Verschiedene Organisationen und autonome Gruppierungen riefen für das Wochenende vom 18./19. und 20.9. zum Protest gegen die Militärübung Conex auf. Eines hatten sämtliche Aktionen gemeinsam: die Übung wurde nicht im Geringsten gestört. Wir nehmen dies zum Anlass für eine kurze Rekapitulation der antimilitaristischen, pazifistischen Proteste und diskutieren eine sozialistische Form des Protests.

Während zehn Tagen (16. bis 25.9.2015) fand in Basel die Übung Conex statt. Das realitätsnahe Szenario, das u.a. die Flüchtlingsthematik auf eine chauvinistische Weise aufnimmt und die innere Aufstandsbekämpfung zum erklärten Ziel der Armee machte, stiess bei vielen auf Unverständnis und Ablehnung. Linke und allgemein pazifistische Organisationen und auch viele BewohnerInnnen von Basel empörten sich über die Conex-Übung, welche eine massive Militarisierung der Stadt bedeutete.

Der Widerstand wurde von einem autonomen Bündnis (NO CONEX) organisiert: Es fanden vor der Übung anarchistische Informationsveranstaltungen mit dem Ziel der Meinungsbildung über Herrschaft, Militarismus und Stadtentwicklung satt. Vor allem wurde aber für Freitag, den 18.9. und Samstag, den 19.9. zu Demonstrationen aufgerufen. Im Fokus stand am Freitag das Migrationsregime, und am Samstag der Militarismus. Als Fazit steht fest: die Widerstandsbemühungen sind fehlgeschlagen, es konnten kaum Leute über das gewohnte linksradikale Spektrum hinaus mobilisiert werden.. Die Parole „No Conex“, die zum Ziel hatte, die Übung zu verhindern oder zumindest zu stören, wirkte damit lächerlich und grössenwahnsinnig; schlicht nicht dem Kräfteverhältnis angepasst.

An der gewaltausufernden Demonstration am Freitag nahmen zwischenzeitlich circa 500 Personen teil. Am Samstag war es dann noch ungefähr die Hälfte. Besonders an der Freitagsdemo gab es stake Sympathieschwankungen: Während sich zu Beginn noch vereinzelt Passanten spontan anschlossen, entsolidarisierten sich am Schluss viele wieder aufgrund der Ausschreitungen beim Ausschaffungsgefängnis Bässlergut und entlang der Hochbergerstrasse.

Jugendlicher Übermut, Krawallfetisch und Linksradikalismus

Lenin schrieb 1920, dass sich die Strömung der Sozialrevolutionäre für „revolutionär“ und „linksradikal“ halten, weil sie sich für individuellen Terror und Attentate aussprachen. Auch am Freitag waren kleinere Sachbeschädigungen wie eingeworfene Scheiben (u.a. bei der Baz-Druckerei), Sprühereien und demolierte Ampelanlagen der einzig bleibende Eindruck der Demo (Schaden ca. 100‘000 Fr.). Als MarxistInnen lassen wir uns nicht auf Diskussionen über die moralische Verwerflichkeit von Sachbeschädigung ein. Wir betonen aber klar, dass solche Individualgewalt nicht zweckmässig sein kann.

Eine andere Einschätzung haben dagegen die einschlägig bekannten linksradikalen Organisationen. So findet der „revolutionäre Aufbau“, dass „der Widerstand offensichtlich erfolgreich war“ und die „revolutionäre Jugendgruppe“ schrieb, dass es am Freitag „eine kämpferische und ausdrucksstarke Demo“ gab. In Wahrheit hat dieser ‚Widerstand‘ niemandem ausser den Versicherungen geschadet. Dies darf und kann nicht das Ende des Horizonts für alle jene sein, die sich an diesem Wochenende die Strasse nahmen, um sich gegen das Migrationsregime in der Schweiz und gegen die Militarisierung zu wehren.

Von der parlamentarischen Linken (Parteien und Gewerkschaften) wurde zu den Demonstrationen offiziell keine Stellung bezogen – BaStA! hat sich im Vorfeld auf ihrer Website distanziert. Die wenigen kleinen Aktionen gegen Conex lassen die Frage aufkommen, ob der Militarismus allgemein und diese Übung im Speziellen überhaupt im Widerspruch zur Vorstellung des ‚demokratischen Sozialismus‘ der ParlamentaristInnen stehen. Dies behaupten zumindest führende Linksradikale in ihrer Kritik, in welcher die Sozialdemokratie grundsätzlich als Verräterin bezeichnet wird.

Wahlkampf der Reformisten lässt Conex aussen vor

Grundsätzlich haben sich die Juso wie auch  BaStA! gegen die Conex Übung ausgesprochen. Die Juso-Grossrätin Sarah Wyss hat mit ihrer Interpellation zu Inhalt und Ziel der Übung eine unerlässliche Frage aufgeworfen. Die völlig willkürliche Informationspraxis bezüglich Conex verletzt grundlegende demokratische Prinzipien und schützt so die Übung vor Kritik. FDP-Sicherheitsdirektor Baschi Dürr stellte sich mit seiner Antwort auf die Interpellation ebenfalls konsequent hinter das Militär.

Unterstützt wurde die Forderung nach offener Kommunikation auch von der BaStA! und vor allem von Grossrätin Heidi Mück. Zusätzlich rief das Bündnis BaStA! dazu auf, Friedensfahnen aus dem Fenster zu hängen.

Aktivistischen Protest zeigten einzelne Jusos, als sie bei der Fahnenübergabe mit einem „Krieg spielen ist scheisse!“-Schild auftauchten (2.9.), mit der Teilnahme an der Aktion (15./16.9.), an der Strassennamen verändert wurden (aus dem Schützengraben wurde beispielsweise die Antimilitarismusstrasse) und als nach der Delegiertenversammlung vor der Militärexpo in Muttenz versucht wurde, dem Militär einen Spiegel vorzuhalten, indem mit Spielzeug statt Panzern gespielt wurde (20.9.). Echten Inhalt und ein fundiertes Verständnis des Militarismus liessen diese Aktionsformen leider weitgehend vermissen. Zwar wurde an der Delegiertenversammlung eine Resolution verabschiedet, in welcher sich die Juso als antimilitaristisch bezeichnet, eine Konsequenz daraus aber fehlte weitgehend.

Leider wurde damit nicht nur die Möglichkeit verpasst, die Übung zu stören, sondern auch die allgemeine Wut gegen die bürgerliche Herrschaft aufzugreifen. Während im Wahlkampf gebetsmühlenartig wiederholt wird, dass die rechtsbürgerliche Mehrheit verhindert werden müsse, auch mit Hilfe von „progressiven Allianzen“, wiederspiegelt sich dies leider nur wenig im praktischen Wahlkampf. Wir müssen anerkennen, dass sich die linken Parteien in Basel in ihrem Wahlkampf basisnah präsentieren, doch werden damit wohl vor allem SympathisantInnen daren erinnert, ihren Wahlzettel einzuwerfen, satt neue, vor allem junge, Nicht-WählerInnen zu gewinnen. Conex steht exemplarisch dafür, wie Aufhänger für eine sozialistische Alternative nachlässig benutzt werden. Die wenigen Kritiken wirken meist halbherzig oder brechen an dem Punkt ab, an welchem sie mobilisierungsfähig würden.

Was wäre zu tun?

Baschi Dürr schrieb auf Facebook, er sei „ …angewidert. Statt in Zeiten grosser Flüchtlingskrisen dankbar zu sein, wie gut es uns hier geht, wird die Bevölkerung erschreckt und fremdes Eigentum zerstört, werden Polizisten angegriffen und verletzt. Bar jeden politischen und anderen Inhalts. So schäbig wie unnötig.“ Diese Stellungnahme ist Ausdruck dafür, dass die Proteste zweischneidig waren. Einerseits war es klar die richtige Entscheidung zu einer Demonstration gegen Conex aufzurufen, andererseits war die ausgelöste Wahrnehmung derer erschreckend, nicht nur bei reaktionären Vertretern des Bürgertums wie Dürr, sondern bei vielen BewohnerInnen von Basel, die nicht der linksradikalen Szene zuzuordnen sind.

Es stellt sich die Herausforderung aus der Dualität von Minimal- und Maximalforderungen auszubrechen und eine Mobilisierung zu wählen, die es schafft, die Empörung zu nutzen, um das Klassenbewusstsein zu steigern. Antimilitaristische Übergangsforderungen sind das richtige Mittel dazu. Im Kern heisst das: Agitation in der Armee und Forderung nach Demokratisierung der Armee (die Abschaffung gilt nach Karl Liebknecht als „letztes Ziel des Antimilitarismus“, das nicht ohne Überwindung des Kapitalismus zu erreichen ist). Damit verbunden wird die Übung kritisiert, da sie als innere Militarisierung den Interessen der Lohnabhängigen widerspricht, besonders wenn gleichzeitig Sparpakete anstehen.

Zielsetzung und Bündnisbildung

Grundlegend sind zwei Dinge notwendig: eine erreichbare Zielsetzung, die dem aktuellen Kräfteverhältnis entspricht, sowie die Bestrebung zum vereinten Protest von links – eine Einheitsfront. Das Ziel der Einheitsfront muss es sein, ein klares Zeichen für das gemeinsame Interesse der beteiligten Gruppierungen zu setzen. Die Aktivierung von Aussenstehenden und Passiven würde durch Information und Sensibilisierung, Meinungsbildung, Mobilisierung und im Idealfall Organisierung ermöglicht werden. Damit wäre eine beträchtliche Stärkung der Bewegung möglich, welche durch die Einheitsfront verkörpert wird.

Die fiktive Zielsetzung könnte folgendermassen aussehen: 5‘000 Personen mit meinungsbildender Propaganda gegen die Conex Übung erreichen und eine Demonstration mit 1‘500 Personen. Bezogen auf den anstehenden Wahlkampf könnten das dann leicht 1‘000 zusätzliche Stimmen (200 Personen bei 5 Nationalratssitzen) für die linke Listenverbindung ermöglichen.

Die Vorgehensweise müsste so gestaltet sein, dass auf möglichst vielen Ebenen Protest artikuliert würde. Vereinzelt waren viele gute Elemente waren zu beobachten, doch fehlten die Verbindung und eine klare Orientierung auf ein Ziel. Medial könnte auch der Bekanntheitsgrad einzelner Personen noch stärker genutzt werden.

Eine offensichtliche Schwachstelle besteht in der kantonalen Exekutive, die bereits seit 2013 über die Übung informiert war (WOZ). Die allgemein kritische Frage der Regierungsbeteiligung stellt sich damit praktisch. Die SP ist mit 3 von 7 Mitgliedern im Regierungsrat vertreten. Daraus muss eine bessere Information der Partei resultieren und so die Partei handlungsfähig machen. Andernfalls gibt es kaum Anlass zur Minderheitsbeteiligung an einer bürgerlichen Regierung. Die Interpellation der Juso Parlamentarierin konnte in diesem Fall Abhilfe schaffen, allerdings erst sehr spät (24.8.2015).

Die linke Einheitsfront müsste Ausdruck der „progressiven Allianz“ sein, die gegen den (rechten) Bürgerblock antritt. Bürgerliche Parteien haben in einer solche Allianz offensichtlich nichts zu suchen. Das Militär ist, trotz abnehmender Bedeutung der Offiziersklubs, noch immer ein wichtiger Sammel- und Formierungspunkt für bürgerliche Netzwerke, die Politik und Wirtschaft dominieren. Zusätzlich ist die Aufgabe des Militarismus „immer die Sicherung der Stellung der herrschenden Klasse“ [1]. Damit hat die Armee eine Doppelfunktion, welche enorme politische Angriffsfläche bietet. Wenn Conex 2015 als Symbol der Inszenierung des Bürgertums auf Kosten der lohnabhängigen BewohnerInnen von Basel und Umgebung gebrandmarkt worden wäre, hätte die Empörung relativ leicht kanalisiert werden können. Damit wäre die Grundlage gelegt, um verschiedene Organisationen ins Boot zu holen, die im weitesten Sinne links sind: Parteien, Gewerkschaften, Mieterverband, Migrantenorganisationen, Quartiervereine usw. Auch autonome Gruppierungen könnten Teil davon sein, sofern sie den Bündniskonsens einhalten würden.

Welch Potenzial die Einheitsfront gehabt hätte, lässt sich nur abschätzen. Divisionär Andreas Bölsterli, Kommandant der Territorialregion II und Organisator von Conex 2015, musste das Ursprungsszenario kurz vor Beginn der Übung entschärfen (Schweiz am Sonntag). Dies legt nahe, dass die Armeekader grossen Respekt vor dessen sozialen Sprengkraft hatten. Denn ob der momentanen Realität der sogenannten Flüchtlingskatastrophe hat die Thematik grosse Mobilisierungsfähigkeit. Einige aktuelle Zahlen belegen dies: in Aarau demonstrierten am 22. September 3500 Personen beim antirassistischen „Aufstand der Anständigen“ und die Juso Demonstration “Refugees welcome!“ am 2.10. hat bereits über 2100 Zusagen auf Facebook.

Wer eine alternative Politik vertritt, braucht eine alternative Erzählung. Informationsveranstaltungen und gezielte Propaganda über Flugblätter und Broschüren können wichtige Faktoren sein im Kampf um die Deutungshoheit. Die Verbreitung über AktivistInnen im Bekanntenkreis, am Arbeitsort, in der Schule, im Quartier, im Sportverein usw. sind zentral, um die Diskussion mit breiter Abstützung zu führen. Die Strukturen einer Partei, vor allem der Juso, bieten die idealen Voraussetzungen zur Koordination. Wenn die Conex Proteste etwas bewiesen haben (was keines erneuten Beweises bedurfte), so ist es, dass der spontane Zusammenschluss in autonomen Bündnissen, trotz der aufopfernden Arbeit der OrganisatorInnen, nur in den seltensten Fällen erfolgreich ist.
Wir setzen uns dafür ein, dass die Juso Basel-Stadt sich ihrer Rolle als führende Organisation im Widerstand der Jugend gegen Militarisierung und Verdrängung, sowie gegen Rassismus und Ausbeutung bewusst wird und diesen Anspruch an sich selbst stellt. Viele Jugendliche sind sich am radikalisieren. Die Empörung zeigt sich in verschiedenen Bereichen. Eine Antwort auf die oft grundlegenden Fragen kann nur ein sozialistisches Programm liefern. Durch die Lösung von der fast starren Fixierung auf den Wahlkampf würde eine verstärkte Präsenz und Aktivität im Alltag der Jugend ermöglicht. Die gleichen oder ähnliche Formen der Politik und des Wahlkampfes einfach mit anderen Inhalten zu füllen, ist keine Perspektive. Politik für die Jugend muss verbunden sein mit dem Kampf für eine Zukunft ohne ökonomische Sachzwänge und Repression. Dieses Ziel muss sich in jeder Aktion der Juso wiederspiegeln. Dann ist sie eine Alternative!

  • Gegen Militärübungen wie Conex 2015, die nur im Interesse der Besitzenden stehen!
  • Für eine antimilitaristische Politik der Juso!
  • Für eine vereinigte Linke gegen Militarismus, Verdrängung und innere Einsätze!

 Stand der Information: 22.9.2015


 [1] Verabschiedete Resolution der Juso Schweiz vom 19.09.2015 (auf Antrag der Geschäftsleitung): „Gegen die Militarisierung der inneren Sicherheit!“