser Effekt noch zusätzlich verstärkt. Der Abbau, den wir heute beobachten können, ist also nur die konsequente Durchsetzung der Interessen der Wirtschaftsbosse. Genau darum geht es auch bei der sogenannten Wirtschaftsoffensive.
Die Bürgerlichen versuchen uns zu verkaufen, dass sich durch Investitionen in die Infrastruktur Firmen im Kanton ansiedeln sollen und dadurch die Steuereinnahmen steigen. Durch diese Mehreinnahmen soll dann das strukturelle Defizit behoben werden. Wer genauer hinschaut erkennt aber, dass es bei der Wirtschaftsoffensive im Kern lediglich um versteckte Subventionen für Unternehmen geht, welche den Besitzern höhere Profite einbringen.
In der Regel entstehen in solchen Gebieten nicht hauptsächlich neue Unternehmen, sondern es wandern bereits bestehende zu, welche vorher in einem anderen Kanton, Land oder gar einem anderen Kontinent ihren Sitz hatten. Dies bedeutet, dass jeder Franken, den der Kanton mehr einnimmt, an einem anderen Ort der Welt verloren gehen muss. Es geht also hautsächlich darum, dem Kanton eine bessere Ausgangslage im nationalen und internationalen Standortwettbewerb zu verschaffen. Die Wirtschaftsoffensive ist daher nichts anderes als ein weiterer Akt im “ruinösen Steuerwettbewerb”, welcher zu Recht von der SP kritisiert wird.
Es braucht jedoch eine grundlegende Kritik an der Wirtschaftsoffensive, welche sowohl den Klassenkampf von oben, wie auch den Standort-, respektive Steuerwettbewerb, umfasst. Eine solche Kritik muss breit in der Basis der Partei diskutiert und erarbeitet werden. Es reicht nicht, wenn er einfach vorgelegt wird. Nur so sind die Mitglieder auch in der Lage, diese Kritik in die Betriebe, in die Schulen und auf die Strasse zu tragen.
Dass der SP Baselland eine strategische Neuausrichtung schwer fallen würde war der JUSO klar, zu oft schon geriet sie mit deren Positionen in Konflikt. An der Jahresversammlung vom 6. März wurde nach intensiver Diskussion über die Inhalte des Oppositionskurses eine Motion an die SP verabschiedet, welche die Fraktion und die Parteileitung beauftragt hatte, eine Strategie und Schwerpunkte auszuarbeiten, welche die Oppositionspolitik prägen sollten. Die nun vorgestellte Oppositionskampagne kann also als eine direkte Antwort auf die Motion der JUSO gesehen werden. Aus diesem Grund werden wir die beiden nun einem Vergleich unterziehen. In der Motion stellte die JUSO folgende Forderungen an das Oppositionsprogramm:
Die JUSO macht einen Schritt in die richtige Richtung, indem eine starke Besteuerung von Vermögen gefordert wird, um die Kantonsfinanzen zu sanieren. Dies muss jedoch auf eine Weise geschehen, in der wirklich nur die Reichen und nicht im geringsten die arbeitende Bevölkerung dafür aufzukommen haben. Im Forderungskatalog der SP ist nur noch die Wiedereinführung einer – moderaten – Erbschaftssteuer übrig geblieben. Der Rest des strukturellen Defizits soll mit einer besseren Zusammenarbeit mit Basel-Stadt und mehr Bescheidenheit bei den Finanzen kompensiert werden.
Auch weitere Forderungen der Motion lässt das Papier komplett vermissen. Aus der Wiederverstaatlichung der Schlüsselbereiche, wie Gesundheit, Bildung, Transport, Kommunikation, usw., ist nur noch die Verteidigung des Status Quo übrig geblieben. Auch auf die Ausarbeitung einer linken Alternative zu der bürgerlichen Wirtschaftsoffensive wurde verzichtet, obwohl dies einer der Hauptpunkte der Motion war. Einzig die Forderung nach mehr bezahlbarem Wohnraum und der Bekämpfung des Verkaufs von Kantonsland an Private wurde mehr oder weniger im Sinne der Motion umgesetzt. Obwohl dieser Auftrag an die Geschäftsleitung von einer grossen Mehrheit der Delegierten verabschiedet worden ist, wurde sie höchstens als Anstoss für den Prozess verstanden.
Wenn dieses Oppositionsprogramm wirklich die Antwort auf die Motion der JUSO sein soll, dann ist sie damit klar durchgefallen. Nur eine einzige der Forderungen in der Motion fand seinen Weg in das Oppositionsprogramm der SP.
Damit kann sich die JUSO nicht zufriedengeben. Wir müssen auf eine wirkliche Umsetzung der Motion bestehen. Mit den darin enthaltenen Forderungen würde die SP Baselland einen Schritt vorwärts machen, statt einen „Marschhalt“ auszurufen. Die Antwort muss in der JUSO gut diskutiert werden. An der nächsten Delegiertenversammlung muss klar gemacht werden, dass sie damit nicht zufrieden sein kann.
Doch auch die Forderungen der JUSO Motion greifen noch zu kurz, denn sie bleiben innerhalb der kapitalistischen Logik gefangen. Wie immer werden die Besitzenden mit Massenentlassungen oder Abwanderung drohen, wenn in Aussicht steht, dass sie stärker besteuert werden. Wir dürfen hierbei nicht daran zweifeln, dass dies mehr als eine leere Drohung ist. Doch dies ist kein Grund, den Kampf aufzugeben. Alle Drohungen mit Abwanderung müssen mit der Offenlegung der Geschäftsbücher beantwortet werden. Die Lohnabhängigen müssen detailliert wissen, warum an ihnen gespart werden soll, warum ihr Arbeitsplatz verlagert wird, und wo der von ihnen erarbeitete Reichtum hinfliesst. Gleichzeitig erhält die arbeitende Bevölkerung die Entscheidungsgrundlagen, um zukünftig die Gesellschaft selber steuern zu können. Die Einsicht in die Geschäftsbücher ist der erste Schritt zur Kontrolle der Produktion durch die Gesellschaft.
Diese werden sie durchsetzen, wenn die Unternehmen mit ihren Entlassungs- und Abwanderungsdrohungen ernst machen wollen.
Rein über parlamentarische Vorstösse, Initiativen oder weil eine Partei in ihr Programm schreibt, dass sie die Sparmassnahmen nicht gut findet, kann dies jedoch nicht erreicht werden. Es braucht eine Bewegung der Arbeiterinnen und Arbeitern, der Lohnabhängigen. Eine solche Bewegung gegen Steuergeschenke, Sparmassnahmen und Privatisierungen soll die Regierung und die Besitzenden den Druck von unten, von der Strasse, spüren lassen!
Solche Bewegungen gibt es vor allem in der letzten Zeit immer öfters, wie die Demonstrationen kürzlich in Liestal oder die Arbeitskämpfe der Gewerkschaften zeigen. Diese Kämpfe müssen überregional verbunden und die Spaltung und Aufhetzung der Arbeiterinnen und Arbeiter bekämpft und überwunden werden. Es muss ihnen aufgezeigt werden, dass alle diese Arbeitskämpfe etwas gemeinsam haben. Der Kampf um einen guten ÖV, gegen den Leistungsabbau bei der Bildung, für bessere Arbeitsbedingungen im Kanton usw, — sie alle schmälern den Profit der Kapitalisten! Nur deshalb werden diese Kämpfe auch von den Kapitalisten so hart geführt!
Nur wenn die SP sich in all diesen Kämpfen beteiligt, sich an die Spitze stellt und ihre Rolle als politische Führung der Arbeiterklasse wahrnimmt und für eine permanente Organisierung zwischen den Kämpfen sorgt, können die bürgerlichen Angriffe effektiv bekämpft werden. So würden die Bewegungen auch nicht nach kurzer Zeit wieder verschwinden. Wichtige Erfahrungen könnten gesammelt werden und es würden wieder linke Erfolge verzeichnet. So lange die SP diese Aufgabe aber nicht wahrnimmt, muss die JUSO an ihre Stelle treten und sie übernehmen.
Jan F.
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