Fast sechs Monate nach Streikbeginn beteiligten sich Anfang September über 240 lokale Notfallstationen am Streik. Die kämpferische Bewegung richtet sich gegen verschiedene Angriffe vonseiten der Regierung.

Streikursache sind die immer prekäreren Umstände und Unzufriedenheit im Rettungsdienst. Die Streikenden prangern alarmierende Arbeitsbedingungen an, die sowohl ArbeiterInnen als auch PatientInnen gefährden. Der Mangel an Personal und Ausrüstung macht die Situation untragbar, da die Patienten manchmal länger als 24 Stunden warten müssen. Bevor sie einen Arzt aufsuchen können, werden die Patienten an Orten abgestellt, die den Gesundheitszustand ihrer Patienten noch weiter gefährden. Unter diesen Umständen nimmt die Gewalt gegen Mitarbeiter zu, für die es einfach nicht möglich ist, alle Fälle schnell in Angriff zu nehmen. Der erbärmliche Zustand der Notfallstationen, die enorme Arbeitsbelastung und die niedrigen Löhne haben erhebliche Auswirkungen auf die geistige und körperliche Gesundheit der Mitarbeiter der Krankenhäuser.

Eine Regierung der Reichen

„Patienten sind keine Waren, Krankenhäuser keine Unternehmen“ ist eines der Schlagworte der Streikenden. Sie sind sich dessen bewusst, dass die Verschlechterung der Bedingungen für Notfallstationen Teil einer generellen Welle an Angriffen und Kürzungen im öffentlichen Dienst ist.

In Frankreich erleben wir derzeit die Entstehung eines Zweiklassenmedizin: Einerseits sehen sich Krankenhäuser und andere öffentliche Einrichtungen mit drastischen Sparplänen konfrontiert, was zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und der Pflege führt, andererseits treten neue private Institutionen aggressiv in den Markt ein. Genau sie wollen die Patienten zu Waren machen!

Dabei werden sie von der Macron-Regierung doppelt unterstützt: Erstens sind Sparpläne in Krisenzeiten für Kapitalisten tatsächlich notwendige Instrumente, um ihre Gewinnmarge zu erhalten. Konsequenz der Senkung der Unternehmenssteuern ist der Abbau von Sozialdiensten. Zweitens öffnet die Verschlechterung der öffentlichen Institutionen insbesondere im Gesundheitssektor den privaten Markt.

Organisation und Kampfgeist

Das kommende Kürzungsregime wird hart sein: Agnes Buzyn, die Gesundheitsministerin, plant die Umsetzung des Plans „My Health 2022“, der zwei Milliarden Euro Einsparungen im Budget des Gesundheitswesens vorsieht. Doch private Dienstleistungen sind teuer, weil sie Gewinne einbringen müssen. Daher sind sie nur für eine kleine und wohlhabende Elite zugänglich. Das ist die Realität im Kapitalismus: Leiden wird zu einer Quelle des Profits – das Leiden der Patienten und das der Betreuer.

Die Streikenden bewiesen aber Kampfgeist und einen hohen Organisationsgrad. Am 6. Juni lehnten sie die Kompromissvorschläge der Ministerin Buzyn als unzureichend und unvollständig ab. Von der Regierung als verantwortungslos gegenüber den Patienten beschuldigt, reagierten Betreuer entschieden auf die Versuche, ihre Glaubwürdigkeit zu untergraben: Verantwortungslos seien diejenigen, die die desolaten Zustände der Rettungsdienste durch Einsparungen verursacht haben, nicht diejenigen, die für Verbesserung kämpfen! Darüber hinaus konnten sich die Streikenden so organisieren, dass Grundleistungen sichergestellt werden konnten.

„Gesundheit hat keinen Preis!“

Der Fall der Notfallstationen zeigt deutlich: Die Logik des Profits, die das wahre Credo der jetzigen Regierung ist, ist grundsätzlich unvereinbar mit zufriedenstellenden Gesundheitsdiensten, die für alle zugänglich sind. Wir Marxisten treten dafür ein, dass die Pflege kostenlos und öffentlich sein sollte, was bedeutet, dass Krankenhäuser, Versicherungen, Pharmaunternehmen usw. der demokratischen Kontrolle durch Arbeitnehmer und Patienten unterstellt werden müssen.

Damit eine solche Veränderung möglich wird, darf der Kampf des Pflegepersonals nicht von den Forderungen anderer Arbeiter isoliert bleiben. Es ist notwendig, den Kampf der Notfallaufnahmen mit den anderen kämpfenden Sektoren zu verbinden. Der Streik wird durch ein zentrales Streikkomittee (genannt „Inter-Urgencies“) organisiert, das auch den niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad kompensiert. Dieses wäre auch in der Lage, die Bewegung auf andere Sektoren auszuweiten. Das wiederholte Ausbrechen zahlreicher spontaner und kämpferischer Bewegungen (die Eisenbahner, bei der Arbeitsrechtsreform, die gelben Westen, an den Unis usw.) zeigt, dass die französische Arbeiterklasse über die Kraft verfügt, um zu kämpfen, dass aber Einheit und Organisation für ihren Sieg unerlässlich sind.

Gaia V.
Marxistische Studierende Genf

Bild: Hôpital des Castres, Mazamet 31.7.2019, fb.com/luttesinvisibles