Die neuesten Umsetzungen der Steuerreform in den Kantonen zeigen das verheerende Ausmass dieser Konterreform und manifestieren die Krise des Reformismus. Wie kämpft man wirklich gegen solche Angriffe?
Am 19. Mai 2019 wurde das Gesetz zur Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) vom Schweizer Stimmvolk angenommen. Als Nachfolger der versenkten USR III wurde es von bürgerlicher Seite und der Führung der Sozialdemokratie als «vernünftiger Kompromiss» präsentiert. In Wahrheit handelt es sich um einen schlechten Kuhhandel auf Kosten der ArbeiterInnen.
Die schweizerische Bourgeoisie stand seit Längerem unter Druck, gewisse Steuerprivilegien für ausländische Firmen abzuschaffen. Diese Notwendigkeit, die international «verpönten» Schlupflöcher zu stopfen, nutzen die Bürgerlichen, um neue Steuerschlupflöcher für alle Unternehmen zu öffnen und die Unternehmenssteuern allgemein zu senken.
Um die Konterreform diesmal durchzubringen, hat der Bundesrat die Vorlage mit einem AHV-Zustupf versüsst. Auf diesen Lockvogel stieg die SP-Führung unter Christian Levrat auch direkt ein. Um den Deal der Basis zu verkaufen, musste Levrat aber zu ungewöhnlichen Mitteln greifen und zu einer ausserordentlichen Delegiertenversammlung aufrufen. Während es von links, also der Juso und den SP-Frauen Kritik hagelte, verkündete die Parteileitung ihre Taktik: Man solle der Vorlage jetzt zustimmen, um die AHV zu retten und dann das Referendum in den Kantonen ergreifen, wenn die Pakete zu «überladen» seien. Die Delegierten liessen sich so von der Parteiführung überzeugen.
Diese absurde Taktik war allerdings von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Der interkantonale Steuerwettbewerb zwingt alle Kantone, die STAF umzusetzen, weil jeder Kanton seine Unternehmenssteuern senken muss, um konkurrenzfähig zu bleiben. Diese Steuersenkungen führen zu Löchern im Haushalt der Kantone, was wiederum zu Sparmassnahmen und damit zu Angriffen auf den Lebensstandard der einfachen Leute führt.
Den Föderalismus nutzen die Bürgerlichen bewusst, um die Kämpfe der ArbeiterInnenklasse zeitlich und räumlich zu spalten. So spielt die SP der herrschenden Klasse direkt in die Hände, indem sie die Kantonalparteien sich selbst überlässt und so die Kämpfe vereinzelt.
Im Thurgau wurde die kantonale Umsetzung der STAF von einer bürgerlichen Regierung ausgearbeitet. Neben der Einführung von neuen Steuerschlupflöchern soll der Gewinnsteuersatz von 4 auf 2.5% gesenkt werden. Damit spielt der Thurgau neu in den Top-10 der Kantone mit der geringsten Steuerbelastung für Unternehmen.
Das kantonale Referendum steht beispielhaft für die Taktik Levrats. Das Nein-Komitee bestand aus einem breiten Bündnis von linken und bürgerlichen Parteien. Dementsprechend war auch die Kampagne mit dem Slogan «Dieses Päckli zahlt der Mittelstand» brav, lasch und ohne Klassenstandpunkt.
Es wurde zwar darauf hingewiesen, wie viel Geld den Gemeinden und dem Kanton fehlen werde. Doch anstatt mit einer kämpferischen Referendumskampagne die Krisen- und Sparpolitik der Bürgerlichen anzuprangern, wurde lediglich die Unvernunft dieser Vorlage kritisiert und auf einen besseren Kompromiss gepocht! Es ist auch herauszustreichen, dass die SP peinlichst die Bezeichnung STAF vermied, weil man ein paar Monate zuvor ja noch für die STAF war.
So verlor die SP die kantonale Abstimmung, mit 37% Nein-Anteil, bei einer Stimmbeteiligung von 34%. Damit dürfte allen klar sein, wie sehr die Kampagne des Bündnisses es verfehlte, das Problem aufzuzeigen und die Lohnabhängigen zu mobilisieren. Dem Kanton und den Gemeinden werden im nächsten Jahr infolgedessen etwa 45 Millionen an Steuergeldern fehlen. Die Steuersenkung werden die Lohnabhängigen in Form von drastischer Sparpolitik zu spüren bekommen.
Wie im Thurgau sind in vielen anderen Kantonen die Vorlagen zur Umsetzung der STAF bereits angenommen. Vonseiten der SP kam es vereinzelt zu Widerstand, spätestens aber beim zweiten Anlauf lenkte die Sozialdemokratie jeweils auf einen Kompromiss ein.
Uns muss klar sein, dass die STAF nicht die letzte dieser Art von Angriffen sein wird. Der herrschenden Klasse bleibt in der Krise keine andere Wahl als neue Wege zu schaffen, ihre Produktionskosten und damit z. B. ihre Steuern niedrig zu halten. Seit Krisenausbruch 2008 steht die Bourgeoisie vermehrt unter Druck, ihre Profite nicht zu verlieren. Die Schweiz ist aufgrund verschiedener Faktoren vorerst vom Schlimmsten verschont geblieben. Trotzdem ist die Krise nicht ohne Weiteres am Schweizer Kapitalismus vorbeigezogen. Dazu kommt, dass die Krise nicht vorbei ist. Im Gegenteil, wir stehen kurz vor einem erneuten weltweiten Einbruch. In dieser Situation ist die Sparpolitik der Bürgerlichen pure Notwendigkeit, um ihre Profite zu retten.
Deshalb reicht es auch nicht zu versuchen, Vorlagen und Gesetze, wie die USR III oder die STAF, einfach abzuwehren, auf ihre Unverhältnismässigkeit hinzuweisen und an die Vernunft der Bürgerlichen zu appellieren. Die STAF zeigt uns, dass wir die Angriffe so höchstens verschieben können. Die krassen Sparmassnahmen sind nicht aus Bosheit einer neoliberalen Bande an Bösewichten entstanden. Sie sind ein unerlässlicher Teil der kapitalistischen Krisenpolitik.
Spätestens seit Ausbruch der Krise steht die Strategie des Kompromisslertums und der Klassenkollaboration mit dem Rücken zur Wand. Die SP hat bisher in ihrem Kampf gegen die kapitalistische Krisenpolitik auf ganzer Ebene versagt. Statt ihre Rolle als Partei der Schweizer ArbeiterInnenklasse einzunehmen, hat sie mitgeholfen, den Frontalangriff auf die Lohnabhängigen fortzuführen. Deshalb ist der Reformismus am Ende.
Wenn die Bourgeoisie zur Offensive gegen das Proletariat bläst, ist ein Kompromiss mit ihnen ein Zugeständnis an den Feind. Das ist, als ob ein Heerführer, statt seine Armee in die Schlacht zu rufen, den Feind überzeugt, weniger Soldaten zu senden, die dann aber fast ungehindert plündern und brandschatzen können.
Solange wir uns dieser Logik unterordnen, können wir Angriffe höchstens verzögern und bleiben in der Defensive. Erst wenn wir bereit sind, die Profite der KapitalistInnen anzugreifen, ist es möglich, solche Angriffe abzuwehren und in die Offensive zu gehen. Und wenn wir das tun, erkennen wir auch, dass nur der Bruch mit dem System und die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft die Probleme der arbeitenden Bevölkerung lösen kann.
Der Kampf gegen die STAF und gegen alle anderen direkten und indirekten Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse muss also gebraucht werden, um die Notwendigkeit für den Bruch mit dem Kapitalismus bei den Lohnabhängigen aufzuzeigen.
Nur eine klassenkämpferische SP, welche den Kapitalismus nicht nur kritisiert, sondern ihn auch bekämpft, ist in der Lage, diese Aufgabe zu übernehmen und sich eine Verankerung in der lohnabhängigen Klasse aufzubauen. Wir brauchen eine Partei, die konsequent sozialistische Politik inner- und ausserhalb der Parlamente macht und so den Weg ebnet, den Kapitalismus dahin zu schaffen, wo er hingehört: Auf den Müllhaufen der Geschichte!
Lars Kohlfürst
Juso Thurgau
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