Die Swissport-Angestellten am Genfer Flughafen wehren sich gegen gewaltsame Angriffe auf ihre Löhne und Arbeitsbedingungen. Eine erste Runde von Mobilisierungen zwang das Management zur Wiederaufnahme der Verhandlungen. Nur der vereinte Kampf aller Beschäftigten des Flughafens kann die Angriffe jedoch endgültig abwehren.
Anfang Januar erhielten die Angestellten ein Ultimatum: Entweder sie akzeptieren einen neuen Arbeitsvertrag, der heftige Lohnkürzungen (Einbussen von bis zu 1200 Fr. pro Monat!), Flexibilisierung und Erhöhung der Arbeitszeiten und Urlaubskürzungen beinhaltet, oder sie werden entlassen. Die Lohnabhängigen hatten ursprünglich bis Ende Januar Zeit, ihre Entscheidung zu treffen. Eine Versammlung von 200 ArbeiterInnen vom 12. Januar und eine Demonstration vor dem Rathaus setzten die Geschäftsleitung und den Kanton Genf soweit unter Druck, dass diese sich bereit erklärten, die Verhandlungen über einen neuen GAV mit den Gewerkschaften unter Vermittlung der Kantonsregierung wieder aufzunehmen.
Dies verschafft den Angestellten eine wichtige Verschnaufpause. Nathalie Berchtold, Sprecherin von Swissport Genf, machte jedoch klar: «Die Wiederaufnahme der Verhandlungen ändert nichts an der kritischen Situation, in der sich Swissport befindet.» Mit anderen Worten: Das Management ist nicht bereit, seine Angriffe auf die Lohnabhängigen aufzugeben. Pablo Guarino, Sekretär der Gewerkschaft SEV-GATA, räumt ein, dass die Angestellten «bereit sind, Zugeständnisse zu machen, wenn sie die Aussicht haben, bei Wiederaufnahme des Betriebs dafür entschädigt zu werden». Aber das ist eine falsche Einstellung: So gibt man den Angriffen bereits im Vornherein nach, anstatt sie von Beginn weg zu bekämpfen! Auf der einen Seite gäbe es eindeutig Geld für die Sicherung der Arbeitsplätze und die Gewährleistung des Lohnniveaus und guter Arbeitsbedingungen. Auf der anderen Seite ist die Kampfbereitschaft des Personals noch lange nicht ausgeschöpft.
Swissport ist Weltmarktführer im Bereich Luftfracht und Dienstleistungen und beschäftigt rund 60.000 MitarbeiterInnen an 850 Flughäfen weltweit. Im Jahr 2019 hatte das Unternehmen einen Umsatz von 3 Milliarden Euro und 272 Millionen Gewinn erwirtschaftet. Obwohl das Unternehmen durch die Covid-Krise sicherlich erhebliche Verluste erlitt, profitierte es inmitten der Pandemie von einer Übernahme durch eine neue Investorengruppe, die zusätzlich 700 Millionen Euro an Liquidität zur Verfügung stellte.
Darüber hinaus setzte das Unternehmen 45.000 seiner 60.000 Mitarbeiter auf Kurzarbeit, während es dem Management weiterhin astronomische Gehälter und Boni zahlte. Das zeigt sehr deutlich den kriminellen Charakter des kapitalistischen Geschäftsgeheimnisses in Krisenzeiten: Es ist ein Instrument, um die riesigen Geldsummen zu verstecken, die direkt in die Taschen der Bosse fliessen. Es ist klar, dass das Unternehmen nicht unmittelbar vom Konkurs bedroht ist: Die Geschäftsleitung versucht vielmehr, die Rentabilität zu sichern, um die durch die Krise in der Branche verunsicherten Investoren zu beruhigen. Dies, indem sie die Ausbeutung der MitarbeiterInnen erhöht. Nach optimistischen Prognosen wird sich der Luftverkehr nicht vor 2027 von der Krise erholen. In dieser langen und tiefen Krise werden nur die mächtigsten und profitabelsten Unternehmen den harten kapitalistischen Wettbewerb überleben. Mit anderen Worten: Es geht um die Sicherung von Profiten auf Kosten der Lohnabhängigen.
All dies zeigt, welche Forderung gestellt werden muss: Zeigt uns eure Geschäftsbücher! Die Angestellten leisten die gesamte Arbeit am Flughafen und schaffen damit den gesamten Wert: Sie haben das Recht, die Rechtfertigung für einen eventuellen Verlust eines Viertels ihres Lohns zu erfahren. Hätten die ArbeiterInnen eine demokratische Kontrolle über die Verwendung der Firmengelder, würde schnell klar, dass die angesammelten Rücklagen sowie all das Geld, das für überhöhte Boni und Managementgehälter verschwendet wird, tatsächlich zur Sicherung aller Arbeitsplätze und Löhne verwendet werden könnte. Darüber hinaus könnten die Lohnabhängigen im Zuge einer solchen Kontrolle über die Geschäftsbücher einen Plan erstellen, wie die Dienstleistungen der Firma für nachhaltige Zwecke, zum Beispiel in der Logistik für den öffentlichen Verkehr oder im Schienenverkehr, eingesetzt werden könnten. Wenn die Unternehmensleitung die Forderungen der ArbeiterInnen ablehnt, fordern wir die Verstaatlichung des Unternehmens unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten. Ein Unternehmen, das massiv mit öffentlichen Geldern und Infrastruktur unterstützt wurde, ohne das Wohlergehen der Beschäftigten zu garantieren, hat endgültig die Legitimation verloren, in privatem Besitz zu bleiben.
Der Kampf der Swissport-Angestellten betrifft bei weitem nicht nur die Beschäftigten dieses einen Unternehmens. Im Jahr 2020 haben unzählige Unternehmen des Luftfahrtsektors versucht, ihre Angestellten durch Entlassungen oder Lohnkürzungen zur Kasse zu bitten. Die Swiss hat (mit beschämender Unterstützung der Gewerkschaftsführung) ihren ArbeiterInnen gerade einen neuen «Krisenvertrag» angekündigt, der den 13. Monatslohn kürzt, die Arbeitszeiten flexibilisiert und die Lohnbeiträge zur Pensionskasse erhöht. Und das trotz eines Rettungspaketes von fast zwei Milliarden Franken im vergangenen April! Viele andere Unternehmen am Flughafen haben in den letzten Monaten Entlassungen vorgenommen. Der Kampf bei Swissport ist ein Beispiel für die vielen Kämpfe, die noch vor uns liegen: Mehrere Sektoren der Schweizer Wirtschaft sind von der Krise stark betroffen, und ein grosser Teil der Beschäftigten wurde bereits angegriffen oder wird noch angegriffen werden. Es ist die zwingende Aufgabe der Arbeiterbewegung, eine kämpferische Strategie zu entwickeln, um diese Angriffe abzuwehren und die Lehren aus solchen Kämpfen in der ganzen Schweiz, in verschiedenen Sektoren und Regionen zu verbreiten.
Die neue Verhandlungsrunde stellt eine wertvolle Verschnaufpause dar, aber man kann weder dem guten Willen der Geschäftsführung noch dem des Staatsrats, der gerade die Einnahmen des öffentlichen Dienstes in Genf gekürzt hat, trauen. In Zürich und Basel haben die Verhandlungen der Gewerkschaften mit Swissport zu Lohnkürzungen von 150 Franken und einer Kürzung der Ferien geführt. Das zeigt auf, wohin kampflose Verhandlungen führen: Swissport gewinnt, die ArbeiterInnen verlieren.
Die demokratische Kontrolle der Lohnabhängigen über die Verhandlungen ist daher entscheidend. Am Ende wird das Kräfteverhältnis entscheiden: Nur ein entschlossener Kampf, d.h. ein Streik aller Angestellten und anderer FlughafenarbeiterInnen, kann die oben genannten Forderungen durchsetzen. Eine Mobilisierung zu einer Versammlung aller Angestellten am Flughafen ist daher notwendig. Bei diesem Treffen muss die Forderung nach einer Kontrolle der Geschäftsbücher derjenigen Unternehmen, die mit Entlassungen drohen oder Löhne und Arbeitsbedingungen angreifen, formuliert werden. Um diese Forderungen durchzusetzen, wird sich nur der Kampf lohnen. Das Unternehmen wird nicht durch Verhandlungen auf die MitarbeiterInnen hören, sondern nur, wenn es dazu gezwungen wird!
Julian S.
JUSO Genf
Bild: Wikimedia Commons
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